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Wie das TV-Duell zwischen Biden und Trump die US-Wahl beeinflussen kann
VonMichael Kister
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In der Nacht auf Freitag kommt es zum TV-Duell zwischen Biden und Trump. Persönliche Macken könnten die Wählergunst entscheidend beeinflussen.
Atlanta – Donald Trump und Joe Biden treffen in der Nacht auf Freitag (28. Juni) um drei Uhr deutscher Zeit im CNN-Hauptquartier in Atlanta beim ersten TV-Duell der US-Wahl aufeinander. Niemals kam es so früh – noch bevor sie von ihren Parteien offiziell zu Kandidaten gekürt wurden – in einem Präsidentschaftswahlkampf zum rhetorischen Schlagabtausch der chancenreichsten Anwärter auf das Amt.
Trump lag seit September 2023 auf dem nationalen Niveau im Umfrage-Durchschnitt vor Biden, doch jüngst schmolz dieser Vorsprung auf einen Gleichstand. Beide Kandidaten wollen das TV-Duell nutzen, um sich an die Spitze der Wählergunst zu setzen.
Üblicherweise organisiert die „Kommission für Präsidentschaftsdebatten“, eine Non-Profit-Organisation, die von Demokraten und Republikanern gemeinsam finanziert wird, erst im Herbst mehrere Diskussionen. Dieses Mal haben beide Kandidaten sie allerdings umgangen und mit den US-Sendern CNN und ABC vereinbart, je ein TV-Duell abzuhalten. Der Präsidenten-Historiker Douglas Brinkley nannte das bevorstehende Aufeinandertreffen, dessen Wichtigkeit man nicht hoch genug einschätzen könne, gegenüber CNN „unglaublich historisch“.
Macken und Ausraster von Biden und Trump könnten das TV-Duell entscheiden
Natürlich wird es beiden Kandidaten um politische Inhalte gehen. Biden dürfte versuchen, mit dem Thema Abtreibung zu punkten, einem der wenigen Politikbereiche, in denen eine Mehrheit der Amerikaner mit ihm übereinstimmt. Trump wird den Amtsinhaber dagegen wohl vor allem für seine Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik kritisieren, das implizierte sein Wahlkampf-Team bereits. Ansonsten dürften allerdings persönliche Themen viel Platz einnehmen.
Ticks, Macken und Ausraster könnten darüber entscheiden, wen die US-Wählerschaft im Nachhinein als Gewinner des TV-Duells betrachtet. Um Selbstkontrolle zu üben und die Schwächen des Gegenübers bestmöglich auszunutzen, trainierten Biden und Trump auf ihre jeweils eigene Weise. Aaron Kall, Debattenexperte an der Universität von Michigan, erklärte gegenüber CNN: „Oftmals bestätigen diese Fehler eine Karikatur eines bestimmten Kandidaten, die schon vorher bestand.“
Biden muss sich hüten, wie ein seniler Alter zu erscheinen
Für Biden wäre es in dieser Hinsicht fatal, würde er das Vorurteil des senilen Alten bedienen, der geistig und physisch überhaupt nicht mehr in der Lage ist, Amerika zu regieren. Sein republikanischer Konkurrent und dessen Team sind stets bemüht, der Öffentlichkeit eben diesen Eindruck zu vermitteln. Geriete ein Video zusammenhanglosen Gestammels von Biden oder seines Stolperns, vielleicht gar Sturzes auf dieser wichtigen Bühne einmal in die Welt, womöglich noch mit einem überlegen grinsenden Donald Trump im Hintergrund, hätte das demokratische Team große Schwierigkeiten, es wiedergutmachen.
Trump dagegen könnte in eine Falle tappen, die sein Konkurrent ihm stellt. Biden zeichnet ihn verstärkt als labilen Tyrannen in spe, der nur darauf wartet, das Schicksal der USA den Wogen seines Temperaments zu unterwerfen – ein Kennzeichen seiner durchaus kritisierten Hauptsache-nicht-Trump-Strategie. Um diese Zuschreibung vor den Augen unentschlossener Wähler zu entkräften, mag der republikanische Kandidat versuchen, sich staatsmännisch zu geben.
Trump darf sein wahres Gesicht nicht enthüllen
Biden wird allerdings nachgesagt, dass er geschickt darin sei, seine Gegenüber zu unüberlegten Aussagen hinzureißen. So könnte es ihm gelingen, den wahren Trump, der nie sonderlich tief unter der orange-gelben Hülle sitzt, zu demaskieren und dessen Impulsivität bloßzustellen. Diese Wahrnehmung wurde Trump bereits nach dem ersten TV-Duell des Präsidentschaftswahlkampfes 2020 zum Verhängnis.
Damals provozierte Donald Trumps stetiges Dreingerede in Cleveland, Ohio, Joe Biden zu dem Ausruf „Will you shut up, man“ – zu Deutsch „Wirst du endlich deine Klappe halten, Mann“. Eine repräsentative Umfrage des Magazins Politico fand heraus, dass eine Mehrheit der Zuschauer Bidens Frustration über den Trumpschen Debattenstil teilte: 50 Prozent der Befragten sahen Biden als Sieger, nur 34 Prozent den republikanischen Amtsinhaber.
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Stumme Mikros und kein Publikum spielen Biden in die Karten
Als Reaktion auf das Tohuwabohu im Fernsehstudio wurde beim zweiten Duell in Nashville, Tennessee, wenigstens während der Eingangsstatements zu jedem Themenbereich das Mikrofon des anderen Kandidaten stummgeschaltet. 2024 soll nun in Atlanta immer, wenn ein Debatten-Teilnehmer spricht, das Mikrofon des anderen abgedreht werden.
Außerdem heißt es, dass Bidens Team darauf gedrungen habe, kein Studiopublikum einzuladen. Trump geht immer wieder direkt auf seine Zuhörerschaft ein und badet gerne in der MAGA-Menge. „Ich kann mir kein besseres Szenario für Joe Biden vorstellen“, urteilte Präsidenten-Experte Brinkley gegenüber ABC News, denn ein abgeschaltetes Mikrofon ohne Publikum erscheine ihm wie eine Abwertung von Trumps bombastischem Wahlkampfstil.
„Obwohl diese Regeln sehr streng sind, werden wir etwas Feuerwerk sehen“, mutmaßte Brandon Rottinghaus, Politik-Professor an der Universität von Houston, für ABC News. Interessant werde, wie Joe Biden mit einem entfesselten Donald Trump umgehen und wie kühn ein solcher Trump sein wird, so Rottinghaus weiter.