
VonAlexander Görlach
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Sven Hauberg
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Donald Trump will den Gazastreifen unter US-Kontrolle stellen. Die Politik des US-Präsidenten könnte die Nachkriegsordnung zerstören.
Ob Ukraine-Krieg, der bedrohliche Aufstieg Chinas oder die Rückkehr von Donald Trump: Unsere Welt ist im Umbruch. Autoritäre Regime haben Aufwind, westliche Demokratien geraten in der Defensive. Für IPPEN.MEDIA blickt Alexander Görlach in der Videokolumne „Görlachs Weltgeschehen“ regelmäßig auf die Brennpunkte dieser Welt. Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University.
Herr Görlach, was ist von Donald Trumps Vorstoß zum Gazastreifen zu halten?
Der Vorschlag Donald Trumps, den Gazastreifen zu einem US-Territorium zu machen und zu entwickeln, zu einer „Riviera am Mittelmeer“ gar, ist an Kühnheit und Unverfrorenheit nicht zu überbieten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand so einen Vorschlag auf dem Zettel hatte. Auch wenn wir alle davon ausgegangen sind, dass es unter Donald Trump in den internationalen Beziehungen turbulent zugehen würde.
Dieser Vorschlag würde internationales Recht brechen, er würde das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser massiv verletzen, und er würde natürlich die gesamte Region in Unbilden stürzen. Also von daher ist dieser Vorschlag, egal wie halbgar er daherkommen mag, allein jetzt schon Grund für eine große Disruption in dieser Weltgegend. Und man fragt sich in allen Hauptstädten der Welt, wohin Donald Trump mit diesen Vorschlägen hin will.
Donald Trump wollte die USA aus internationalen Konflikten heraushalten. Legt er jetzt eine Kehrtwende hin?
Das ist natürlich eine Kehrtwende sondergleichen. Denn Donald Trump hat ja eigentlich angekündigt, die USA aus künftigen militärischen Abenteuern und Kriegen herauszuhalten. Mit dem Vorschlag, jetzt den Gazastreifen zu einem US-Territorium zu machen, der ja dann auch von US-Soldaten gesichert werden müsste: Das ist in der Tat eine Kehrtwende. Deswegen sagen auch viele oder fragen sich viele, wie ernst gemeint das auch wirklich sein kann, wie durchdacht das sein kann. Aber es zeigt, wo Donald Trump den Platz der USA in der Welt zieht, nämlich als der Strippenzieher par excellence. Er fasst diesen Entschluss, und er verkündet ihn der Weltöffentlichkeit, und nun muss die Welt eben sehen, wie sie damit umgeht. Und das ist quasi das, was Donald Trump sich wünscht: Alle müssen sich zu seiner Mitte, zu Washington beugen und neigen und sich ihn und die USA gewogen machen.
Trumps Gaza-Vorstoß: „Das ist so, wie sich die Siegermächte im 19. Jahrhundert verhalten haben“
Zur Person
Professor Alexander Görlach unterrichtet Demokratie-Theorie und -Praxis an der New York University. Der Geopolitik-Experte hatte verschiedene Positionen an der Universitäten Harvard und Cambridge inne. Unter anderem erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“ (2022).
Was bedeutet das für die internationale Ordnung?
Trumps erklärtes Ziel ist es, die regelbasierte internationale Ordnung durch ein Konzept zu ersetzen, das man auf Englisch “might sets right” nennt, also: Macht setzt das Recht. Und so sind wir jetzt eigentlich zusammen mit Russland und
China und den USA nun unter Donald Trump zurück in einer Weltordnung, die eher an das 19. Jahrhundert erinnert. Und dieser Vorschlag, wenn man das überhaupt so nennen darf, einfach ein souveränes anderes Territorium, den Gazastreifen, zu übernehmen: Das ist so, wie sich die Siegermächte im 19. Jahrhundert verhalten haben und auch am Ende des Ersten Weltkriegs, was letztendlich natürlich auch zu der desaströsen Situation im Mittleren, im Nahen Osten geführt hat, wo nämlich europäische Kolonialmächte Grenzen gezogen haben, wo es vorher keine gab. Und das ist der Stil der Politik, der Donald Trump vorschwebt, und das macht die Ordnung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden ist, die auf der Souveränität der Völker und Nationalstaaten beruht, obsolet. Und jetzt so langsam beginnt man das in den Hauptstädten der Welt zu registrieren und fragt sich, wie eine neue Weltordnung ohne eine Führerschaft der USA überhaupt aussehen mag.
Welche Rolle spielen für Trump dabei Zölle?
Für Donald Trump sind Zölle ein Mittel der Politik und nicht so sehr eines der Ökonomie. Das hat man ja gemerkt an den Verhandlungen mit Kanada und Mexiko. Die beiden Länder machten Konzessionen, und als sie diese Konzessionen gemacht haben, wurden die Zölle zumindest mal für einen Monat ausgesetzt. Mit China sieht das im Moment noch ein bisschen anders aus. Da bestehen die Zölle weiter, und die relevanten Akteure in der Trump-Regierung sind alle sogenannte Hawks, also eher China-feindlich eingestellt. Donald Trump hat ja gesagt, die zehn Prozent jetzt sind erst eine Startsalve und es könnten also noch mehr Tarife kommen. Also die Konfliktlinien mit der Volksrepublik sind nach wie vor groß, und die Zölle könnten dabei auch in den nächsten Jahren eine weitere große, erhebliche Rolle spielen.
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