SPD-Politikerin Carmen Wegge

Sie will die AfD verbieten lassen: „Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß“

  • Andreas Schmid
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Wird die AfD verboten? Eine Gruppe von Abgeordneten will die Partei überprüfen lassen. „Das wäre ein Weckruf für die Wähler“, sagt die SPD-Politikerin Carmen Wegge.

Fünf Bundestagsabgeordnete stellen sich gegen die AfD. Sie haben einen Antrag initiiert, mit dem sie beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der AfD voranbringen möchten. Es „liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partei verfassungswidrig ist“, heißt es in dem achtseitigen Schreiben mit dem Titel „Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD“.

„Die AfD hat sich weiter radikalisiert“

Eine der Initiatoren des Antrags ist die SPD-Politikerin Carmen Wegge. „In den letzten zwölf Monaten bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man jetzt die AfD überprüfen sollte“, sagt Wegge im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß.“ Wegge ist überzeugt: „Die AfD hat sich weiter radikalisiert“.

Die Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis in Starnberg nennt Beziehungen nach China und Russland sowie zu rechtsextremen Verbindungen, das „Treffen in Potsdam“ oder „die Ereignisse im Thüringer Landtag, wo man ganz klar sehen konnte, was passiert, wenn die AfD nur ein bisschen an Macht erlangt. Sie hebelt das Parlament vollkommen aus.“ Für Wegge ist klar: „Wenn wir unsere Demokratie retten wollen, dann müssen wir eine Überprüfung der AfD anstreben.“

AfD-Verbotsantrag

Ein Parteienverbot kann von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden.

Der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachteten AfD müsste in dem Verfahren nachgewiesen werden, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“ (Art. 21 Grundgesetz). Diese Prüfung dauert vermutlich Jahre.

Initiatoren des Antrags sind Martina Renner (Linke), Stefan Seidler (Südschleswigscher Wählerverband), Till Steffen (Grüne), Marco Wanderwitz (CDU) und Carmen Wegge (SPD).

AfD-Verbotsverfahren: „Das schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie“

Die Gründe hierfür werden im Antrag beschrieben: „Die AfD wendet sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“ Rechte von Minderheiten „sollen nach dem Willen der AfD zu Gunsten einer völkisch-nationalen Stärkung eines vermeintlichen Deutschtums beschränkt oder beseitigt werden.“ Zudem ist die Rede von der Verbreitung von Fake News und Verschwörungserzählungen, NS-Verharmlosung und „Pläne[n] zur millionenfachen ‚Remigration‘ auch von deutschen Staatsbürgern“.

Doch: Parteien können in Deutschland nicht nach Lust und Laune verboten werden, die rechtlichen Hürden sind hoch. Der AfD muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die Verfassung vorgeht. Dementsprechend lange dauert das Verfahren. Bis zu einem Urteil könnte es mehrere Jahre dauern, in jedem Fall über die Bundestagswahl 2025 hinaus. Juristin Wegge weiß das: „Eine solche Entscheidung ist das schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie.“ Sie sagt aber auch:

Carmen Wegge über die AfD. Sie sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag und ist dort unter anderem Mitglied im Rechtsausschuss.

AfD-Verbot: Bis Dezember entscheidet der Verfassungsschutz über eine Hochstufung

Wegge und ihre Mitstreiter wollen den Antrag noch dieses Jahr in den Bundestag einbringen. Mögliches Problem: die fehlende Unterstützung. Der Bundestag hat derzeit 733 Abgeordnete. 76 stellt die AfD, die natürlich gegen die Prüfung stimmen werden. Bleiben 657 Abgeordnete. Davon müssten 367 für den Antrag stimmen. Denn es braucht nur eine einfache Mehrheit im Bundestag. Die Ampel-Parteien könnten diese Mehrheit stellen. Doch flächendeckend überzeugt scheinen innerhalb der Regierung nur die Grünen.

Die Spitzen von SPD und FDP warnen – ebenso wie die CDU/CSU. In der Union ist der Gegenwind am größten. Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland stimmten in einer Probeabstimmung nur sieben der 196 CDU- und CSU-Politiker für den Antrag. Die Initiatoren setzen darauf, dass sich einige Abgeordnete enthalten – und es so weniger erforderliche Ja-Stimmen braucht. Die Mehrheiten beeinflussen könnte zudem eine neue Einstufung des Verfassungsschutzes.

Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD derzeit als rechtsextremen Verdachtsfall. Bis Dezember entscheidet die Behörde, ob die AfD diesen Status behält oder als „erwiesen rechtsextrem“ hochgestuft wird. Wegge glaubt, das könne das Ergebnis beeinflussen. „Ich gehe stark davon aus, dass in allen demokratischen Fraktionen im Falle einer solchen Hochstufung ernsthaft darüber nachgedacht wird, was das für das weitere Vorgehen bedeutet.“

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass die AfD verfassungswidrig ist, wird die Partei verboten. „Die AfD müsste sich auflösen und von heute auf morgen würden die Mitglieder nicht mehr in den Parlamenten sitzen“, sagt Wegge. Die Überzeugungen der schon jetzt in Teilen rechtsextremen Politiker wären damit nicht weg. Doch: „Für viele Wähler wäre das ein Weckruf“, glaubt Wecke.

Rubriklistenbild: © IMAGO / Bihlmayerfotografie//Carsten Koall/picture alliance (Montage)

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