„Nicht Instagram, der echte Krieg“
Selenskyj lädt Trump an die Ukraine-Front ein – und spricht über Awdijiwka-Verluste
VonFlorian Naumannschließen
Wolodymyr Selenskyj hält in München eine flammende Rede. Er lädt Donald Trump auch an die Front ein – um den „echten Krieg“ zu erleben.
München – Wolodymyr Selenskyj hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine eindringliche Rede gehalten: Der ukrainische Präsident warnte am Samstagmorgen (17. Februar) vor einer globalen Katastrophe, sollte Wladimir Putin nicht Einhalt geboten werden. Er forderte auch weitere Luftabwehrsysteme und Waffen mit größerer Reichweite – und lud Donald Trump an die Front im Ukraine-Krieg ein. Selenskyjs Rede stand in recht scharfem Kontrast zum Auftritt von Kanzler Olaf Scholz (SPD) kurz zuvor.
Selenskyj warnt vor „Katastrophe“ durch Putin – und forderte weitere Waffen
„Es gibt keine weitreichenden Waffen. Russland hat sie, wir haben sehr wenige davon. Das ist die ganze Wahrheit. Daher sind unsere Hauptwaffen gerade unsere Kämpfer“, sagte Selenskyj. Es sei aber „unfair“ wenn Menschen gegen Artillerie kämpfen müssten. Der ukrainische Präsident schilderte zugleich positive Perspektiven: Sollte es mehr Luftabwehrsysteme geben, könnten Menschen in ihre Heimat zurückkehren. Zugleich werde sich Russland in Gebieten ohne Lufthoheit zurückziehen – aus Sorge um seine Flugzeuge. Auch mit eigener Drohnenproduktion werde die Ukraine den Aggressor noch 2024 „überraschen“.
„Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen“, warnte Selenskyj die Unterstützer zugleich. Das gelte nicht nur für die Ukraine, sondern auch für andere Länder: Russland könne die baltischen Staaten oder auch Polen „zerstören“. Putin sei ein „Monster“, das nicht nur tausende Menschenleben in der Ukraine vernichtet habe, sondern auch Menschen in Tschetschenien oder Syrien habe „abschlachten“ lassen.
Selenskyj lädt Trump in München an die Ukraine-Front ein: „Nicht Instagram, der echte Krieg“
Selenskyj sprach auch direkt den möglichen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump an. Er habe Trump bereits öffentlich in die Ukraine eingeladen, sagte Selenskyj auf eine Frage. Er sei jederzeit bereit, mit „Herrn Trump“ die Frontlinie zu besuchen. Es sei sehr wichtig zu demonstrieren, was „der echte Krieg ist“: „Nicht Instagram, der echte Krieg.“
Trumps Republikaner blockieren im US-Kongress aktuell ein Hilfspaket für die Ukraine. Tatsächlich sind die europäischen Staaten laut am Rande der Münchner Siko frisch vorgestellten Daten mittlerweile die wichtigsten Geber – auch von Militärhilfen. Selenskyj warnte nun vor einem „künstlichen Waffendefizit“. Der republikanische US-Senator Pete Ricketts musste sich in einem folgenden Panel kritische Fragen gefallen lassen – verwies allerdings stoisch auf demokratische Prozesse, weiter benötigte „Zeit“ und eine angebliche Notlage an der US-Südgrenze.
Selenskyj erklärt Awdijiwka-Rückzug – Präsident der Ukraine nennt Verluste-Verhältnis
Mit Blick auf den ukrainischen Rückzug aus Awdijiwka verwies Selenskyj auf den Wert, die Menschenleben für die Ukraine hätten. Es handle sich um eine professionelle Entscheidung, um die Leben ukrainischer Soldaten zu schützen. „Unsere Soldaten sind Menschen“, betonte er. In Putins Russland seien Menschenleben „wertlos“, hatte er zuvor gerügt.
„Ich kann die Zahl der Verluste, der Opfer nicht mit Ihnen teilen“, sagte Selenskyj der CNN-Moderatorin Christiane Amanpour im an seine Rede anschließenden Podiums-Interview. In Awdijiwka laute das Verhältnis der Verluste aber etwa „eins zu sieben“; für einen gefallenen oder verletzten ukrainischen Soldaten verliere Putins Armee etwa sieben Kämpfende. Es sei schrecklich, auch nur einen einzigen Menschen zu verlieren – „aber wir haben das alles nicht begonnen“, betonte Selenskyj, der für seine Rede Standing Ovations erhielt.
Scholz war unmittelbar vor Selenskyj aufgetreten. Er sprach von einem „Silberstreif“ in den aktuellen Krisen – ein Wort, das Siko-Chef Christoph Heusgen am Vortag in seiner Eröffnungsrede verwendet hatte. Auch Scholz rügte bei seinem Auftritt aber indirekt die jüngsten Äußerungen Trumps zur Nato: „Jegliche Relativierung der Beistandsgarantie der Nato nützt nur denen, die uns, so wie Putin, schwächen wollen“, sagte er. (fn)
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