„Alle Regierungen zu Fall bringen“

Schweden-Umfragen: Rechtsaußen werden unruhig – droht ein gefährlicher Trugschluss?

  • Florian Naumann
    VonFlorian Naumann
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Die Rechtspopulisten stützen Schwedens Regierung. Zu nützen scheint ihnen das Umfragen zufolge nicht. Aber die Lage bleibt prekär.

Noch ist es etwas früh für finale Prognosen. Aber sehr wahrscheinlich werden hierzulande nach der Bundestagsneuwahl die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP eine bittere Pille schlucken müssen – und die große Profiteurin könnte die AfD sein. Ohnehin erstarken quer durch Europa rechtspopulistische Parteien. Das gilt prinzipiell auch für Schweden. Doch eine aktuelle Wahlumfrage zeigt immerhin eine leicht andere Tendenz.

Im jüngsten „Väljarbarometer“ („Wählerbarometer“) des Senders SVT etwa legen die schwedischen Grünen am stärksten zu. Und im Vergleich zu Schwedens Wahlergebnis von Herbst 2022 zeigt sich eine aus deutscher Sicht durchaus erstaunliche Tendenz: Die regierenden Konservativen sind stabil, Sozialdemokraten, Linke und Grüne legen zu – Verluste gibt es bei konservativen und liberalen Kleinparteien. Und bei den scharf rechten Schwedendemokraten (SD).

Auf AfD-Niveau: Schwedendemokraten bleiben stark – aber die Kurve zeigt nach unten

Das Wahlergebnis Letzterer hatte 2022 Schockwellen durch Schweden und Europa gesandt: 20,6 Prozent standen zu Buche. Ein Wert, der nun Sonntagsfragen zufolge auch für die AfD in Reichweite scheint. Die aktuellen Umfrage-Einbußen der Schwedendemokraten sind zwar bei Weitem kein Erdrutsch: 19,3 Prozent lautet der aktuelle Wert. Aber bis auf einen kurzen Ausreißer Anfang 2024 scheinen die Rechtsaußen unter dem Strich eher im Sinkflug. Bei der Europawahl im Juni waren sie sogar auf 13,17 Prozent abgestürzt. Was ist da los?

Nicht in Schwedens Regierung, aber doch im Fokus: die Parteichefs Jimmie Åkesson (Schwedendemokraten) und Amanda Lind (Grüne).

Im Juni könnte noch ein Eklat eine entscheidende Rolle gespielt haben. Ein TV-Bericht über eine Social-Media-Kampagne der SD gegen Migranten und politische Gegner über anonyme Accounts könne ihnen „geschadet“ haben, sagte damals Politologe Stefan Thierse IPPEN.MEDIA. Dass der Aufwärtstrend gestoppt scheint, könnte aber auch mit konkreten politischen Fragen, mit der Regierungskonstellation und mit einem allgemeinen Phänomen zu tun haben.

Schweden-Umfrage: Haben die Rechten ihre Wähler enttäuscht?

Die Schwedendemokraten hatten 2022 der aktuellen schwedischen Minderheitsregierung aus Konservativen, Liberalen und Christdemokraten ins Amt geholfen. Selbst wurden die scharf Rechten zwar nicht Teil des Kabinetts – aber sie sind in Entscheidungen eingebunden. Und sie galten vielen Beobachtern noch als größter Gewinner der für die Tolerierung grundlegenden „Tidö-Absprache“, benannt nach dem Tagungsort, Schloss Tidö in Mittelschweden.

ParteiAusrichtungUmfrageVergleich mit Wahl 2022
Socialdemokraternasozialdemokratisch33,3%+3,0%
Sverigedemokraternarechtspopulistisch19,3%-1,3%
Moderaterna*konservativ19,0%-0,1%
Vänsterpartietsozialistisch7,9%+1,2%
Miljöpartietgrün6,7%+1,6%
Centerpartietbürgerlich-liberal4,7%-2,0%
Kristdemokraterna*christlich-sozial3,8%-1,6%
Liberalerna*liberal3,3%-1,4%

Quelle: SVT-„Väljarbarometer“ vom 12. Dezember 2024. / *Regierungspartei / Sperrklausel: 4%

Eines der größten Versprechen auch der SD sei gewesen, „Ordnung in Schweden“ zu schaffen, erinnerte die Zeitung Aftonbladet im Herbst 2023. Und konstatierte, etwa mit Blick auf Gangkriminalität: „Die Wähler sind enttäuscht.“ Das könnte nun gerade für einige Wähler der Schwedendemokraten gelten. Auch eine versprochene Benzinpreissenkung etwa fiel eher überschaubar aus, zwischenzeitlich halbierte die Partei ihr diesbezügliches Wahlversprechen. SVT-Kommentator Mats Knutsson verwies nun in seiner Umfrage-Analyse auch auf „schmerzhafte Kompromisse“ für die Rechten.

Er sieht hingegen Pluspunkte für die konservativen Moderater von Ministerpräsident Ulf Kristersson. Dass angesichts des Ukraine-Krieges immer noch Sicherheitspolitik ein großes Thema sei, habe ihnen eher geholfen. Und auch „die Rede von einer Aufhellung in der Wirtschaftslage und die Hoffnung auf mehr Geld im Portemonnaie“ könne der traditionell auf Wirtschaftsfragen fokussierten Partei nutzen.

Rechtspopulisten in Schweden unter Druck – nun wollen sie mit Macht in die Regierung

Die Schwedendemokraten gehen nun offenbar aufs Ganze: Zuletzt forderten sie eine massiv veränderte neue „Tidö-Absprache“. Und Parteichef Jimmie Åkesson polterte Ende November mit Blick auf die Wahl 2026: „Wir werden alle Regierungen zu Fall bringen, deren Teil wir nicht sind.“ Heißt: Nächstes Mal wollen die Schwedendemokraten unbedingt mit am Kabinettstisch sitzen. Zunehmend enge Bande knüpfen die SD laut einem Bericht des finnischen Hufvudstadsbladet bereits zu den „Wahren Finnen“ im Nachbarland. Wohl auch um Rat zu erhalten – die „Wahren Finnen“ sitzen in Helsinki bereits in der Regierung.

Ob es tatsächlich zu einer Regierungsbeteiligung kommt, hängt natürlich auch vom Wahlergebnis ab. Denkbar scheint zumindest, dass für die Schwedendemokraten bei rund 20 Prozent vorerst das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Das maximale Wählerpotenzial der Rechtspopulisten sei weltweit ähnlich groß, sagte der Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch IPPEN.MEDIA zuletzt. Über 30 Prozent zu kommen, sei ihnen „kaum möglich“. Vielerorts haben sich Parteien ein gutes Stück darunter eingependelt.

Einen Fingerzeig zur Größe des scharf rechten Wählerlagers in Schweden könnte eine Nachwahlbefragung zur EU-Wahl im Juni geben. Ihr zufolge verblieben unter den SD-Wählern gerade jene, die sich selbst als „rechts“ einordnen. Die Zahl derer, die sich als „weder rechts noch links“ bezeichneten, sank im Schwedendemokraten-Lager von 28 auf 21 Prozent, wie das Portal Dagens Arena berichtete. Erstmals ordneten sich mehr SD-Wähler als „klar rechts“ denn als „etwas rechts“ ein. Sie könnten aktuell die Kernwählerschaft sein – die im Übrigen Umfragen zufolge vor allem unter Männern und auf dem Land zu finden ist.

Schwedendemokraten wachsen nicht mehr – ein gefährlicher Erfolg?

So oder so scheint der Vormarsch der Rechtsradikalen gestoppt – aber nicht massiv umgekehrt. Trotz neuerlicher Eklats. Auch mit 19 Prozent wären die Schwedendemokraten ein Faktor bei der Regierungsbildung 2026. Wie 2022 liegen sie sogar vor der Partei von Regierungschef Kristersson. Und eine linkere Regierung wäre zwar rechnerisch möglich, aber alles andere als sicher, trotz insgesamt knapp sechs Prozentpunkten Umfrage-Zugewinn für Sozialdemokraten, Linke und Grüne seit der Wahl.

Experten sehen schon die aktuelle Rolle der Schwedendemokraten kritisch. Eine echte Koalitionsbeteiligung könnte die Lage verschärfen. Argumente zu übernehmen und die Ausgrenzung aufzuheben, „führt zu einem weiteren Erstarken der rechtsextremen Parteien“, warnte Experte Endre Borbath bei IPPEN.MEDIA. Insofern könnte der Migrationskurs von Schwedens Regierung auch einen momentanen, trügerischen Sieg ergeben. SVT-Kommentator Knutsson sieht in der „strammen Migrationspolitik“ zwar den Verlust eines Alleinstellungsmerkmals der Rechten. Allerdings zeigen aktuelle Forschungen: Gerade das Aufgreifen rechter Rhetorik und rechter Argumente unter Mitte-Parteien „normalisiert“ rechtsradikale Standpunkte aus Wählersicht dauerhaft.

Kräftig zugelegt haben über das vergangene Jahr indes die schwedischen Grünen – um 2,3 Prozentpunkte seit Januar, auf allerdings immer noch nur 6,7 Prozent. Zwischenzeitlich waren sie aber in der „Väljarbarometer“-Umfragereihe auf 2,9 Prozent abgesunken. Die Mijöpartiet („Umweltpartei“) hat eine neue Führung. Einen Erfolgshebel sieht Knutsson in einem inhaltlichen Wandel. Die Partei fokussiere sich „mehr auf Klima und Umwelt und weniger auf das, was Identitätspolitik genannt wird“. Auch das: eine interessante Frage für Grüne und Linke in Deutschland. (fn)

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