Russlands Oppositionspolitik

„Von Nawalnys Fehlern gelernt“: Nadeschdin schließt Proteste gegen Putin aus

  • Jekaterina Jalunina
    VonJekaterina Jalunina
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Die russische Opposition ist seit Jahren mit bedrohlichen Herausforderungen konfrontiert. Darunter ist die Einschränkung politischer Versammlungen und die Verfolgung von Regierungskritikern.

Moskau – Der russische Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin hat angekündigt, dass er seine Anhänger nicht zu Protesten gegen seinen Ausschluss von der russischen Präsidentschaftswahl im nächsten Monat aufrufen wird. In einem Interview mit der Moscow Times erklärte Nadeschdin, dass er aus den Fehlern seines Vorgängers Alexej Nawalny gelernt habe und es nicht für richtig halte, seine Unterstützer der Polizeigewalt auszusetzen.

Kampf um Teilnahme an Russland-Wahl – trotz Ausschlusses und Repression

„Das würde bedeuten, meine Anhänger der Polizei und den Schlagstäben russischer Nationalgarde auszusetzen“, betonte Nadeschdin und verwies auf die befürchteten harten Repressalien gegen oppositionelle Proteste in Russland. „Das ist nicht richtig und führt zu nichts“, sagte er.

Trotz der breiten Zustimmung seiner Anhänger wurde Nadeschdin von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Eine Entscheidung, die diese Woche vom Obersten Gerichtshof Russlands bestätigt wurde. Dennoch plant er, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen und weiterhin juristische Wege zu nutzen, um sich für eine Teilnahme an den Wahlen einzusetzen.

Boris Nadeschdin galt als Hoffnung der Opposition.

Er werde weiterhin versuchen, mithilfe des Justizsystems wieder zu den Stimmzetteln zu gelangen, betonte er. Die jüngste Welle der Repression in Russland, die durch den Tod von Alexej Nawalny in einer Gefängniskolonie in der Arktis verstärkt wurde, hat die russische Opposition in eine Phase der Verzweiflung gestürzt. Sowohl Nawalny als auch Nadeschdin wurden von der Präsidentschaftskandidatur ausgeschlossen.

Nach Nawalnys Tod: Nadeschdin setzt auf Wahlreformen, nicht auf Straßenproteste

Im Gegensatz zu Nawalny, der zu Massenprotesten aufgerufen hatte, um gegen seinen Ausschluss von der Präsidentschaftswahl zu protestieren, bevorzugt Nadeschdin eine Veränderung durch das Wahlsystem. Er betonte, dass er nicht nach einer Revolution in Russland strebe, sondern nach einer demokratischen Veränderung durch faire Wahlen.

Alexej Nawalny ist tot: Protest, Anschläge, Gefängnis – sein Leben in Bildern

Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garri Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
2017 rief Nawalny im ganzen Land zu Protesten gegen Korruption in Russland auf – und wurde zu 15 Tagen Arrest verurteilt.
2017 rief Nawalny im ganzen Land zu Protesten gegen Korruption in Russland auf – und wurde zu 15 Tagen Arrest verurteilt.  © Str/AP/dpa | Str
2015 wird der Oppositionsführer Boris Nemzow in Russland auf offener Straße erschossen. Nawalny beteiligt sich an den Protesten – und wird immer mehr zum neuen Gesicht der Opposition.
2015 wird der Oppositionsführer Boris Nemzow in Russland auf offener Straße erschossen. Nawalny beteiligt sich an den Protesten – hier bei einer Gedenk-Demo 2018 – und wird immer mehr zum neuen Gesicht der Opposition. © Alexander Zemlianichenko / dpa
2018 plante Nawalny, als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl gegen Wladimir Putin anzutreten. Allerdings beschloss ein Gericht vorab seinen Ausschluss von den Wahlen.
2018 plante Nawalny, als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl gegen Wladimir Putin anzutreten. Allerdings beschloss ein Gericht vorab seinen Ausschluss von den Wahlen. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Familie Nawalny: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny (M), seine Frau Julija (r), seine Tochter Daria (l) und sein Sohn Sachar stehen nach der Stimmabgabe bei einer Stadtratswahl im Jahr 2019 zusammen.
Familie Nawalny: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny (M), seine Frau Julija (r), seine Tochter Daria (l) und sein Sohn Sachar stehen nach der Stimmabgabe bei einer Stadtratswahl im Jahr 2019 zusammen. © Andrew Lubimov / dpa
September 2020: Nach einer Nowitschok-Vergiftung wird Nawalny in der Berliner Charité behandelt.
September 2020: Nach einer Nowitschok-Vergiftung wird Nawalny in der Berliner Charité behandelt. © Daria Nawalny / dpa
Nach seiner Genesung und Rückkehr aus Deutschland wurde Nawalny in Russland festgenommen – hier zeigt er in Handschellen das „Victory“-Zeichen, begleitet von einer Polizei-Eskorte.
Nach seiner Genesung und Rückkehr aus Deutschland wurde Nawalny in Russland festgenommen – hier zeigt er in Handschellen das „Victory“-Zeichen, begleitet von einer Polizei-Eskorte. © Sergei Bobylev / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny (r) und seine Anwälte im Moskauer Stadtgericht 2021 – ihm droht eine lange Haftstrafe.
Alexej Nawalny (r) und seine Anwälte im Moskauer Stadtgericht 2021 – ihm droht eine lange Haftstrafe. © Moscow City Court Press Service / dpa
Alexej Nawalny Anfang des Jahres 2022 hinter Gittern bei einer Anhörung bezüglich Beschwerden zu seiner Unterbringung während der 3,5-jährigen Haftstrafe.
Alexej Nawalny Anfang des Jahres 2022 hinter Gittern bei einer Anhörung bezüglich Beschwerden zu seiner Unterbringung während der 3,5-jährigen Haftstrafe. © Anna Ustinova / Imago
Kurzer Glücksmoment in schweren Zeiten: Nawalny und Ehefrau Julija Arm in Arm rund um eine weitere Anhörung des Kreml-Kritikers vor Gericht im Februar 2022.
Kurzer Glücksmoment in schweren Zeiten: Nawalny und Ehefrau Julija Arm in Arm rund um eine weitere Anhörung des Kreml-Kritikers vor Gericht im März 2022. Wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern wurden 13 weitere Jahre Haft gefordert. © Sergei Fadeichev / Imago / ITAR-TASS
Bilder wie dieses aus dem Mai 2022 von einer weiteren Anhörung schüren Sorgen um den Gesundheitszustand von Nawalny.
Bilder wie dieses aus dem Mai 2022 von einer weiteren Anhörung schüren Sorgen um den Gesundheitszustand von Nawalny. Der Kritiker trat während seiner Haftzeit immer wieder beispielsweise in Hungerstreik. Seine Haft-Unterbringung soll teils dürftig gewesen sein. © IMAGO/Sergei Karpukhin / ITAR-TASS
Nawalny wieder vor Gericht im August 2023.
Nawalny wieder vor Gericht im August 2023. Der Oppositionsführer war erneut zu 19 Jahren Haft unter anderem wegen Extremismus verurteilt worden. © IMAGO/Sofya SandurskayaITAR-TASS
Ende 2023 galt Nawalny kurz als verschwunden
Ende 2023 galt Nawalny kurz als verschwunden. Dann hieß es, er sei in ein Strafgefangenenlager nach Sibirien gebracht worden. Das Foto zeigt ihn im Januar 2024 bei einer weiteren Video-Schalte. © Alexander Zemlianichenko / dpa
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire

Oppositionspolitiker Nadeschdin: Warum er persönliche Angriffe auf Putin ablehnt

Der 60-Jährige betonte die Unterschiede zwischen seinem politischen Ansatz und dem seines Vorgängers Alexej Nawalny. Während Nawalny sich durch seine Ermittlungen gegen Präsident Wladimir Putin und dessen Lebensstil einen Namen gemacht hat, hebt Nadeschdin hervor, dass er nie persönliche Angriffe gegen Putin gefahren habe. „Nawalny landete vor allem deshalb hinter Gittern, weil er Putin auf persönlicher Ebene kritisierte, er machte sehr harte Aussagen über Putin“, sagte Nadeschdin. Er selbst kritisiere zwar Putins Politik, aber nie ihn als Person.

Nadeschdin äußerte außerdem Bedenken bezüglich Nawalnys Strategie, Korruption auf hoher Ebene aufzudecken, und bezeichnete sie im russischen Kontext als letztlich wirkungslos. „Korruptionsvorwürfe funktionieren in Russland überhaupt nicht, weil die Mehrheit der Russen mehr oder weniger so denkt: ‚Wenn jemand in der Regierung ist, ist es völlig normal, dass er ein [illegitimes] Einkommen bezieht‘“, sagte er.

„Opfer der politischen Repressionen“ – nach Nawalnys Tod

Nach dem Tod von Alexej Nawalny in einer russischen Strafkolonie äußerte Nadeschdin sein Mitgefühl und betrachte ihn als Opfer der politischen Repressionen des Regimes. „Wenn Alexej nicht für viele Jahre mit absolut falschen Anschuldigungen ins Gefängnis gesteckt worden wäre und wenn sie nicht all diese harten Haftbedingungen angenommen hätten, denke ich, dass er am Leben wäre“, sagte Nadeschdin.

Der russische Oppositionskritiker Alexej Nawalny ist am 16. Feburar in einem russischen Straflager gestorben.

Obwohl Nawalnys Verbündete und westliche Beamte Präsident Putin persönlich für seinen Tod verantwortlich machen, hält Nadeschdin es für unangebracht, voreilige politische Schlüsse zu ziehen. (jek)

Rubriklistenbild: © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

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