Einziger Oppositionskandidat

Nach Wahl-Ausschluss in Russland: Kriegskritiker Nadeschdin kämpft weiter

  • VonLisa Mahnke
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Die Klage des Putin-Kritikers Nadeschdins wurde abgelehnt. Er zeigt sich kämpferisch und will Berufung einlegen. Seine Erfolgsaussichten sind gering.

Moskau – Die Klage des Oppositionspolitikers Boris Nadeschdin auf Zulassung zur Russland-Wahl wurde abgelehnt. Das Oberste Gericht folgte damit der Entscheidung der Zentralen Wahlkommission. „Ich werde innerhalb von fünf Tagen diese Entscheidung anfechten“, schrieb der Kriegskritiker auf seinem Telegram-Kanal. Der potenzielle Gegenkandidat von Wladimir Putin gibt noch nicht auf und möchte in Berufung gehen.

Vor zwei Wochen hatte die Zentrale Wahlkommission in Russland Nadeschdins Kandidatur wegen angeblich fehlerhafter Unterstützerunterschriften abgewiesen. Nadeschdin wandte sich ans Oberste Gericht, wo die Entscheidung aufgrund der Historie absehbar war: Zwei weitere Klagen des Politikers wegen technischer Fragen seiner Ablehnung hatten die Richter bereits zurückgewiesen, ebenfalls gefolgt von einer Berufung. Die Anwaltschaft Nadeschdins erklärte der Nachrichtenagentur AFP zufolge, dass es sich bei den angeblichen Fehlern auch um kleine Tippfehler gehandelt habe, die bei der Digitalisierung handschriftlicher Angaben entstanden seien.

Nadeschdin bearbeitet mit seiner Kriegskritik genau die Themen, die auch in der Bevölkerung Relevanz haben. Einige Stimmen schulden die Ablehnung des Wahlausschusses seinem Erfolg zu.

Kriegskritiker Nadeschdin beliebt – und gerade deswegen ausgebootet bei Russland-Wahl?

Um an der Präsidentschaftswahl in Russland teilnehmen zu dürfen, braucht es mindestens 100.000 Unterschriften. Nach einigen Angaben sammelte der Kriegskritiker doppelt so viele Stimmen, durfte jedoch nur 105.000 Stimmen zur Prüfung abgeben. Die russische Wahlkommission urteilte daraufhin, dass mehr als 9000 Stimmen daraus ungültig sein.

Alexej Nawalny ist tot: Protest, Anschläge, Gefängnis – sein Leben in Bildern

Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garri Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
2017 rief Nawalny im ganzen Land zu Protesten gegen Korruption in Russland auf – und wurde zu 15 Tagen Arrest verurteilt.
2017 rief Nawalny im ganzen Land zu Protesten gegen Korruption in Russland auf – und wurde zu 15 Tagen Arrest verurteilt.  © Str/AP/dpa | Str
2015 wird der Oppositionsführer Boris Nemzow in Russland auf offener Straße erschossen. Nawalny beteiligt sich an den Protesten – und wird immer mehr zum neuen Gesicht der Opposition.
2015 wird der Oppositionsführer Boris Nemzow in Russland auf offener Straße erschossen. Nawalny beteiligt sich an den Protesten – hier bei einer Gedenk-Demo 2018 – und wird immer mehr zum neuen Gesicht der Opposition. © Alexander Zemlianichenko / dpa
2018 plante Nawalny, als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl gegen Wladimir Putin anzutreten. Allerdings beschloss ein Gericht vorab seinen Ausschluss von den Wahlen.
2018 plante Nawalny, als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl gegen Wladimir Putin anzutreten. Allerdings beschloss ein Gericht vorab seinen Ausschluss von den Wahlen. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Familie Nawalny: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny (M), seine Frau Julija (r), seine Tochter Daria (l) und sein Sohn Sachar stehen nach der Stimmabgabe bei einer Stadtratswahl im Jahr 2019 zusammen.
Familie Nawalny: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny (M), seine Frau Julija (r), seine Tochter Daria (l) und sein Sohn Sachar stehen nach der Stimmabgabe bei einer Stadtratswahl im Jahr 2019 zusammen. © Andrew Lubimov / dpa
September 2020: Nach einer Nowitschok-Vergiftung wird Nawalny in der Berliner Charité behandelt.
September 2020: Nach einer Nowitschok-Vergiftung wird Nawalny in der Berliner Charité behandelt. © Daria Nawalny / dpa
Nach seiner Genesung und Rückkehr aus Deutschland wurde Nawalny in Russland festgenommen – hier zeigt er in Handschellen das „Victory“-Zeichen, begleitet von einer Polizei-Eskorte.
Nach seiner Genesung und Rückkehr aus Deutschland wurde Nawalny in Russland festgenommen – hier zeigt er in Handschellen das „Victory“-Zeichen, begleitet von einer Polizei-Eskorte. © Sergei Bobylev / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny (r) und seine Anwälte im Moskauer Stadtgericht 2021 – ihm droht eine lange Haftstrafe.
Alexej Nawalny (r) und seine Anwälte im Moskauer Stadtgericht 2021 – ihm droht eine lange Haftstrafe. © Moscow City Court Press Service / dpa
Alexej Nawalny Anfang des Jahres 2022 hinter Gittern bei einer Anhörung bezüglich Beschwerden zu seiner Unterbringung während der 3,5-jährigen Haftstrafe.
Alexej Nawalny Anfang des Jahres 2022 hinter Gittern bei einer Anhörung bezüglich Beschwerden zu seiner Unterbringung während der 3,5-jährigen Haftstrafe. © Anna Ustinova / Imago
Kurzer Glücksmoment in schweren Zeiten: Nawalny und Ehefrau Julija Arm in Arm rund um eine weitere Anhörung des Kreml-Kritikers vor Gericht im Februar 2022.
Kurzer Glücksmoment in schweren Zeiten: Nawalny und Ehefrau Julija Arm in Arm rund um eine weitere Anhörung des Kreml-Kritikers vor Gericht im März 2022. Wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern wurden 13 weitere Jahre Haft gefordert. © Sergei Fadeichev / Imago / ITAR-TASS
Bilder wie dieses aus dem Mai 2022 von einer weiteren Anhörung schüren Sorgen um den Gesundheitszustand von Nawalny.
Bilder wie dieses aus dem Mai 2022 von einer weiteren Anhörung schüren Sorgen um den Gesundheitszustand von Nawalny. Der Kritiker trat während seiner Haftzeit immer wieder beispielsweise in Hungerstreik. Seine Haft-Unterbringung soll teils dürftig gewesen sein. © IMAGO/Sergei Karpukhin / ITAR-TASS
Nawalny wieder vor Gericht im August 2023.
Nawalny wieder vor Gericht im August 2023. Der Oppositionsführer war erneut zu 19 Jahren Haft unter anderem wegen Extremismus verurteilt worden. © IMAGO/Sofya SandurskayaITAR-TASS
Ende 2023 galt Nawalny kurz als verschwunden
Ende 2023 galt Nawalny kurz als verschwunden. Dann hieß es, er sei in ein Strafgefangenenlager nach Sibirien gebracht worden. Das Foto zeigt ihn im Januar 2024 bei einer weiteren Video-Schalte. © Alexander Zemlianichenko / dpa
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire

Der durch die Partei „Zivile Initiative“ nominierte Oppositionspolitiker wäre unter den Kandidaten der einzige mit kritischem Profil. Neben Wladimir Putin, der für seine mögliche fünfte Amtszeit im Jahr 2020 extra die Verfassung ändern lassen hat, treten drei aussichtslose Bewerber an. Sie sind entweder Unterstützer Putins oder haben keine eigenen politischen Vorstellungen. Die Wahlkommission ließ insgesamt nur vier Kandidaten zur Russland-Wahl zu:

KandidatPartei/Amt/Position
Nikolai CharitonowDuma-Abgeordneter
Wladislaw DawankowStellvertretender Duma-Vorsitzender
Wladimir PutinRussischer Präsident
Leonid Sluzki Duma-Mitglied

Bei der vorherigen Verhandlung war Nadeschdin nicht vor Ort, eigenen Angaben nach im Familienurlaub im Ausland. Dass nun die Berufungen Erfolg haben, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Politische Beobachter schlossen seine Kandidatur gerade wegen des Erfolgs aus. Besonders seine Anti-Kriegshaltung brachte Nadeschdin viel Popularität, teils standen die Menschen Schlange für den Putin-Kritiker. In Russland fürchten derweil viele Menschen eine weitere Mobilisierung für den Ukraine-Krieg. (dpa/lismah)

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