Israel-Gaza-Krieg

Problem vor der US-Wahl: Nahost-Politik könnte Biden etliche Stimmen kosten

  • VonBettina Menzel
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Der Krieg in Gaza wird für US-Präsident Biden auch innenpolitisch zur Herausforderung. Zehntausende Wähler könnten ihm aufgrund seiner Nahost-Politik die Stimme verweigern.

Washington – Etwa 100.000 Demokraten verweigerten dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden bei den Vorwahlen in Michigan im März ihre Stimme. Das war nur der Anfang der Protest-Bewegung gegen die Nahostpolitik der US-Regierung. Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs gibt es nun einen Wandel: Biden drohte im Falle einer Großoffensive in Rafah damit, die Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Muslimische Organisationen in den USA begrüßten diesen Schritt grundsätzlich, blieben aber skeptisch.

US-Lieferstopp an Israel: „Extrem überfällig und schrecklich unzureichend“

Die Ankündigung des Präsidenten sei „extrem überfällig und schrecklich unzureichend“, sagte Abbas Alawieh, einer der Anführer einer Protestbewegung gegen Biden der New York Times. „Er muss sich gegen diesen Krieg aussprechen. Punkt. Das wäre wichtig.“ Rund 3,5 Millionen Menschen in den USA stammen laut jüngsten Zensusdaten aus arabischen Staaten des Mittleren Osten und Nordafrikas. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wählte in der Vergangenheit die Demokraten. Etwa 2,5 Millionen Wahlberechtigte in den USA sind muslimischen Glaubens, ein Großteil von ihnen stimmte bei den vergangenen US-Wahlen 2020 für Joe Biden.

Aufgrund Israels Vorgehen im Gazastreifen und der US-amerikanischen Unterstützung durch Waffenlieferungen war die Stimmung zuletzt gekippt: Die Proteststimmen gegen Biden bei den Vorwahlen in Michigan waren nur der Anfang. Wie eine Umfrage der Organisation Emgage ergab, würden von über 2.000 Befragten nur 5,2 Prozent der muslimischen Amerikaner aktuell für Präsident Biden stimmen. Im Jahr 2020 lag die Zustimmungsrate noch bei 80 Prozent. Wie eine Umfrage des arabisch-amerikanischen Instituts zeigt, identifizierten sich erstmals seit 1996 die Mehrheit arabischer Amerikaner als Republikaner und nicht wie bislang als Demokraten.

Krieg in Gaza: Muslimische Bevölkerung und Organisationen von Biden enttäuscht

Biden und sein republikanischer Herausforderer Donald Trump liefern sich im US-Wahlkampf derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch der Republikaner lag zuletzt in sechs von sieben der wichtigen „Swing States“ vorne. Damit werden umkämpfte US-Bundesstaaten bezeichnet, in denen weder Republikaner noch Demokraten traditionellerweise die Mehrheit haben. Die Stimmen der muslimischen Wähler und der arabisch-amerikanischen Bevölkerung könnten dort für Biden das Zünglein an der Waage sein. Besonders in den wichtigen Staaten Michigan, Georgia, Pennsylvania und Arizona gibt es einen größeren muslimischen Anteil, wie aus Daten von Emgage hervorgeht.

Viele Muslime und muslimische Organisationen in den USA zeigen sich allerdings enttäuscht. Darunter auch die Organisation Emgage, die eigentlich enge Verbindungen zur Biden-Regierung unterhält und sich auf die Fahnen geschrieben hat, muslimische Wähler zu mobilisieren. Doch ihr Geschäftsführer Wa‘el Alzayat lehnte unlängst aus Protest eine Einladung ins Weiße Haus ab. Dass Biden mit dem Lieferstopp an Israel drohe, sei „vielversprechend und wichtig“, kommentierte Alzayat nun. Gleichzeitig mahnt er laut New York Times, dass es „für Rafah zu spät sein könnte.“

Eine Protestantin auf einer Anti-Biden-Kundgebung in New York City fordert Waffenstillstand im Gaza-Krieg (Bild vom 6. Mai 2024)

Khalid Turaani, der Co-Vorsitzende einer weiteren Anti-Biden-Protestgruppe, glaubt, der Zug ist abgefahren. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es wirklich nichts, was der Präsident tun kann, um unsere Stimme zurückzugewinnen“, sagte Turaani im Februar zu ABC News. Keine Stimme für Biden bedeutet allerdings nicht automatisch eine Stimme für Trump. „Ich glaube nicht, dass unsere Gemeinschaft für Trump stimmen wird“, so der Co-Vorsitzende weiter. Eine Alternative wäre es demnach für viele muslimische Wähler, einfach nicht zur Wahl zu gehen.

Krieg in Gaza

Der beispiellose Großangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober hatte den Krieg im Gazastreifen ausgelöst. Es war der schlimmste Terrorangriff in der Geschichte Israels. 1.170 Menschen wurden damals nach israelischen Angaben brutal getötet, rund 250 weitere als Geiseln verschleppt. Israel zufolge befinden sich 128 Geiseln noch immer in der Gewalt der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen. 36 der von der Terrororganisation verschleppten Menschen sollen bereits tot sein. Durch das militärische Vorgehen Israels kamen im Gazastreifen nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums innerhalb von rund sieben Monaten über 35.000 Menschen ums Leben.

Für den US-Wahlkampf entscheidend? So blickt die US-Bevölkerung auf den Gaza-Krieg

Unterm Strich sind muslimische und arabische Wähler in den USA eine relativ kleine Gruppe. Laut Angaben von ABC News bewegt sich deren Anteil an Wahlberechtigten in den US-Bundesstaaten im Schnitt bei 0,7 Prozent arabischer Amerikaner und 1,3 Prozent muslimischer Amerikaner. Trump gewann Michigan im Jahr 2016 mit weniger als einem Prozentpunkt Vorsprung, die fehlenden Stimmen muslimischer Wähler in diesem Staat könnten also tatsächlich den Unterschied machen. Gleichzeitig rechnet der US-Sender vor, dass Biden die Stimmen der muslimischen Wahlberechtigten theoretisch wettmachen könnte, wenn er bei anderen Wählergruppen etwas besser abschneiden würde.

Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert

Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Am 7. Oktober 2023 feuern militante Palästinenser aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel ab. Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas, die von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, hatte den Beginn einer „Militäroperation“ gegen Israel verkündet. © Hatem Moussa/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen ist Rauch aus einem Wohnhaus zu sehen.  © Ilia Yefimovich/ dpa
Israelischer Soldat mit Hund im Israel Krieg
Ein israelischer Soldat geht mit seinem Hund zwischen Autos in Deckung.  © Ohad Zwigenberg/ dpa
Israelische Polizisten evakuieren Frau und Kind im Israel Krieg
Israelische Polizisten evakuieren eine Frau und ein Kind von einem Ort, der von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde. © Tsafrir Abayov/ dpa
Militante Palästinenser fahren im Israel Krieg mit einem Pickup, auf dem womöglich eine entführte deutsch-israelische Frau zu sehen ist.
Militante Palästinenser fahren mit einem Pickup, auf dem möglicherweise eine deutsch-israelische Frau zu sehen ist, in den Gazastreifen zurück. Die islamistische Hamas hatte mitgeteilt, ihre Mitglieder hätten einige Israelis in den Gazastreifen entführt. © Ali Mahmud/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Angehörige der Feuerwehr versuchen, nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen das Feuer auf Autos zu löschen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Menschen suchen in Trümmern nach Überlebenden nach massive Raketenangriffen aus Gazastreifen auf Israel.
Menschen suchen zwischen den Trümmern eines bei einem israelischen Luftangriff zerstörten Hauses nach Überlebenden.  © Omar Ashtawy/ dpa
Verlassene Stätte des Festivals Supernova nach dem Angriff der Hamas
Bei dem Rave-Musikfestivals Supernova im israelischen Kibbuz Re’im sterben rund 270 Besucher:innen. So sieht die verlassene Stätte nach dem Angriff aus.  © JACK GUEZ / AFP
Feiernde Palästinenser nach Angriff der Hamas auf Israel
Palästinenserinnen und Palästinenser feiern in Nablus nach der großen Militäroperation, die die Al-Qassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, gegen Israel gestartet haben.  © Ayman Nobani/ dpa
Hamas-Großangriff auf Israel - Gaza-Stadt
Das israelische Militär entgegnete mit dem Beschuss von Zielen der Hamas im Gazastreifen. Nach einem Angriff steigen bei einem Hochhaus in Gaza Rauch und Flammen auf. © Bashar Taleb/ dpa
Mann weint in Gaza bei Israel Krieg
Ein Mann umarmt einen Familienangehörigen im palästinensischen Gebiet und weint.  © Saher Alghorra/ dpa
Israelischer Soldat im Israel Krieg steht neben Frau
Am 8. Oktober beziehen israelische Soldaten Stellung in der Nähe einer Polizeistation, die am Tag zuvor von Hamas-Kämpfern überrannt wurde. Israelische Einsatzkräfte haben dort nach einem Medienbericht bei Gefechten in der an den Gazastreifen grenzenden Stadt Sderot mehrere mutmaßliche Hamas-Angehörige getötet. © Ilan Assayag/ dpa
Nach Hamas Großangriff - Sa'ad
Israelische Streitkräfte patrouillieren in Gebieten entlang der Grenze zwischen Israel und Gaza, während die Kämpfe zwischen israelischen Truppen und islamistischen Hamas-Kämpfern weitergehen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Palästinensisches Kind in einer Schule, die im Israel Krieg als Schutz dient
Ein palästinensisches Kind steht auf dem Balkon einer Schule, die von den Vereinten Nationen betrieben wird und während des Konfliktes als Schutzort dient.  © Mohammed Talatene/ dpa

Allerdings scheint die Unzufriedenheit mit der Nahost-Politik nicht auf eine Wählergruppe begrenzt. Einer Gallup-Umfrage vom März zufolge missbilligt mehr als die Hälfte der Amerikaner (55 Prozent) Israels Militäraktionen in Gaza, während 36 Prozent sie gutheißen. Im April schwappte die Protestbewegung aus der muslimischen Gemeinschaft auch in andere Teile der US-Bevölkerung über: An zahlreichen Universitäten im Land kam es zu propalästinensischen Demonstrationen. Ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg ist eine grundsätzliche Forderung der Demonstranten, ebenso wie ein Ende der finanziellen Unterstützung Israels. Entsprechend könnte Bidens Drohung, keine Militärhilfen mehr nach Israel zu senden, für den US-Wahlkampf entscheidend sein.

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