Bidens Dilemma
„Es ist einfach falsch“: Biden will keine US-Bomben für Rafah-Offensive liefern
- VonTadhg Nagelschließen
Die USA drohen, Waffenlieferungen an Israel auszusetzen. Für Joe Biden ist der Israel-Hamas-Konflikt ein Dilemma. Donald Trump weiß das zu nutzen.
Washington – US-Präsident Joe Biden will Israel keine Bomben liefern, die zum Angriff auf die Stadt Rafah verwendet werden könnten. Zudem gab er zu, dass, dass US-Bomben zur Tötung von Palästinensern im Gazastreifen eingesetzt wurden. Die Äußerungen erfolgten zu einem Zeitpunkt, an dem Israel 100.000 Palästinenser aufgefordert hat, Rafah zu verlassen. So soll eine mögliche Bodenoffensive vorbereitet werden. Biden äußerte sich am Mittwoch (08. Mai) dazu in einem Interview mit CNN, nachdem er letzte Woche beschlossen hatte, eine Lieferung von 3.500 Bomben an Israel zu stoppen - weil er befürchtete, dass sie bei einem Bodenangriff auf Gaza eingesetzt werden könnten.
Zwar werde man „weiterhin dafür sorgen, dass Israel in Bezug auf Iron Dome und seine Fähigkeit, auf die jüngsten Angriffe im Nahen Osten zu reagieren, sicher ist“. Gleichzeitig lehne man ab, Waffen zu liefern, falls Israel diese in den dicht besiedelten Gebieten einsetze. „Es ist einfach falsch“, so der US-Präsident. „Die Bomben, die die Vereinigten Staaten Israel geliefert haben und die jetzt ausgesetzt werden, wurden benutzt, um Zivilisten zu töten“, sagte Biden weiter. Die Ankündigung des Präsidenten stellt einen Wendepunkt dar. Sein Eingeständnis, dass amerikanische Bomben zur Tötung von Zivilisten im Gazastreifen eingesetzt wurden, war erstmals ein klares Bekenntnis zur Rolle der Vereinigten Staaten in diesem Krieg.
Biden muss im Israel-Hamas-Konflikt umdenken - innenpolitische Überlegungen sind dabei zentral
Biden war zuvor, nicht zuletzt von Mitgliedern seiner eigenen Partei, unter außerordentlichen Druck geraten, die Waffenlieferungen angesichts der humanitären Krise in Gaza einzuschränken. Bislang hatte sich der US-Präsident diesen Forderungen widersetzt und Israels Bemühungen, gegen die Hamas vorzugehen, nachdrücklich unterstützt. Doch die drohende Invasion von Rafah, der Stadt im südlichen Gazastreifen, wo laut der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mehr als eine Million palästinensische Zivilisten Zuflucht gefunden haben, scheint das Kalkül des Präsidenten ins Wanken gebracht zu haben. Es könnten vor allem innenpolitische Überlegungen sein, die Biden zu diesem Umdenken angeregt haben.
Die demokratische Partei ist im Hinblick auf den Konflikt zwischen Israel und der Hamas gespalten, was laut einem Bericht von NBC News von November bereits damals in Umfragen deutlich wurde. Seitdem haben Massenaufmärsche und Demonstrationen US-amerikanische Großstädte und Universitätsgelände erschüttert. Junge, linke US-Amerikaner haben die Biden-Administration wütend anprangert, weil sie Israel weiterhin unterstütze, und den Präsidenten als „Genocide Joe“ bezeichnet. Gleichzeitig sind der New York Times zufolge 24 Prozent der Meinung, dass die Vereinigten Staaten Israel nicht genug unterstütze - eine Tatsache, die sich Donald Trump zunutze macht.
„Jede jüdische Person, die für Biden stimmt, liebt Israel nicht“ - Trump nutzt Bidens Position aus
„Jede jüdische Person, die für Biden stimmt, liebt Israel nicht und sollte offen gesagt angesprochen werden“, sagte Trump Anfang April in einem Interview, das bei Real America‘s Voice ausgestrahlt wurde. Der ehemalige Präsident behauptete, Biden stehe im Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen „völlig auf der Seite der Palästinenser“.
Jüdische Amerikaner sind seit Jahrzehnten eine weitgehend demokratische und politisch liberale Wählerschaft. Während orthodoxe Juden stark zu den Republikanern tendieren, haben sich amerikanische Juden anderer Konfessionen, einschließlich der Reform- und Konservativen, demnach mit der Demokratischen Partei identifiziert oder zu ihr tendiert.
Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass etwa zwei Drittel der Amerikaner einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen unterstützen. Das schreibt die Nachrichtenwebsite The Conversation. Biden habe bei seinem Amtsantritt versprochen, Amerikas Rolle als Kraft des Guten in der Welt nach vier chaotischen Jahren unter Donald Trump wiederherzustellen. Das Risiko für ihn bestehe darin, dass er nicht vorausgesehen habe, wie sehr seine eigene Außenpolitik diese Botschaft und die Stärke seiner persönlichen Anziehungskraft untergraben könne.
Bidens mitfühlendes Image hat Schaden erlitten - Trump nutzt seine Schwäche und Verletzlichkeit
Bidens bisherige politische Unfähigkeit, die Vereinigten Staaten von Israel zu distanzieren, sowie die anhaltende Weigerung seiner Regierung, die Militärhilfe an Bedingungen zu knüpfen, drohe die lose Wahlkoalition, die ihn an die Macht gebracht hat, auseinanderbrechen zu lassen. Um wiedergewählt zu werden, sei er jedoch auf diese angewiesen. Die öffentliche Wahrnehmung von Bidens mangelndem Mitgefühl für das Leiden des palästinensischen Volkes habe das von ihm sorgfältig kultivierte Bild eines mitfühlenden, großzügigen Mannes auf katastrophale Weise untergraben. Dieses Image sei für seine Attraktivität bei den Wählern im Jahr 2020 von zentraler Bedeutung gewesen.
Zusammengenommen bedeute dies, dass der amtierende Präsident mit einer Art Zangenbewegung konfrontiert sei. Auf der einen Seite scheine Biden einer Krise der amerikanischen moralischen Führung vorzustehen. Die „internationale, auf Regeln basierende Ordnung“, die er aufrechtzuerhalten versprach, werde in den Augen vieler Amerikaner ungleich auf Amerikas Verbündete angewendet. Auf der anderen Seite versuche Trump das öffentliche Bild seiner Schwäche und Verletzlichkeit auszunutzen, um ein kontrastierendes Bild kompromissloser Stärke zu vermitteln. (tpn)
Rubriklistenbild: © IMAGO/Mark Hoffman / Milwaukee Journal Sentinel
