Nach Justizreform-Urteil
Nächste Niederlage für Netanjahu: Gericht kippt seinen angestrebten Schutz vor Amtsenthebung
- VonKilian Beckschließen
Aktuell ist Netanjahu in einem Korruptionsprozess angeklagt. Durch ein Gesetz wollte er sich vor Amtsenthebung schützen. Das scheiterte nun vor dem Höchstgericht.
Jerusalem – Eine Gesetzesänderung, die in Israel die Amtsenthebung eines Regierungschefs erschwert, soll erst in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten. Dies entschied das Oberste Gericht in Jerusalem in einem Urteil, das am Mittwoch (3. Januar) veröffentlicht wurde. Sechs von elf Richtern waren für eine solche Verschiebung. Zur Begründung hieß es vom Vorsitzenden Richter Uzi Vogelman, das Gesetz sei „eindeutig auf eine bestimmte Person zugeschnitten – den aktuellen Ministerpräsidenten“. Benjamin Netanjahu, zitierte das Portal Times of Israel aus der Urteilsbegründung. Das Parlament habe daher mit der Billigung der Gesetzesänderung seine Kompetenzen überschritten.
Netanjahu wollte sich vor Amtsenthebung schützen
Das Parlament hatte im März entschieden, dass für die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten künftig eine Drei-Viertel-Mehrheit erforderlich sein soll. Die Änderung war besonders umstritten, weil sie als persönlich auf Regierungschef Benjamin Netanjahu und für dessen Bedürfnisse zugeschnitten gilt. Ihm wird vorgeworfen, er wolle sich damit gegen eine Amtsenthebung schützen. Gegen den 74-Jährigen läuft seit längerer Zeit ein Korruptionsprozess. Die Opposition hatte das neue Gesetz als „unanständig und korrupt“ verurteilt. Die ehemalige Vorsitzende des Gerichts, Esther Chajut, schrieb in ihrer Urteilsbegründung laut Times of Israel, das Gesetz würde dem Gleichheitsgrundsatz in der israelischen Rechtsordnung „ernsthaft schaden“.
Nach der Gesetzesänderung wäre die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich. Damit sollte eine Einflussnahme des Höchsten Gerichts oder der Generalstaatsanwaltschaft verhindert werden. Da Israel keine kodifizierte Verfassung vergleichbar mit dem Grundgesetz hat, kommt dem Höchstgericht eine besondere Rolle beim Schutz des Rechtsstaates zu.
Urteil gegen Justizreform: Nur 15 Prozent der Israelis wollen Netanjahu nach dem Krieg im Amt
Am Montag (1. Januar) hatte das Oberste Gericht bereits in einer dramatischen Entscheidung ein Kernelement der umstrittenen Justizreform in Israel gekippt. Bei der gestoppten Gesetzesänderung ging es im Kern darum, dass dem Obersten Gericht die Möglichkeit genommen wurde, gegen „unangemessene“ Entscheidungen der Regierung, des Ministerpräsidenten oder einzelner Minister vorzugehen. Kritiker hatten gewarnt, dass dies Korruption und die willkürliche Besetzung wichtiger Posten fördern könnte. Es war eine der letzten Entscheidungen unter dem Vorsitz der inzwischen pensionierten Höchstrichterin Esther Chajut.
Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert




Seit dem brutalen Überfall der Hamas-Terroristen auf mehrere Gemeinden in Südisrael, bei dem mehr als 1200 Israelis ermordet wurden, schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in Netanjahu. Laut einer Umfrage der Forschungseinrichtung Israel Democracy Institute vom Januar wollen nur noch 15 Prozent der Befragten, dass Netanjahu nach Kriegsende im Amt bleibt. Die Angehörigen der Geiseln, sowie die Einwohner der vom Hamas-Terror betroffenen Kibbuze kritisieren ihn seit Monaten heftig. Zudem steht seit dem Angriff der Vorwurf im Raum, der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir habe große Teile des Militärs zum Schutz radikaler Siedler ins Westjordanland verlegt und so den Schutz an der Gaza-Grenze vernachlässigt.
Hunderttausende demonstrierten vor dem Israel-Krieg gegen Netanjahu und für Demokratie
Vor dem Krieg in Gaza und Israel demonstrierten Hunderttausende Israelis wochenlang gegen Netanjahu und seine ultrarechte Regierungskoalition. Die Demonstrationen richteten sich auch gegen Netanjahu, der sich mit erheblichen Korruptionsvorwürfen aus seiner Zeit als Kommunikationsminister in den 2010er-Jahren konfrontiert sieht. Er soll, berichtete die ARD, einem Telekom-Konzern diverse Vorteile gewährt haben, und im Gegenzug positive Berichterstattung in einem Medium des Konzerns bekommen haben. Die Proteste forderten Aufklärung der Vorwürfe und einen Stopp der Justizreform, die das Höchstgericht am Montag großteils kippte. (dpa/kb)
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