Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies.
Durch Nutzung unserer Dienste stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen
Rätselraten um Tatmotiv: Was trieb Taleb A. zum Anschlag in Magdeburg?
VonJekaterina Jalunina
schließen
Nach dem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg wurde der Tatverdächtige Taleb A. in Untersuchungshaft genommen. Es gibt zahlreiche Spekulationen über sein Tatmotiv.
Magdeburg – Nach dem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg muss der Tatverdächtige in Untersuchungshaft – die Suche nach seinem Tatmotiv steht derweil weiter im Fokus. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg beantragte einen Haftbefehl gegen den 50-jährigen Taleb A. Er müsse wegen des Vorwurfs fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft, teilte die Polizei am frühen Sonntagmorgen mit.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens hatte am Samstag gesagt, das Motiv des mutmaßlichen Täters könnte Unzufriedenheit über den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland gewesen sein.
Magdeburg-Anschlag: Mutmaßlicher Täter war offenbar Islam- und Saudi-Arabien-Kritiker
In sozialen Netzwerken präsentierte sich der Festgenommene als vehementer Kritiker des Islams und des repressiven Machtapparats in Saudi-Arabien. Zugleich setzte er sich für die Belange vor allem von Frauen aus seinem erzkonservativ geprägten Heimatland ein. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden und hielt ihnen unter anderem vor, nicht genug gegen Islamismus zu unternehmen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sagt der Tatverdächtige über sich selbst, er sei früher Muslim gewesen, habe sich inzwischen aber vom Glauben abgewandt. Der mutmaßliche Täter Taleb A. sprach 2019 mit der FR. Das Interview lesen Sie hier im Wortlaut.
Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg: Bilder vom Großeinsatz
Mutmaßlicher Täter beschuldigt deutsche Polizei, Leben saudischer Asylsuchende zu zerstören
Im Februar 2016 stellte er einen Asylantrag, der im Juli desselben Jahres positiv beschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter. Erst vor rund zehn Tagen veröffentlichte die amerikanische Plattform RAIR, die sich selbst als antimuslimische Graswurzel-Organisation beschreibt, ein mehr als 45 Minuten langes Interview mit dem Arzt. Darin warf er der deutschen Polizei vor, das Leben saudischer Asylsuchender, die sich vom Islam losgesagt hätten, gezielt zu zerstören.
Zudem präsentierte er sich als Fan von X-Inhaber Elon Musk, der inzwischen Positionen der amerikanischen Rechten vertritt, und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge. Gleichzeitig bezeichnete er sich aber politisch als links.
BKA-Chef zu Magdeburg-Anschlag: Keine Hinweise auf Tatmotiv mit islamistischen Hintergrund
BKA-Chef Holger Münch sagte im ZDF-heute journal, es gebe – anders als bei ähnlichen Taten in der Vergangenheit – keinen Hinweis auf einen islamistisch motivierten Anschlag. Auch der Generalbundesanwalt sage noch nicht eindeutig, wie der Sachverhalt einzuordnen sei. Der Tatverdächtige habe eine islamfeindliche Einstellung, er habe sich auch mit rechtsextremen Plattformen beschäftigt, sagte der Chef des Bundeskriminalamts.
Es sei aber noch nicht abschließend möglich zu sagen, dass die Tat politisch motiviert gewesen sei. Diskutiert wird nun, wie häufig in solchen Fällen die Frage, ob die Sicherheitsbehörden nicht früher hätten handeln können oder müssen. Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte im ZDF, der Tatverdächtige habe nicht in ein bestimmtes Raster gepasst. „Er war eben kein typischer Islamist. Er war ein Saudi, der sich gegen den Islam gewendet hat. Das passt für Behörden nicht so richtig in die gängigen Schema rein.“
Zudem habe man heute eine Flut von Informationen von Tausenden von Leuten, die im Internet ähnliche Botschaften sendeten. „Und es ist ganz, ganz schwierig zu unterscheiden: Wer meint es ernst, und wer ist nur auf dem Internet und macht Sprüche?“
Experte zum Magdeburg-Anschlag: „Hass auf Deutschland“ sei ein entscheidender Tat-Antrieb gewesen
Experte und Islamkritike Ahmad Mansour ordnete die möglichen Tatmotive zu dem Anschlag in Magdeburg im Interview mit t-online ein. Der Psychologe beschäftigt sich seit Jahren mit islamistischem Extremismus.
Taleb A. habe extrem viel irres Zeug ins Internet geschrieben und setze fast stündlich Tweets ab, sagte Mansour. Er sehe mehrere mögliche Motive oder Dinge, die ihn zur Tat getrieben haben könnten. Der Islamhass sei sicher ein zentrales Thema, die Angst vor einer zunehmenden Islamisierung Deutschlands – eine Sache sei aber viel entscheidender. „Ein unfassbarer Hass auf Deutschland hat Taleb A. angetrieben. Besonders in Bezug auf Hilfe für Asylbewerber aus Saudi-Arabien, wo er sich ja auch engagiert hat“, so Mansour.
„Er wollte den deutschen Staat treffen“ – Experte über das mögliche Tatmotiv des mutmaßlichen Täters
Womöglich habe Taleb A. in seiner eigenen Asylgeschichte unrealistische Erwartungen, die vom deutschen Staat enttäuscht wurden. „Er scheint massiv gekränkt zu sein. Zu guter Letzt dürfte der mutmaßliche Täter auch einfach emotional und psychisch verwirrt sein. Die Sache ist äußerst komplex“, erklärte der Experte. „Er wollte den deutschen Staat treffen, unschuldige Bürger. Dass er sich wie Anis Amri einen Weihnachtsmarkt auserwählt hat, passt eigentlich nicht in das mögliche Motiv des Islamhasses.“ Das zeige aber, wie ambivalent er reagiere.
Der Experte betonte aber, dass die genauen Hintergründe des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt die Ermittlungsbehörden klären müssen. „Aktuell können wir nur mutmaßen“, so Mansour. (jal/dpa)