Partei steht vor Gründung
Auf Augenhöhe mit den Grünen – Umfrage zeigt Potenzial von „Bündnis Sahra Wagenknecht“
- schließen
Nail Akkoyun
Felix Durach- Kilian Beck
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ will bereits im kommenden Jahr an Wahlen teilnehmen. Eine neue Umfrage zeigt das Potenzial der neuen Gruppierung.
- Bartsch kritisiert Parteiaustritt: Wagenknecht handle „unverantwortlich und inakzeptabel“
- Fraktion vor dem Zerfall: Neun Bundestagsabgeordnete der Linken folgen Wagenknecht
Update vom 24. Oktober, 6.17 Uhr: Wagenknechts Parteigründung ist Thema in vielen heutigen Zeitungskommentaren. „Die ‚Isolierung‘ Deutschlands, die die neue Wagenknecht-Partei der Ampelregierung vorwirft, betreibt sie in Wahrheit selbst, indem sie die Anlehnung an Russland und China sucht“, schreibt der Münchner Merkur.
Der Kölner Stadtanzeiger meint: „Während Wagenknecht milde lächelnd ihre bisherige politische Heimat, die Linken, zertrümmert, schiebt sie mit viel Geschick eine neue Partei an den Start. Vernunft und Gerechtigkeit schreibt sie auf die Fahnen ihres Bündnisses. Wer kann dazu schon Nein sagen? Wagenknechts Bündnis könnte das einstige Versprechen von Friedrich Merz einlösen, die AfD zu halbieren.“
Die Neue Osnabrücker Zeitung wiederum lobt: „Wagenknechts Analyse der aktuellen politischen Lage trifft den Nerv vieler Menschen. Sie greift die Sorgen der kleinen Leute auf, die Angst um ihren Job oder vor zu viel Migration haben. Mit ihrer geschickten Mischung aus linker Sozialpolitik und härterer Flüchtlingspolitik spricht sie viele an.“
Wagenknecht: Wollen auch AfD-Wählern Angebot machen
Update vom 23. Oktober, 22.05 Uhr: Sahra Wagenknecht zielt mit ihrer geplanten neuen Partei auch auf bisherige Wählerinnen und Wähler der AfD. „Natürlich gibt es ganz viele Menschen, die wählen die AfD, nicht weil sie rechts sind, sondern weil sie wütend sind, weil sie verzweifelt sind“, sagte die bisherige Linken-Politikerin am Montagabend im ZDF-„heute journal“. Auch das sei ein Grund, warum sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter mit dem neuen Projekt an den Start gehen. Viele Menschen seien wütend über die Regierungspolitik und wüssten nicht, was sie wählen sollen. „Viele haben daraus den Schluss gezogen, okay, wenn jetzt erstmal nichts anderes da ist, wählen wir AfD. Wir wollen diesen Menschen ein seriöses Angebot geben“ sagte Wagenknecht.
Umfrage zum „BSW“: Wagenknecht-Partei verspricht Potenzial
Update vom 23. Oktober, 17.30 Uhr: Welches Potenzial eine Partei unter der Führung von Sahra Wagenknecht hätten, zeigt jetzt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag von Bild.de. In der Umfrage landete das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nur knapp hinter den Grünen und wäre somit fünftstärkste Kraft. 12 Prozent der Befragten gaben an, dass sie dem BSW ihre Stimme geben würde, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre und die geplante Partei zur Wahl stehen würde.
Damit würde die Partei um Wagenknecht deutlich den Sprung in den Deutschen Bundestag schaffen. Im Gegensatz zu Wagenknechts bisheriger politischer Heimat – der Linken. Mit vier Prozent müsste diese wieder einmal um den Einzug ins Parlament bangen. Umfragen sind jedoch immer mit Unsicherheiten behaftet.
| Partei: | SPD | CDU/CSU | Grüne | FDP | AfD | Linke | BSW | Sonstige |
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Prozent: | 15,5 Prozent | 26,5 Prozent | 12,5 Prozent | 5,5 Prozent | 18 Prozent | 4 Prozent | 12 Prozent | 6 Prozent |
Im Rahmen der Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut INSA 2004 Menschen im Zeitraum vom 20.-23.10.2023. Die Fragestellung lautete: „Wenn würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?“ Die Fehlertoleranz wird mit +/- 2,5 Prozent angegeben.
Wagenknecht und Co. wollen Mandate behalten – Parteispitze sieht „unmoralischen Diebstahl“
Update vom 23. Oktober, 14.14 Uhr: Martin Schirdewan, der Co-Vorsitzende der Linken, hat die zehn Bundestagsabgeordneten um die frühere Parteichefin Sahra Wagenknecht dazu aufgefordert, ihre Mandate abzugeben. Die Gruppe der Abgeordneten hatte auf einer Pressekonferenz am Montag den Austritt aus der Partei bekannt gegeben, um am Aufbau des neuen Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht“ mitzuarbeiten. Vorerst wollen die Politikerinnen und Politiker jedoch in der Fraktion bleiben – und ihre Mandate nicht abgeben.
Die Linke war bei der Bundestagswahl 2021 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und hätte den Einzug ins Parlament somit eigentlich verpasst. Da die Partei aber drei Direktmandate gewinnen konnte, zog man dennoch mit Fraktionsstatus in den Bundestag ein. Die direkt gewählten Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Sören Pellmann betonten am Montag ebenfalls, dass die zehn Abweichler nur durch sie ins Parlament eingezogen seien. Ihre Mandate jetzt noch zu behalten, käme einem „unmoralischen Diebstahl“ gleich, erklärten die Abgeordneten in einem Statement.
Die Linke stellt bislang 38 Abgeordnete im Bundestag. Sollten die zehn aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten auch die Fraktion verlassen, würde die Linke ihren Fraktionsstatus verlieren.
Bartsch kritisiert Wagenknecht – „unverantwortlich und inakzeptabel“
Update vom 23. Oktober, 14.00 Uhr: Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ hat ein Gründungsmanifest veröffentlicht, in dem die grundlegenden Ziele der Partei behandelt werden. Das sind die Forderungen von Sahra Wagenknecht und den Mitgliedern des Vereins.
Update vom 23. Oktober, 12.40 Uhr: Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat das Verhalten von Sahra Wagenknecht scharf kritisiert. Der Parteiaustritt von insgesamt zehn Mitgliedern der Linken-Fraktion im Bundestag sei „unverantwortlich und inakzeptabel“. Weiter bestätigte Bartsch, dass die Abgeordneten trotz des Parteiaustritts einen Antrag gestellt hätten, um in der Fraktion verbleiben zu dürfen. „Unsere Fraktion wird souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden“, kündigte der Vorsitzende an.
Wagenknecht hatte zuvor in der Pressekonferenz zur Bekanntgabe ihrer Parteigründungs-Pläne gesagt: „Wir wollen in der Fraktion bleiben, so lange wie das möglich ist.“ Ihrer Ansicht nach sei es „sinnvoll, die Fraktion zunächst aufrechtzuerhalten“. Im neuen Jahr soll dann jedoch der Austritt erfolgen. Sollte die Wagenknecht-Gruppe die derzeit 38 Abgeordnete umfassende Linksfraktion verlassen, würde diese ihren Fraktionsstatus verlieren. Die Folge wären weniger Finanzzuweisungen aus dem Bundestagsetat und weniger Rechte im Parlamentsbetrieb. Dann stünden auch die Jobs der mehr als 100 Fraktionsmitarbeiter auf dem Spiel.
Auch inhaltlich ging Bartsch auf Distanz zur früheren Fraktionsvorsitzenden der Linken. Wagenknecht hatte den Gazastreifen am Montag als „Freiluftgefängnis“ bezeichnet. „Ich distanziere mich auf das Schärfste“, erklärte Bartsch. Es gehe „gerade in diesen Zeiten um Haltung“.
Linken-Fraktion vor dem Zerfall – „Bündnis Sahra Wagenknecht“ bringt sich in Stellung
Update vom 23. Oktober, 10.15 Uhr: Mit der geplanten Parteigründung durch Sahra Wagenknecht verliert die Linksfraktion im Bundestag auf einen Schlag neun Abgeordnete. Wie die bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Montag sagte, erklärten sie und Wagenknecht sowie sieben weitere Abgeordnete am Morgen ihren Austritt aus der Linksfraktion und aus der Partei. Das wäre das Ende der Linksfraktion im Bundestag, die damit unter die Grenze von 37 Abgeordneten fallen würde, die es für den Fraktionsstatus braucht. Die verbliebenen 29 Abgeordneten hätten dann deutlich weniger Rechte und Personal für ihre parlamentarische Arbeit. Wagenknecht kündigte jedoch einen „geordneten Übergang“ in der Fraktion an.
Sie äußerte sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wagenknecht in Berlin, bei der Verein „BSW - Für Vernunft und Gerechtigkeit“ vorgestellt wurde. „BSW“ soll für „Bündnis Sahra Wagenknecht“ stehen. Der Verein dient der Vorbereitung einer Parteigründung.
Bruch mit der Linken: „Bündnis Sahra Wagenknecht“ präsentiert sich heute in Berlin
Erstmeldung vom 23. Oktober, 08.23 Uhr: Berlin – Nach Monaten der Gerüchte ist es heute (23. Oktober) soweit: Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht stellt ihr neues Polit-Projekt „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ („BSW“) vor. Damit macht die 54-Jährige, wie erwartet, ernst und vollzieht die Abspaltung von ihrer bisherigen Partei Die Linke.
Sie wolle damit eine „politische Leerstelle“ für die füllen, die sich von keiner Partei mehr vertreten fühlen würden. Das „BSW“ ist ein bereits gegründeter Verein, der zur Vorbereitung der Parteigründung bestimmt ist. Diese wird im Januar erwartet.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch rechnet mit Ende der Fraktion
Mit Wagenknecht auf dem Podium bei der Präsentation sind die Co-Vorsitzende Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, und der Bundestagsabgeordnete Christian Leye. Außerdem angekündigt sind Lukas Schön, der ehemalige Nordrhein-Westfalen-Landesgeschäftsführer der Partei, sowie der Unternehmer Ralph Suikat. Sollten Leye und Mohamed Ali die Fraktion verlassen, würde das den Verlust des Fraktionsstatus bedeuten. Co-Vorsitzender Dietmar Bartsch rechnete vergangene Woche im Tagesspiegel damit. Das würde die Entlassung der meisten Mitarbeitenden und den Verlust parlamentarischer Rechte zur Kontrolle der Bundesregierung bedeuten.
Schirdewan: Wer sich Wagenknecht anschließt, hat in der Partei „nichts zu suchen“
Die Führung der Linkspartei kündigt bereits Konsequenzen an: Ein Parteiausschlussverfahren gegen Wagenknecht läuft bereits. Für alle anderen Parteimitglieder, die sich ihr anschließen, sind solche bereits angedroht. Es sei „doch klar“, dass wer sich an der Bildung einer „Konkurrenzpartei“ beteilige, in der Linken „nichts mehr zu suchen“ habe, sagte Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender Linken am Sonntag, 22. Oktober, dem ZDF. Für Montagmittag wird ein Statement von Schirdewan erwartet. Zuvor tagt der Bundesvorstand der Linken.
„Wagenknechte“ noch in wichtigen Positionen
Wagenknechts Lager in der Linken ist eine nicht unerhebliche Minderheit. Aus der Bundestagsfraktion werden die Abgeordneten Klaus Ernst, Alexander Ulrich, Sevim Dağdelen und Jessica Tatti ihren Getreuen zugerechnet. Die „Wagenknechte“, wie sie despektierlich innerhalb der Partei genannt werden, bekleiden aktuell relevante Posten in Fraktion und Parlament: Ernst ist Vorsitzender des Klimaschutz- und Energie-Ausschusses, Dağdelen ist außenpolitische Sprecherin, Jessica Tatti ist für Arbeitsmarktpolitik zuständig.
BSW muss sich „deutlich rechts aufstellen“
In der Linken sieht man die hypothetische Partei nicht als Konkurrenz an: „Wenn Sahra Wagenknecht mit ihrem Projekt Erfolg haben will, wird sie sich deutlich rechts aufstellen müssen“, sagte Schirdewan der Augsburger Allgemeinen. Eine Insa-Umfrage für die Bild am Sonntag ergab: 27 Prozent der Befragten, könnten „sich vorstellen“ für das „BSW“ zu stimmen, darunter 40 Prozent der Befragten AfD-Wählerinnen und -Wähler. Umfragen, bei denen nach dem Potenzial hypothetischer Parteien gefragt wird, gelten in der Politikwissenschaft als notorisch ungenau.
Wagenknecht selbst sieht sich in Konkurrenz zur AfD. Ihre Positionen in der Migrations-, Klima und Russland-Politik ähneln denen der in Teilen rechtsextremen Partei. In Fragen von Steuer-, Sozial- und Europa-Politik unterscheidet sich Wagenknecht von der AfD. (kb mit dpa/afp)
Rubriklistenbild: © imago-images





