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Israel stürmt Al-Schifa Krankenhaus in Gaza: Offenbar Waffen gefunden – aber keine Hinweise auf Geiseln
VonBedrettin Bölükbasi
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In der Nacht haben israelische Truppen überraschend das Al-Schifa Krankenhaus in Gaza gestürmt. Darunter soll sich eine Hamas-Zentrale befinden.
Gaza – Nach dem Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober startete das israelische Militär eine umfangreiche Bodenoffensive gegen den Gazastreifen. Derzeit konzentrieren sich die Gefechte beim Krieg in Israel auf den Norden der Küstenenklave, zu der auch die Stadt Gaza gehört. Dort bleiben Krankenhäuser von den Zusammenstößen nicht verschont: Im Zentrum steht vor allem die Al-Schifa-Klinik.
Al-Schifa Krankenhaus in Gaza: Hamas-Tunnel unter dem Komplex?
Inmitten israelischer Luftangriffe und der Aktivitäten der Hamas suchen tausende Zivilisten in mehreren medizinischen Komplexen in Gaza Schutz. Dazu gehört auch das Al-Schifa Krankenhaus, unter der sich israelischen und amerikanischen Angaben zufolge aber eine Kommandozentrale der Hamas befinden soll. Die israelische Armee wirft den palästinensischen Militanten vor, Zivilisten als Schutzschild einzusetzen. Das Krankenhauspersonal und die Hamas weisen diese Vorwürfe zurück.
Die meisten Menschen im Al-Schifa Krankenhaus sind in den Süden des Gazastreifens geflohen. Israel bezeichnet den Süden als sichere Zone und ruft Menschen immer wieder dazu auf, festgelegte sichere Routen zu nutzen, um in den Süden zu gelangen. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza befinden sich im Krankenhaus noch etwa 2000 Menschen.
Armee attackiert im Israel-Krieg das Al-Schifa Krankenhaus – „präzise Operation“ gegen Hamas
In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch (15. November) benachrichtigte das israelische Militär die Verwaltung des Krankenhauses, dass man in den kommenden Minuten das Krankenhaus stürmen werde, wie arabische Medien berichteten. Tatsächlich meldete die israelische Armee kurz darauf eine „präzise und gezielte“ Operation in einem bestimmten Teil des Krankenhauses. Man habe sich wegen Geheimdienstinformationen und einer „operationellen Notwendigkeit“ für den Schritt entschieden. Ziel sei es nicht, die Patienten zu verletzen, sondern die Hamas zu bekämpfen.
Das Medienbüro der Hamas-Regierung in Gaza warnte daraufhin vor einem „Massaker“ im Krankenhaus. Ärzte schilderten gegenüber dem Sender Al Jazeera, man höre Schüsse innerhalb des Krankenhauses und Geräusche von Panzern an den Ein- und Ausgängen. Es habe stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben, sagte Ahmed Muchallalati, Medizinier der größten Klinik des Küstenstreifens, der Washington Post. Er habe israelische Panzer in Nähe des Klinikkomplexes gesehen. „Wir wissen nicht, was ihr Plan ist.“ Er wolle trotzdem versuchen, sich weiter um die Patienten zu kümmern.
Der britische Sender BBC zitierte einen Augenzeugen in der Klinik, der von sechs Panzern und mehr als Hundert Soldaten auf dem Krankenhausgelände berichtete. Einige seien maskiert gewesen und hätten auf Arabisch gerufen: „Nicht bewegen, nicht bewegen!“ Auch seien Rauchbomben zum Einsatz gekommen.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Krieg in Israel: Soldaten wollen Waffen im Al-Schifa Krankenhaus gefunden haben
In den Morgenstunden meldete die israelische Armee schließlich, man habe zwar keine Hinweise auf eine Präsenz von Geiseln im Krankenhaus gefunden, dafür aber Waffen, die auf eine Hamas-Präsenz deuten würden. Gegenüber der Zeitung Times of Israel betonte ein Sicherheitsbeamter, man werde die Operation in Al-Schifa „falls nötig ausweiten“. Die Zeitung berichtete zudem, fünf Hamas-Mitglieder seien getötet worden.
Israel wirft der Hamas vor, unter den Krankenhäusern in Gaza Tunnelsysteme gebaut zu haben und diese als Kommandozentralen zu nutzen. Gegenüber der US-Zeitung New York Times sprach ein israelischer Geheimdienstmitarbeiter von Besprechungs-, Wohn- und Lagerräumen als Teil des Tunnelsystems. Dafür legte das israelische Militär aber bislang keine umfassenden Beweise vor. Für das Al-Rantisi Krankenhaus in einem anderen Teil von Gaza veröffentlichte die israelische Armee aber ein langes Video mit Beweisen, doch Unstimmigkeiten ließen Zweifel aufkommen.
Nach dem Sturm auf das Krankenhaus behauptete die israelische Armee, man versorge das Krankenhaus mit medizinischer Ausrüstung wie Brutkästen und humanitären Gütern wie Babynahrung. Dazu veröffentlichte das Militär auf X (ehemals Twitter) Fotos. Palästinensische Quellen behaupteten, israelische Soldaten würden Massenverhaftungen sowie Verhöre im Krankenhaus durchführen und medizinische Ausrüstung im Komplex beschädigen. Diese und weitere Angaben der Kriegsparteien lassen sich allerdings oft nicht unabhängig verifizieren.
The IDF’s precise and targeted operation against Hamas in the Shifa Hospital is still ongoing.
We can now confirm that incubators, baby food and medical supplies, provided by the IDF, have successfully reached the hospital.
UN und WHO besorgt über Lage in Al-Schifa: Gegenseitige Vorwürfe zwischen Gaza-Behörden und Israel
Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths äußerte sich auf X und gab an, er sei „entsetzt“ über die Berichte aus Al-Schifa. „Der Schutz von Neugeborenen, Patienten, medizinischem Personal und allen Zivilisten muss Vorrang vor allen anderen Anliegen haben“, schrieb Griffiths und ergänzte: „Krankenhäuser sind keine Schlachtfelder.“ Zwischen Israel und der UN herrscht ein schwieriges Verhältnis, seitdem UN-Generalsekretär António Guterres behauptete, dass der Angriff auf Israel „nicht im Vakuum“ geschehen sei.
Auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Thedros Ghebreyesus, meldete sich auf X und schrieb: „Berichte über den militärischen Einmarsch in das Al-Schifa Krankenhaus sind zutiefst besorgniserregend.“ Man habe den Kontakt zum Gesundheitspersonal im Krankenhaus verloren und sei „besorgt um ihre Sicherheit und die ihrer Patienten“.
Internationalem Recht zufolge stehen Krankenhäuser unter einem besonderen Schutz. Laut Internationalem Komitee vom Roten Kreuz kann dieser Schutzstatus aber verloren gehen, sobald Kriegsparteien Krankenhäuser als Versteck für Kämpfer oder als Waffenlager nutzen. Vor Angriffen muss es aber eine ausreichende Vorwarnzeit geben, damit Personal und Patienten evakuiert werden können. Palästinensische Quellen kritisierten, dass diese Warnung im Fall des Al-Schifa Krankenhauses nicht genug Zeit ließ. Von israelischer Seite heißt es aber, schon seit Tagen fordere man Behörden auf, die militärische Aktivität dort zu beenden.
Mehrere Krankenhäuser in Gaza mussten ihre Aktivitäten einstellen, da es kein Treibstoff mehr für die Stromgeneratoren gibt. Die UN und internationale Organisationen sprechen von einer humanitären Krise im Gazastreifen. Israel behauptete, 300 Liter Treibstoff zur Verfügung gestellt zu haben, doch vom Krankenhaus hieß es, dies reiche nur für eine halbe Stunde. Israel wirft der Hamas vor, den Treibstoff für eigene Zwecke einzusetzen und die Abholung durch medizinisches Personal zu verhindern. Die Hamas bestreitet dies. (bb)