„Größter jährlicher Verlust“

Verband schlägt Alarm: Apotheken-Sterben in Deutschland so „dramatisch“ wie nie zuvor

  • Andreas Schmid
    VonAndreas Schmid
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Die Apotheker-Branche ist wütend. Auf einer Pressekonferenz stellte der Dachverband eine „dramatische Entwicklung“ vor – und schimpfte auf Karl Lauterbach.

Ende 2023 hat Deutschland 497 Apotheken verloren. „Das ist der größte jährliche Verlust an Apotheken in der Geschichte der Bundesrepublik“, wie Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen, am Montag auf einer Pressekonferenz in Erfurt erklärte. Damit sei die Zahl der Apotheken hierzulande „auf ein Allzeittief gesunken“. Zum Jahresende habe es 17.571 Apotheken in Deutschland gegeben, Ende 2022 waren es noch 18.068.

In Deutschland müssen immer mehr Apotheken schließen.

„Dramatische Entwicklung“: Apotheker-Verband alarmiert wegen Schließungen

Dementsprechend schlägt auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) Alarm. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sprach von einer „dramatischen Entwicklung der deutschen Apothekenlandschaft“. Mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnern liege die Apothekendichte deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (32). Prekär sei die Lage vor allem im ländlichen Raum.

„Für die Gesellschaft sind die Apotheken wie Strom aus der Steckdose: Wir sind einfach da und versorgen die Menschen“, sagte Overwiening. Doch sei die Versorgung vielerorts nicht mehr selbstverständlich. „Die Patientinnen und Patienten müssen weitere Wege zur nächsten Apotheke in Kauf nehmen.“ Im vergangenen Jahr sei auf Bundesebene die Arzneimittelversorgung in der Größe Thüringens verschwunden. „Das bedeutet, dass rein rechnerisch zwei Millionen Menschen ihre wohnortnahe Apotheke verloren haben und nun sehr wahrscheinlich weitere Wege haben.“

Ein Problem: Es kommen kaum neue Apotheken hinzu. 559 Schließungen standen im vergangenen Jahr nur 62 Neueröffnungen gegenüber. Die Zukunft der Branche scheint damit gefährdet. „Wie in vielen anderen Wirtschaftszweigen belastet der Fachkräftemangel auch die Apotheken immens“, sagte Overwiening. „Wir erwarten, dass bis Ende dieser Dekade bis zu 10.000 Apothekerinnen und Apotheker in den Apotheken fehlen, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten aufrechtzuerhalten.“

Apotheken-Ärger: „Lauterbach übernimmt rein gar nichts“

Ein Grund für die Schließungen seien die „wirtschaftlichen Missstände im Apothekensystem“. So seien die Kosten für Apotheken um 60 Prozent gestiegen. Overwiening nahm daher auch Karl Lauterbach in die Kritik: „Der Gesundheitsminister weiß von dieser bedrohlichen Entwicklung, unternimmt aber rein gar nichts, um die Apotheken zu stabilisieren.“

Auch der Präsident der Thüringer Apothekerkammer, Ronald Schreiber, zeigte sich verärgert: „Seit vielen Jahren stellt sich Politik nicht der Verantwortung, die sie hat. Stattdessen propagiert man Lösungen, die mehr mit einer Abgabestelle als mit sicherer Arzneimittelversorgung zu tun haben“, so der Apotheker. „Das ist ein Armutszeugnis und hat nichts mit Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zu tun. Das werden wir den Verantwortlichen nicht durchgehen lassen.“ (as)

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