Vor Brandenburg-Wahl

Keine Talkshow mehr für Esken und Co? SPD-Abgeordneter: „Was für ein Quatsch“

  • Peter Sieben
    VonPeter Sieben
    schließen

Brandenburgs SPD-Vize fordert einen Talkshow-Stopp für die Parteispitzen. Der Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoğlu verweist auf Ampel-Erfolge.

Berlin – Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen mit ihren desaströsen SPD-Ergebnissen liegen die Nerven wohl ein wenig blank bei manchen Sozialdemokraten. Vor allem da, wo eine Wahl noch bevorsteht, in Brandenburg nämlich. Dort gehen SPD-Kandidatinnen und -Kandidaten wenige Wochen vor der Wahl auf Abstand zum Berliner Spitzenpersonal ihrer Partei.

Denn der Parteiprominenz und der Ampel-Regierung schieben viele das schwache Abschneiden in Thüringen und Sachsen in die Schuhe. Ministerpräsident Dietmar Woidke hat klargemacht, dass er keine Unterstützung von Kanzler Olaf Scholz im Wahlkampf wünscht. Nun legt Brandenburgs SPD-Vizechefin Katrin Lange nach.

SPD-Landesvize vor Brandenburg-Wahl: „Bestimmte Leute nicht mehr in Talkshows“

Es sei „viel gewonnen“, wenn „bestimmte Leute nicht mehr in Talkshows“ auftreten würden. Das sei nämlich „unerträglich“, sagte Lange in einem Interview. Womöglich bezog sie sich damit auch auf einen Auftritt von SPD-Chefin Saskia Esken, die nach einer umstrittenen Aussage über den Anschlag von Solingen zurückgerudert ist.

Kritik an Langes Vorstoß kommt jetzt aus Berlin. „Ich halte nichts von Talkshow-Verboten – was für ein Quatsch-Vorschlag“, sagte der Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoğlu im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Solche Formate sollte jeder geladene Gast nutzen, um die eigene als auch die Parteiposition verständlich für alle Zuschauer darzulegen. Dem einen oder anderen mag manch Auftritt nicht gefallen, deshalb spricht man doch aber kein Verbot für die Genossinnen und Genossen aus.“ Wäre das der Maßstab, dürften Spitzenpolitiker überhaupt nicht mehr in solchen Sendungen auftreten, findet Karaahmetoğlu.

AfD-Wahlsieg in Thüringen: „Bewusst in Kauf genommene Schädigung unserer demokratischen Werte“

Über das starke Abschneiden der AfD in Sachsen und Thüringen zeigte er sich betroffen. Dass es sich dabei um Protestwahlen und Denkzettel gegen die Ampel-Regierung – und damit auch gegen die SPD – handle, das halte er für zu kurz gedacht. „Ich bin es leid, die AfD-Erfolge als das Ergebnis von Protestwahlverhalten zu interpretieren. Wenn eine in beiden Ländern gesichert rechtsextreme Partei ein Drittel aller Stimmen erhält, ist das kein gut gemeinter Warnschuss, sondern eine bewusst in Kauf genommene Schädigung unserer demokratischen und freiheitlichen Werte“, sagte Karaahmetoğlu.

Macit Karaahmetoğlu ist seit 2021 Bundestagsabgeordneter. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag.

Man müsse allerdings festhalten: „Von dieser rechtsextremen Partei versprechen sich immer mehr Menschen in Deutschland ein Gefühl von Sicherheit in unsicheren Zeiten, die fast durchweg von Krisen bestimmt sind. Die aktuell im Bund regierenden Parteien schaffen es nicht, dieser Teilgruppe unserer Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, dass sie Lösungen für die Probleme dieser Zeit bereithalten.“

Denkzettel an die Ampel? „Hart gearbeitet, um Deutschland zukunftsfest zu machen“

Müssen die Ampel-Parteien dann nicht besser kommunizieren? „Wir wurden nicht dafür gewählt, vier Jahre lang Wahlkampf zu betreiben, sondern um wichtige gesellschaftliche Projekte voranzutreiben“, sagt Karaahmetoğlu. Für ihn sei entscheidend, dass die aktuelle Bundesregierung „in einer Zeit multipler Krisen viele wichtige Maßnahmen ergriffen hat“.

So habe die Ampel die Inflation und die Energiekrise in den Griff bekommen. „Die vergangenen drei Jahre hat die Koalition hart gearbeitet, um Deutschland zukunftsfest zu machen.“ Das werde auch das nächste Dreivierteljahr noch so sein. „Erst dann ist Wahlkampf und in diesem werden wir den Leuten ganz sicher darlegen können, was an der Ampelpolitik so wichtig war und wie unsere Ideen für die kommenden Jahre aussehen.“

Lindner attestiert „Schnauze voll“-Stimmung bei Migration – Scharfe Kritik aus der SPD

Ein Kernthema im Wahlkampf in Thüringen und Sachsen war die Migration, aber auch in der Bundespolitik sind Asyldebatten spätestens nach dem Anschlag von Solingen, den mutmaßlich ein aus Syrien stammender Mann begangen hat, neu entflammt. So warfen Unionspolitiker der Ampel zuletzt mangelnde Handlungsfähigkeit vor. Aber auch von Koalitionspartnern gab es harsche Kritik.

So sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Leute hätten „die Schnauze voll davon, dass der Staat die Kontrolle über Migration verloren“ habe. „Da kann ich mir nur an den Kopf fassen. Ich glaube, er überschätzt das Thema und will davon ablenken, dass die Leute vor allem die Schnauze voll haben von Querulantentum und Streit in der Bundesregierung“, sagte Karaahmetoğlu. „Daran sind er und seine Partei nämlich nur allzu gern beteiligt.“

Es sei der richtige Weg, dass die Bundesregierung nun Maßnahmen beschlossen habe, damit das Thema nicht mehr derart im Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses stehe. „Es gibt nämlich eine ganze Reihe anderer Themen wie Rente, Gesundheit, Klimaschutz, die den Menschen ebenso, wenn nicht sogar wichtiger sind. Und diese sollten wieder in den Fokus rücken“, mahnt Karaahmetoğlu.

Rubriklistenbild: © Dwi Anoraganingrum/imago