Greift China jetzt an?

Trump-Sieg bei US-Wahl bringt Taiwan in Gefahr

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Donald Trump könnte Taiwan fallen lassen – und China ermutigen, den Inselstaat zu erobern. Das Land bereitet sich vor.

„Make America Great Again“ – dank Taiwan: Geht es nach Taiwans Außenminister Lin Chia-lung, dann kann Donald Trump sein zentrales Wahlkampfversprechen nur mithilfe des asiatischen Inselstaats umsetzen. Für den Wohlstand Amerikas sei Taiwans Chip-Industrie unverzichtbar, erklärte Lin nach der Wahl des Republikaners am Mittwoch.

Lin ging es freilich weniger darum, für die ohnehin weltweit führenden Chip-Hersteller seines Landes zu werben. Vielmehr dürfte der Außenminister nicht vergessen haben, dass Trump im Wahlkampf den Taiwanern vorwarf, den USA ihre Halbleiter-Industrie „gestohlen“ zu haben. Verbunden mit dem Nachsatz, das Land sei „9500 Meilen weit weg“. Also sehr, sehr weit entfernt von den Sorgen und Nöten der Amerikaner.

In Taiwan wächst, wie in vielen anderen Ländern, nach dem Erdrutschsieg des Republikaners die Nervosität. Für den Inselstaat geht es um viel, denn Trump, so die Befürchtung, könnte Taiwan fallen lassen. Mit möglicherweise fatalen Konsequenzen. Taiwans mächtiger Nachbar China betrachtet die demokratische Inselnation als Teil des eigenen Staatsgebiets und will sich das kleine Land notfalls mit militärischer Gewalt einverleiben. Bislang stehen die Amerikaner fest an der Seite der Regierung in Taipeh und beliefern sie mit Defensivwaffen. Trump könnte nach Jahrzehnten mit diesem Vorgehen brechen. Taiwan stünde dann ziemlich alleine da, China dürfte sich diese einmalige Chance dann kaum entgehen lassen.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Trump fordert von Taiwan mehr Geld für die Rüstung – Sorge vor China wächst

Vor diesem Hintergrund ist Lins Botschaft an die Amerikaner zu verstehen: Denn würde China tatsächlich Taiwan angreifen, dann bräche nicht nur dort die Chip-Produktion zusammen – auch in den USA stünden schnell die Bänder still. Ohne Halbleiter aus Taiwan lässt sich so gut wie kein Auto bauen oder iPhone zusammensetzen. Millionen Jobs in den USA wären in Gefahr.

Weil es Trump in den Beziehungen zu anderen Ländern vor allem ums Geld geht, bemühte sich die taiwanische Regierung nach der Wahl, auch ein anderes Thema abzuräumen. Und das ist ähnlich heikel wie die Geschichte von der angeblich gestohlenen Chip-Industrie: Trump hatte im Wahlkampf gewettert, die Taiwaner würden ihr Land auf Kosten der USA gegen einen möglichen chinesischen Angriff rüsten. Was eine glatte Lüge war, schließlich überweist Taipeh seit Jahrzehnten viele Milliarden an amerikanische Rüstungskonzerne; geschenkt bekommt das Land nichts. Darauf wies am Mittwoch Außenminister Lin sicherheitshalber noch einmal hin.

Donald Trump und Xi Jinping 2019 in Osaka: Fühlt sich China durch vier weitere Jahre Trump ermutigt, nach Taiwan zu greifen?

Taiwans Schreckensszenario: Trump lässt Taipeh fallen, weil es nicht genug zahlt

Trotzdem werden in Taipeh nun die Rufe laut, lieber noch mehr für die eigene Verteidigung auszugeben als ohnehin schon. So erinnerte etwa Chen Wen-chia vom Institute for National Policy Research in Taipeh daran, dass Trump im Wahlkampf von Taiwan gefordert hatte, den Verteidigungshaushalt auf zehn Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts hochzufahren. Derzeit ist Taiwans erklärtes Ziel, drei Prozent seines BIP in die Landesverteidigung zu stecken.

Auch andere Partner in Asien stieß Trump schon vor seiner Wiederwahl vor den Kopf. So etwa Südkorea, wo rund 28.500 US-Soldaten stationiert sind. Seoul solle bitte zehnmal so viel für die US-Präsenz zahlen wie bislang, sagte Trump. Nach dem Motto: Wer nicht zahlt, steht alleine da. Für Taiwan ein Schreckensszenario.

Chinas Drohungen gegenüber Taiwan nehmen zu

Trotz allem erinnert man sich in Taiwan an die Trump-Jahre bisweilen auch als „goldenes Zeitalter“. Denn unter Trump verabschiedeten die USA eine Reihe von Gesetzen, um die inoffiziellen Beziehungen zu dem Land zu stärken. Sie verkauften so viele Waffen an das von China bedrängte Land wie seit Jahrzehnten nicht mehr, Trump telefonierte als erster US-Präsident seit Jahrzehnten mit seinem taiwanischen Gegenüber. Auch hatte Trump einen Handelskrieg gegen China gestartet, den er nun noch deutlich härter fortführen will.

Die Spannungen in Ostasien haben seit Trumps erster Amtszeit allerdings auch deutlich zugenommen. Immer wieder hält China Militärmanöver rund um Taiwan ab, schon 2027 könnte die Volksrepublik militärisch dazu in der Lage sein, das Land anzugreifen, wie etwa der amerikanische Noch-Außenminister Antony Blinken warnte. Donald Trump dürfte bis Anfang 2029 im Amt bleiben, Taiwan stehen also bange Jahre bevor. Die große Hoffnung des Inselstaats: Im US-Kongress weiß man, wie wichtig Taiwan für die USA ist. Und das über Parteigrenzen hinweg.

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