Putin-Manöver

Geheimoperation Russlands: Selenskyj hält Angriff auf Nato-Land für möglich

  • Marcus Giebel
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Russland ist im Begriff, ein weiteres Großmanöver durchzuführen. Könnte dies den Westen bedrohen? Wolodymyr Sekenskyj mahnt zur Wachsamkeit.

Warschau – Die Ukrainer müssen seit mehr als drei Jahren am eigenen Leib erfahren, zu was Wladimir Putin fähig ist. Während sich seine Bodentruppen kaum merklich vorwärtsmühen, lässt der Kreml-Chef das Nachbarland fast pausenlos mit Luftschlägen überziehen. Dabei scheint nichts und niemand vor Russlands Raketen sicher zu sein.

Dass der Ukraine-Krieg nur der Anfang sein könnte, haben Politiker und Militärexperten schon häufiger warnend erwähnt. Nun lassen Aussagen von Wolodymyr Selenskyj aufhorchen. Laut Suspilne, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Ukraine, deutete der ukrainische Präsident am Rande des Gipfels der Drei-Meere-Initiative in Warschau an, dass Moskau in diesem Sommer „etwas vorbereitet“ und dafür Militärübungen als Vorwand nutzt.

Selenskyj warnt Westen vor neuem Angriff von Russland: „Litauen? Polen? Müssen alle vorbereitet sein“

Im September plant Putin sein Großmanöver Sapad 2025 – auf Deutsch: Westen 2025 – in Belarus. Also nicht nur in dem Land, das als engster Verbündeter Russlands gilt, sondern das zugleich an das Nato-Gebiet grenzt. Bereits vier Jahre zuvor hatte Russlands Präsident zu Sapad 2021 aufgerufen und dabei Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen – wenige Monate später befahl er die Invasion samt erfolglosem Sturm auf Kiew.

Worin mündet Wladimir Putins Militärübung diesmal? Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r.) warnt den Westen eindringlich.

Nun mahnt Selenskyj, beide Augen auf die Vorgänge zu richten: „Schauen Sie sich Belarus an – diesen Sommer bereitet Russland dort unter dem Deckmantel von Militärübungen etwas vor. So beginnen normalerweise seine neuen Angriffe.“

Er könne aber nicht sagen, welches Land diesmal das Ziel sein könnte: „Die Ukraine? Litauen? Polen? Gott bewahre! Wir müssen alle bereit sein. Alle Institutionen sind zur Zusammenarbeit offen.“

Wagt Putin 2025 wieder eine Invasion nach seinem Militärmanöver? „Jede Übung hat einen Zweck“

Vor einigen Wochen hatte bereits Kiews Oberkommandeur der Streitkräfte Oleksandr Syrskyj in einem Interview mit dem ukrainischen Portal LB auf die Frage, ob das Manöver als Vorbereitung einer neuen Offensive gegen die Ukraine genutzt werden könnte, geantwortet: „Jede Übung hat einen Zweck. Und einer dieser Zwecke ist die verdeckte Bildung offensiver Truppenverbände.“

Alle vier Jahre wieder: Kreml-Chef Wladimir Putin (M.) lässt sich im Jahr 2021 von Waleri Gerassimow (l.), Generalstabschef der russischen Streitkräfte, und vom damaligen Verteidigungsminister Sergei Schoigu zeigen, wie seine Militärübung Sapad läuft.

Solche Übungen seien „der akzeptabelste Weg, Truppen zu verlagern, sie in eine bestimmte Richtung zu konzentrieren und eine Truppengruppierung zu schaffen“. 2022 sei für ihn absehbar gewesen, worauf Putins Manöver hinauslaufen würde, nachdem es fortgesetzt wurde, anstatt die Truppen wieder abzuziehen. Zwar erwarte er 2025 nicht unbedingt eine Wiederholung: „Aber wir müssen diesen Faktor in Betracht ziehen.“

Gefahr durch Putins Russland: Militärhistoriker fordert „militärisch kampfkräftiges Europa“

Sönke Neitzel wäre wohl alles andere als überrascht, sollte Putin einen weiteren Vormarsch in Richtung Westen wagen. „Alle Stimmen aus Sicherheitskreisen, die ich kenne, gehen davon aus, dass Russland die Nato in den nächsten Jahren testen wird“, zitiert der Tagesspiegel den Militärhistoriker von der Universität Potsdam.

Der 56-Jährige empfiehlt daher Europa, sich darauf vorzubereiten, Putin die Stirn bieten zu müssen: „Die Antwort auf die militärische Stärke Russlands kann nicht Schwäche sein.“ Um für die eigene Sicherheit sorgen zu können, würden Diplomatie und Wirtschaftskraft nicht genügen: „Es braucht ein politisch einiges und militärisch kampfkräftiges Europa.“

Trump und Putin: Die Geschichte ihrer Beziehung in Bildern

Wandbild Putin Trump Litauen
Einen besseren US-Präsidenten als Donald Trump kann sich Kremlchef Wladimir Putin gar nicht wünschen: So könnte dieses Wandbild in der litauischen Hauptstadt Vilnius interpretiert werden. Bemerkenswert: Es ist eine Aufnahme aus dem Mai 2016, als Trump nicht gar nicht im Amt war. Offenbar schwante den Menschen in Litauen schon damals Böses. © Petras Malukas/AFP
Trump telefoniert mit Putin
Trump hat seit Jahren einen guten Draht zu Putin. Am 28. Januar 2017 telefonierte er im Oval Office des Weißen Hauses zum ersten Mal mit dem russischen Präsidenten. © Mandel Ngan/AFP
Wachsfiguren von Trump und Putin
Schon damals standen sie sich auch in Wachsfigurenkabinetten nahe, so auch in Sofia (Bulgarien). © Valentina Petrova/dpa
G20-Gipfel - Trump trifft Putin
Das erste persönliche und extrem heikle Treffen mit Putin wickelte Trump beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 unfallfrei ab. Im Kreml wie im Weißen Haus herrschten anschließend Optimismus und Zufriedenheit.  © Evan Vucci/dpa
G20 Summit - Demonstration
Aktivisten von Oxfam standen dem G20-Gipfel kritisch gegenüber. Mit ihrer Aktion wollten sie auf den Abzweig zwischen mehr sozialer Ungleichheit und weniger Armut hinzuweisen. Sie trugen Masken von Theresa May, Donald Trump, Shinzō Abe, Emmanuel Macron, Angela Merkel, Justin Trudeau, Wladimir Putin, und Jacob Zuma. © Michael Kappeler/dpa
G20-Gipfel - Trump trifft Putin
„Der Fernseh-Trump unterscheidet sich sehr vom realen Menschen,“ sagte Putin nach dem G20-Gipfel in Hamburg vor der Presse über seinen US-Kollegen Donald Trump. © Steffen Kugler/dpa
Apec-Gipfel in Vietnam
Ein zweites Mal trafen sich Trump und Putin am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) im vietnamesischen Da Nang. © dpa
Putin trifft Trump beim Apec-Gipfel in Vietnam
Beide Präsidenten stimmten damals überein, dass das Verhältnis ihrer Länder nicht gut sei. Putin sah weiter eine tiefe Krise. Russland sei aber bereit, „eine neue Seite aufzuschlagen, vorwärtszugehen, in die Zukunft zu schauen“. © Mikhail Klimentyev
Trump Putin Da Nang
„Wenn wir ein Verhältnis zu Russland hätten, das wäre eine gute Sache“, sagte Trump. Sein persönliches Verhältnis zu Putin sei gleichwohl in sehr gutem Zustand, obwohl man sich nicht gut kenne. © Jorge Silva/AFP
Helsinki-Gipfel
Im Juli 2018 kamen Trump und Putin in Helsinki zu ihrem ersten offiziellen Gipfel zusammen.  © Heikki Saukkomaa/dpa
USA Ausstieg aus INF-Abrüstungsvertrag
Sie begrüßten sich mit einem kurzen, doch kräftigen Händedruck. „Es ist an der Zeit, detailliert über unsere bilateralen Beziehungen zu sprechen und über die schmerzhaften Punkte auf der Welt. Davon gibt es sehr viele“, sagte Putin. Trump betonte: „Die Welt möchte, dass wir miteinander auskommen.“ © Alexander Zemlianichenko/dpa
Helsinki
Während des Gipfeltreffens gingen in Helsinki mehrere Hundert Menschen aus Protest auf die Straßen. Dabei machten sie auf eine Reihe von Missständen aufmerksam.  © Joonas SaloIlta-Sanomat/Imago
Melania Trump
Auch First Lady Melania Trump war in Helsinki mit von der Partie. © Alexei Nikolsky/AFP
Trump und Putin
Trump äußerte sich hinterher zufrieden über sein Treffen mit Putin: „Der Dialog ist sehr gut verlaufen“, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin. „Ein produktiver Dialog ist nicht nur gut für die Vereinigten Staaten und Russland, sondern für die Welt.“ © Brendan Smialowski/AFP
Proteste gegen Treffen von Trump und Putin
Derweil protestierten die Menschen auch im fernen Washington, D.C., gegen das Treffen. Unter anderem hielt eine Frau vor dem Weißen Haus ein Schild in die Höhe, auf dem die beiden Präsidenten karikiert waren.  © Andrew Harnik/dpa
100. Jahrestag Waffenstillstand Erster Weltkrieg
Im November 2018 nahmen Trump und Putin an einer Gedenkfeier anlässlich des Endes des Ersten Weltkriegs in Paris teil. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lud damals zum Spitzentreffen ein. © Ludovic Marin/AFP
Erster Weltkrieg - Waffenstillstand 1918
Auch vor Ort waren First Lady Melania Trump (links), die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und Brigitte Macron, die Ehefrau des französischen Präsidenten. © Francois Mori/dpa
Beginn des G20-Gipfels
Kurz danach trafen Trump und Putin beim G20-Gipfel in Buenos Aires erneut aufeinander. © Ralf Hirschberger/dpa
G20-Gipfel in Argentinien
Die Gespräche wurden von der Eskalation zwischen Russland und der Ukraine um einen Seezwischenfall vor der Krim überschattet. Deshalb sagte Trump ein direktes Treffen mit Putin am Rande des Gipfels kurzfristig ab.  © dpa
Japan, Osaka
Im Juni 2019 trafen Trump und Putin beim G20-Treffen im japanischen Osaka zusammen. © Imago
Osaka 2019
Trump wurde dabei von einem Reporter angesprochen, ob er Putin bei ihrem gemeinsamen Treffen auch sagen werde, dass sich der Kremlchef nicht in die US-Wahlen einzumischen habe. Trump beugte sich zu Putin und sagte: „Mische Dich nicht in unsere Wahlen ein“ – ein Lächeln glitt dabei über Trumps Gesicht. Die Aktion war allerdings nicht ganz ernst gemeint. © Brendan Smialowski/AFP
Osaka 2019
Trump nannte das Verhältnis zu Putin „sehr, sehr gut“.  © Brendan Smialowski/AFP
Trump Putin
Am Ende seiner ersten Amtszeit musste sich Trump wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Ermittlungen im Senat verantworten. Hintergrund war die sogenannte Ukraine-Affäre. Viele Menschen in den USA sahen Trump als Verräter – und Putin als Feind. © Olivier Douliery/AFP
Ukrainekrieg - Anti-Kriegsprotest in New York
Im Januar 2025 kam Trump zum zweiten Mal an die Macht. Im Ukraine-Krieg stellte er sich auf die Seite von Putin. Das rief Proteste hervor. Auch am Times Square in New York galt: Trump ist ein Verräter. © Adam Gray/dpa
Trump Putin
Trump sucht dennoch weiter die Nähe zu Putin. Nach offiziellen Angaben haben beide im Februar 2025 ein erstes Mal miteinander telefoniert, seit der US-Präsident wieder im Amt ist. Vor dem zweiten Gespräch am 18. März verkündete Trump: „Ich freue mich sehr auf das Gespräch mit Präsident Putin.“ Auch danach telefonierte er noch mehrmals mit seinem russischen Amtskollegen. © Alexander Nemenow/AFP
Trump und Putin
Am 15. Augsut 2025 kam es zum Gipfel zwischen Trump und Putin in Alaska. Es handelte sich um das erste persönliche Treffen der beiden Staatschefs seit Putins Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022. Das Treffen fand in der Stadt Anchorage statt. Am Ende gab es von beiden Staatschefs nichts Konkretes. © Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Bundeswehr übt für Verlegung nach Osten: Laut Kommandeur „eher nicht verteidigungsbereit“

Die Bundeswehr bereitet sich derweil auf einen erneuten Einsatz an der Nato-Ostflanke vor und hat dabei ein besonderes Augenmerk auf Russlands Militärübung im Herbst, wie der NDR berichtet. „Wir beobachten sehr genau, was im Einzelnen abläuft, welche Truppenkörper verlegt werden, wo sie bleiben und welche Verfahren angewandt werden“, erklärt Generalmajor Heico Hübner, Kommandeur der 1. Panzerdivision.

Dem 56-jährigen Offizier zufolge ist die Bundeswehr „übungsbereit, aber eher nicht verteidigungsbereit“. Zwar könnten immer verlässlich Truppenkontingente nach Litauen geschickt werden: „Um aber als Division in Gänze einsatzbereit zu sein und auch in der aktuellen Lage wirklich voll kriegstüchtig zu sein, brauchen wir erhebliche weitere Modernisierung.“

Das ist keine Übung: Ein im Ukraine-Krieg eingesetzter Mehrfachraketenwerfer feuert im Dunkeln seine Ladung ab.

Nato und Putins Russland: Polen-Politiker kündigt „große Manöver“ an

Polens stellvertretender Verteidigungsminister Cezary Tomczyk betonte derweil in einem Interview mit dem Radiosender RMF FM, Warschau werde auf Sapad 2025 „angemessen“ reagieren. Allerdings nimmt er die Übung von Putin nicht als Bedrohung für sein Land wahr.

„Es wird große polnische und Nato-Übungen geben, große Manöver in Polen“, kündigte der Parteifreund von Ministerpräsident Donald Tusk an: „Wir sollten uns auch daran erinnern, dass wir im vergangenen Jahr Zeugen der größten Nato-Übungen der Geschichte waren, an denen rund 100.000 Soldaten teilnahmen. Die Nato ist stärker als Russland.“

Damit spielt Tomczyk auf Steadfast Defender 24 an, das aus mehr als einem Dutzend Manövern bestand und insgesamt mehr als vier Monate dauerte. Alle 32 Nato-Staaten nahmen teil. Nach Angaben des transatlantischen Verteidigungsbündnisses waren mehr als 80 Flugobjekte, mehr als 50 Schiffe, mehr als 1100 Kampffahrzeuge und 90.000 Soldaten involviert. (mg)

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