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„Winkt weiter“: So inszeniert die Hamas Geisel-Freilassungen im Gazastreifen
VonLukas Rogalla
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Mittlerweile kommen in Gaza Tag für Tag Geiseln frei. Mit Videos der Freilassungen versucht die Hamas, globale Unterstützung zu gewinnen.
Gaza – Mit der Feuerpause haben sowohl Israel als auch die Hamas eigene Ziele für sich erreicht. Bis Donnerstagmittag (30. November) sind 97 der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 210 palästinensische Häftlinge aus dem Gefängnis frei.
Wie viele Geiseln sich nun weiter in Gewalt der Hamas befinden, ist unklar. Die israelische Regierung vermutet laut der Times of Israel, dass sich noch rund 145 Geiseln im Gazastreifen befinden, darunter 15 Frauen und Kinder. Eine der jüngsten Geiseln ist Kfir Bibas, ein jetzt zehn Monate alter Junge, der zusammen mit seinem Bruder Ariel und seinen Eltern Jarden und Shiri aus dem Kibbuz Nir Os nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt wurde. Am Mittwoch (29. November) hatte die Hamas verkündet, dass das Baby tot sei.
Zehn Monate alt – Jüngste Hamas-Geisel soll tot sein
Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, behaupteten am Mittwoch auf Telegram, dass Kfir sowie sein Bruder und seine Mutter bei israelischen Luftangriffen getötet worden seien. Nicht zum ersten Mal macht die Hamas die israelische Armee für den Tod von Geiseln verantwortlich. Israel wolle die Angaben prüfen. Zuletzt war die IDF davon ausgegangen, dass die Hamas drei Geiseln an eine andere militante Gruppierung übergeben habe. Die Familie soll sich nach Angaben von Militärsprecher Avichay Adraee in Chan Junis befunden haben.
Etwa 40 beim Angriff im Oktober verschleppte Geiseln sollen verschwunden sein – denn vermutlich hat die Hamas keinen Überblick über diejenigen, die andere militante Gruppen verschleppt haben. Laut Vermittler-Land Katar nutze die Hamas die Feuerpause mit Israel auch, um Geiseln ausfindig zu machen.
Hamas verbreitet nach Freilassung von Geiseln Propaganda-Videos
Im Zuge der Freilassung Dutzender Geiseln in den vergangenen Tagen verbreitete die Hamas mehrere Videos. Darin verabschieden sich die Hamas-Mitglieder und ihre Geiseln freundlich und winken sich bei der Übergabe an das Rote Kreuz lächelnd zu. Doch sind die Aufnahmen auch authentisch? Israel sieht darin „widerliche gestellte Propaganda“, wie Ofir Gendelman, ein Sprecher Netanjahus, es auf X ausdrückte. „Man kann hören, wie der Terrorist ihnen mit drohender Stimme sagt: ‚Winkt weiter‘.“
Hamas' disgusting staged propaganda:
They forced the released Israeli hostages to smile and wave for the cameras.
You can hear the terrorist telling them in a threatening voice: "keep waving". pic.twitter.com/jw3j1r1CgO
Der Nahost-Experte David Khalfa erklärte France24 gegenüber, dass die Hamas mit diesen Videos versuche, sich zu „rehumanisieren“. Als Propaganda-Mittel für die Welt sowie für ihre Spender. Die IDF behauptet, dass die Hamas auch in der Feuerpause auf „grausame und unmenschliche Weise“ vorgehe. Erst am Freitag reklamierte die Hamas einen Anschlag in Jerusalem mit mindestens drei Toten für sich.
Was ist über die Bedingungen der Geiselhaft in Gaza bekannt?
Angehörige von Geiseln haben in israelischen und internationalen Medien davon berichtet, dass ihre Familienmitglieder in der wochenlangen Gefangenschaft nicht misshandelt worden seien. Es habe aber Tage ohne Essen gegeben. Manchmal hätten die Verschleppten eineinhalb Stunden warten müssen, bis sie zur Toilette durften. An manchen Tagen habe es nur Fladenbrot gegeben oder nur eine kleine Portion Reis. Geschlafen hätten sie auf Bänken oder zusammengeschobenen Stühlen.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Eine Verwandte eines freigelassenen Zwölfjährigen berichtete, Kinder seien mit der Waffe bedroht worden, damit sie ruhig seien. Der Junge berichtete nach seiner Freilassung demnach, er sei gezwungen worden, Videos des Terrorangriffs auf Israel am 7. Oktober anzuschauen. Er habe zudem die ersten 16 Tage seiner Geiselhaft alleine in einem geschlossenen Raum verbringen müssen.
Könnte die Feuerpause zu einem Ende des Kriegs zwischen Israel und der Hamas führen?
Es sieht es momentan nicht aus, als würde der Krieg in Israel und im Gazastreifen bald enden. Israel hat sehr deutlich gemacht, dass es die Feuerpause nur als solche betrachtet – als Pause. Der schwer unter Druck stehende Regierungschef Benjamin Netanjahu betont immer wieder, der Krieg werde fortgeführt, bis Israel alle seine Ziele erreicht habe. Dazu gehörten die Eliminierung der Hamas sowie die Rückkehr aller Geiseln. Zudem dürfe von Gaza keine Bedrohung für Israel mehr ausgehen. Netanjahu kündigte zuletzt am Mittwoch an, die Kämpfe wieder aufzunehmen, wenn „diese Phase der Rückkehr unserer Geiseln vollendet ist“.
Die Hamas wiederum will am Ende einen islamisch geprägten Staat auf dem Gebiet des gesamten historischen Palästinas einrichten. Den Staat Israel will sie zerstören. Ein Hamas-Sprecher hat auch damit gedroht, die Massaker vom 7. Oktober zu wiederholen. Die USA, aber auch Deutschland haben Israels Ablehnung eines langfristigen Waffenstillstandes bisher unterstützt.
Gefangene der Hamas: Was ist mit männlichen Geiseln und den Soldaten?
Bisher gibt es keine Verlautbarungen über ein Geisel-Abkommen für die männlichen Geiseln und die Soldaten. Es ist davon auszugehen, dass die Hamas vor allem für die Soldaten deutlich höhere Forderungen stellen wird, als für Frauen und Kinder. In israelischen Medien wird bereits spekuliert, dass die Armee versuchen könnte, die Soldaten am Ende mit Gewalt zu befreien. Laut Rundfunk wurden rund zehn Soldaten am 7. Oktober von ihren Militärbasen verschleppt.
Israel hat in der Vergangenheit schon bittere Erfahrungen mit dem Austausch eines verschleppten Soldaten gemacht: 2011 wurde der israelische Soldat Gilad Schalit, der 2006 entführt wurde und mehrere Jahre in Gefangenschaft der Hamas war, im Tausch für mehr als 1000 palästinensische Häftlinge freigelassen. Dabei kam auch der heutige Hamas-Chef im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, frei. (lrg/dpa)