Fünf Indizien für Falschmeldungen
Fake-News zum Krieg in Israel: Experte warnt vor „Propaganda auf allen Seiten“
VonFelicitas Breschendorfschließen
Gefälschte Videos von Raketenangriffen verbreiten sich auf X und TikTok. Ein Experte erklärt Ippen.Media die Gefahren - und Indizien für Fake-News.
Berlin/ Tel Aviv – Ein israelischer Polizist feuert eine Rakete auf den Gazastreifen. So sieht es zumindest in dem Video (siehe unten) auf dem Kurznachrichtendienst X aus. In Wahrheit stammt der Clip aus dem Computerspiel „Arma 3“. Zum Krieg in Israel gibt es viele solcher gefälschten Videos in den sozialen Medien.
„Auf X beobachten wir seit dem Beginn des Krieges Propaganda auf allen Seiten. Es ist zu erwarten, dass sie auf allen Plattformen noch weiter zunimmt“, sagt Andre Wolf der FR.de von Ippen.Media. Er ist Sprecher des Vereins „Mimikama“, der sich für die Aufklärung über Internetmissbrauch einsetzt. Seit dem Angriff der Hamas vermehren sich Wolf zufolge die Falschinformationen im Netz.
🔥🤲More power to you #Hamas #طوفان_الأقصى #طوفان_القدس #PalestineUnderAttack #Palestinian #GhazaUnderAttack #ghaza pic.twitter.com/6OYLHJZEek
— 🌹Murshid🌹 (@Pti0143) October 7, 2023
So sei es auch während der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg gewesen. In einer Krise, so sagt der Experte, steige das Bedürfnis nach Informationen. Und dort, wo eine Menge Informationen sind, steige die Gefahr von Falschinformationen. Im Krieg komme noch ein strategisches Interesse hinzu: „Social Media ist Teil von hybrider Kriegsführung. Die Videos dienen dazu, Stärke zu demonstrieren, Erfolgserlebnisse zu teilen und die eigene Propaganda steuern.“
Was macht Fake-News zum Krieg in Israel so gefährlich?
Pro-palästinensische Kräfte, die die Hamas unterstützen, zeigen angebliche Gräueltaten des israelischen Militärs. Beeinflussen solche Videos die Ansichten der Menschen, die sich auf Social Media bewegen? Ändern sie womöglich ihre Meinung? Nein, sagt Wolf, im Gegenteil.
Wer sich die Videos anschaut, bestätige sich in seiner Meinung. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen „Confirmation Bias“ (Deutsch: Bestätigungsverzerrung). Das bedeutet aber auch, dass eine extreme Meinung im Zweifel noch stärker radikalisiert wird.
Das Problem liegt laut Wolf darin, dass Ansichten nicht durch Fakten, sondern durch Falschaussagen untermauert werden. „Fake-News sind so gefährlich, weil sie Meinungen verstärken, auch wenn sie falsch sind.“
EU-Kommission verwarnt X und TikTok wegen Fake-News auch zu Israel – ohne Folgen
Als Reaktion auf Fake News zum Krieg in Israel verwarnte die EU-Kommission am 10. Oktober X und zwei Tage später auch TikTok. Das geht aus einem Schreiben von EU-Kommissar Thierry Breton an die beiden Plattformen hervor, die er selbst auf X veröffentlichte. Er erinnerte an das Gesetz „Digital Service Act“ der EU, das Social-Media-Seiten verpflichtet, gegen Desinformation vorzugehen.
Breton gab X und TikTok 24 Stunden Zeit, um härter gegen Falschnachrichten durchzugreifen. Doch Inhaber Elon Musk wies die Vorwürfe zurück, wie ein Kommentar auf X zeigt. Musk steht selbst in der Kritik, weil er Fake-News-Accounts auf X empfohlen hat. TikTok führte am 15. Oktober ein Krisenmanagement ein, um Fake News zum Israel-Krieg zu verhindern. Trotzdem verbreiten sich sowohl auf TikTok, als auch auf X weiterhin gefälschte Videos.
„Ohne Sanktionen gegen soziale Netzwerke wird sich nichts ändern“, sagte Wolf FR.de. Der Experte fordert die Einberufung eines EU-Ausschusses, um einen Umgang mit Fake-News zu finden. Politiker, Funktionäre, Anwälte und Richter sollen darin gemeinsame Lösungswege erarbeiten.
An diesen 5 Kriterien können Sie laut einem Experten Fake-News erkennen
Sie sind regelmäßig in den sozialen Medien unterwegs und fragen sich, woran sie Falschnachrichten erkennen? An diese fünf Hinweise des „Mimikama“-Experten Andre Wolf können Sie sich halten:
- „Immer, wenn etwas zu dramatisch ist, müssen Sie vorsichtig sein, ob die Videos echt sind oder nicht.
- Dasselbe gilt auch, wenn Inhalte zu einseitig oder zu tendenziös sind.
- Sie können die Echtheit von Fotos mit Google oder der „Reverse Image Search“ überprüfen.
- Beobachten Sie die Kommentarspalte. Oftmals haben Ihre Mitmenschen schon bemerkt, dass etwas an dem Video oder Foto nicht stimmt.
- Achten Sie auf Unregelmäßigkeiten und Ungereimtheiten. Könnte das Video aus einem anderen Kontext stammen, zum Beispiel aus einem Computerspiel?
Achtung bei Videobeschreibungen: Fake ist nicht immer gleich Fake
Nicht immer handelt es sich bei Inhalten, die auf Social Media als „Fake News“ betitelt werden, wirklich um Falschinformationen. Der Begriff wird auch dafür verwendet, eine Handlung der anderen Seite als erfunden darzustellen – obwohl sie eigentlich wahr ist. „Fake-News“ ist in dem Fall eher ein Kampfbegriff, um den Gegner zu diffamieren.
Auf TikTok bezeichnen Nutzer zum Beispiel die Nachricht über ein von der Hamas entführtes Baby als „Fake-News“ (siehe unten). Ein Sprecher des israelischen Militärs bestätigte FR.de dagegen, dass ein neun Monate altes Baby von der Hamas entführt worden sei. Er sei sich zu 100 Prozent sicher.
@rami_nr143 @#gazaunderattackk🇩🇿♥️✌🇵🇸 #فلسطين🇵🇸 #palestine🇵🇸 #palestine🇵🇸 #فلسطين🇵🇸 #savegaza #غزة_العزة🇵🇸 ♬ Son yüzük - Son Yaz
Die Verbreitung von Fake News ist nicht die einzige Gefahr auf Social Media. Wolf warnte auch vor Videos mit realen Gewaltdarstellungen oder Leichen. Die Hamas etwa veröffentlichte ein Video einer mutmaßlichen Geisel, das sich online verbreitet. „Explizite Tötungsvideos sollten Sie niemals weiterverbreiten – auch wenn sie echt sind. Sie müssen immer damit rechnen, dass sie vor Kinderaugen landen“, erklärte Wolf. Besonders auf TikTok sind viele Jugendliche unterwegs.