Konflikt mit Ampel

Merz-Ultimatum vor Migrationsgipfel: „Er nähert sich gefährlich dem populistischen Niveau der AfD“

  • Peter Sieben
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Die Union spricht nun doch nicht mit der Ampel über Migration. Harsche Kritik gibt es vom Sachverständigenrat für Integration: Merz „schüre Ängste“.

Berlin – Erst will doch, dann wieder nicht. CDU-Chef Friedrich Merz hat am Dienstagvormittag zunächst bekanntgegeben, dass die Union zu weiteren Migrationsgesprächen mit der Ampel bereit ist. Dann hat er Gespräche wieder abgeblasen. Zuvor hatte Merz ein Ultimatum gestellt. Der Tenor: Entweder er bekommt schriftliche Zusagen darüber, dass die Bundesregierung künftig mehr Flüchtlinge an den Außengrenzen zurückweist, oder die Union ist raus.

Migrationsgipfel: CDU-Chef Merz nach Ultimatum bereit zu weiteren Gesprächen

Inzwischen hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) deutlich gemacht, dass es mehr Zurückweisungen geben wird und in einem ersten Schritt mehr Grenzkontrollen. Kritiker halten das für rechtlich schwierig. Und die Art der politischen Kommunikation vor allem der Union sorgt für – gelinde ausgedrückt – Irritation.

Am Montag vor dem auslaufenden Merz-Ultimatum äußerte sich etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoglu. Mit seinen Forderungen nähere Merz „sich gefährlich nah dem populistischen Niveau der AfD.“

Kritik an Merz-Ultimatum bei Migrationsgipfel aus der SPD

Vom Prinzip „Pistole auf die Brust setzen“ hält er wenig. „Schon gar nicht kann man in solch kurzer Zeit verbindliche Zusagen machen, die dann gegebenenfalls an rechtlichen Hürden scheitern“, so Karaahmetoglu. Der CDU-Vorsitzende wolle „mit Biegen und Brechen“ den Eindruck erwecken, er treibe den Kanzler vor sich her. „Ich finde es gut, dass Scholz dabei gelassen bleibt, Bereitschaft zur Kooperation – auch in Sachen Zurückweisungen – signalisiert, aber sich keiner willkürlichen Deadline unterwirft.“

Tatsächlich gibt es zum Vorstoß aus dem Innenministerium noch keine „schriftliche Zusage“, wie Merz es sich gewünscht hatte. Vielmehr werde man nun rechtlich prüfen, was möglich ist, hieß es aus dem Ministerium von Faeser. „Zurückweisungen berühren nicht nur deutsches, sondern auch europäisches Recht. Dass man hier nicht schalten und walten kann, wie man möchte, weiß auch Herr Merz“, kommentierte Karaahmetoglu.

„Eskalationsspirale in der Asyldebatte schürt Ängste“

Der Sachverständigenrat für Migration und Integration (SVR) warnt derweil vor einer „Eskalationsspirale in der Asyldebatte“. Die Debatte, wie sie aktuell geführt werde, löse kein einziges Problem: „Sie schürt Ängste und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit Aktionismus werden Erwartungen geweckt, an denen Politik gemessen wird. Hier sollten alle Beteiligten verbal abrüsten“, sagte der SVR-Vorsitzende Hans Vorländer.

Österreich hat unterdessen bereits klargemacht, dass das Land keine zurückgewiesenen Flüchtlinge aufnehmen wird. Das zeige den Kern des Problems, erklärte Vorländer im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „Die geplanten Maßnahmen führen letztlich zu Chaos in Europa und zur Destabilisierung der Europäischen Union.“ Migration lasse sich nicht einfach vermeiden, man müsse über gemeinsame europäische Lösungen sprechen. „So setzt man die Axt an den europäischen Zusammenhalt“, sagte Vorländer.

Zumal eine Wende in der Flüchtlingspolitik ist ja ohnehin längst eingeleitet worden sei, denn mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) habe sich Deutschland längst mit der EU und den übrigen Mitgliedstaaten auf restriktivere Maßnahmen verständigt. Diese müssen bis 2026 umgesetzt werden. „Diese Maßnahmen sollten nun schnell und effektiv umgesetzt werden, statt neue und nationale Inititativen zu diskutieren.“

Auch die geplanten Grenzkontrollen sieht der SVR kritisch: Permanente stationäre Kontrollen innerhalb des Schengen-Raumes seien zu vermeiden. Auf diese würden sich Schleuser schnell einstellen und hohe ökonomische Kosten bei Grenzstaus verursachen.

Sicherheitspaket vor Migrationsgipfel beschlossen: Radikalisierung vorbeugen

Dass die Bundesregierung mit dem vergangene Woche beschlossenen Sicherheitspakets stärker auf Islamismusprävention setzen will, sei hingegen richtig. Es brauche „eine differenzierte Analyse, um der Radikalisierung von Menschen im islamistischen Kontext auf allen Ebenen wirksam vorzubeugen und entsprechende Propaganda in den sozialen Medien zu bekämpfen“, so SVR-Chef Vorländer.

Wenig passt dazu allerdings, dass beim Thema Demokratieförderung künftig gespart werden soll. „Dass der vorliegende Haushaltsentwurf auch Kürzungen in vielen Bereichen vorsieht, ist schmerzhaft, aber nicht überraschend mit Blick auf das vieldiskutierte Milliardenloch“, sagt Karaahmetoglu. Aber man habe im Haushalt „ein starkes Signal zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ gesetzt. So ist dafür im Innenministerium eine Milliarde Euro mehr für Investitionen vorgesehen.

Ein guter erster Schritt, aber nicht genug, findet Jochen Kopelke, Chef der Gewerkschaft der Polizei. Er will Sofortmaßnahmen: „Wir brauchen jetzt schon eine Milliarde Euro mehr“, sagte Kopelke am Montag im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

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