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Putin-Getreue ringen nun im Staats-TV um Verbündete: Medwedew lobt Taliban – Lawrow warnt EU
VonFlorian Naumann
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Russland sucht internationale Unterstützung – geballt auch im Staatsfernsehen. Der Kreml will offenbar einen vermeintlichen Fehltritt eines West-Mediums nutzen.
Moskau – Bald geht der Ukraine-Krieg in sein drittes Jahr – und Russland ringt zunehmend um internationale Unterstützung. Das zeigt der Versuch, Militär-Material zurückzukaufen. Aber auch eine geballte verbale Offensive des Kremls rund um Zentralasien. Eine Sendung des Staatsfernsehens warf am Sonntag (12. November) ein Schlaglicht auf einen Drahtseilakt Russlands: Zu vernehmen waren angedeutete Drohungen – aber auch eine Charmeoffensive. Moskau meint offenbar, einen Fehltritt des Westens ausgemacht zu haben.
Wladimir Putin selbst weilte zuletzt bei einer seiner seltenen Auslandsreisen im zentralasiatischen Kasachstan. Am Wochenende (11./12. November) legten nun mit Außenminister Sergej Lawrow, Putins Sprecher Dmitri Peskow und Scharfmacher Dmitri Medwedew gleich drei Akteure aus Putins Umfeld rhetorisch mit Botschaften in die Region nach. Medwedew schreckte dabei auch vor einem Lob für das Taliban-Regime in Afghanistan nicht zurück; verknüpft mit konservativ eingefärbten Vorwürfen an die Adresse der USA.
Russland ringt im Ukraine-Krieg um Unterstützer: Zentralasien-Breitseite im Staats-TV
Was genau „Zentralasien“ ist, ist dabei gar nicht so genau zu benennen. Afghanistan etwa wird manchmal hinzugerechnet, manchmal nicht. Unstrittige Teile Zentralasiens sind aber Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan: Ex-Sowjetrepubliken, die Russland zu seinem Einflussbereich zählt. Bezeichnend aber: Dass das US-Portal Bloomberg.com zuletzt Kasachstan als „Putins Hinterhof“ bezeichnete, stieß in der Hauptstadt Astana auf Ärger, die Kreml-Spitze griff das Thema beherzt auf – auch am Wochenende wieder.
Schließlich kursierte in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ganz allgemein die These, Putin verliere seine „Soft-Power“ über Nachbarstaaten – dazu wäre auch die Fähigkeit zu attraktiven Angeboten an Verbündete zu zählen. Als Beispiel kann Armenien gelten: Enttäuscht von Russlands mangelnder Initiative nach Aserbaidschans Angriff auf Bergkarabach wandte sich das Land zuletzt spürbar gen Westen.
Putins Zirkel der Macht im Kreml – die Vertrauten des russischen Präsidenten
Lawrows Äußerungen vom Sonntag (12. November) konnten nun einerseits als Kampfansage an die EU gewertet werden. „Die Europäische Union verhehlt nicht ihren Plan, Russland auf jede Weise auszugrenzen und es aus Zentralasien und dem Südkaukasus zu verdrängen“, polterte Russlands oberster Diplomat laut der Nachrichtenagentur Tass in der Sendung „Moskau. Kreml. Putin.“ des russischen Staatsfernsehens Rossija-1.
Lawrow verwies – wie auch sein Präsident häufig – auf die Geschichte: „Wir waren historisch gesehen dort präsent und werden nirgendwo verschwinden“, sagte er. Der folgende Satz hatte das Potenzial, auch als Drohung verstanden zu werden: „Sowohl unsere Partner als auch unsere Alliierten sind sich dessen bewusst“, betonte Lawrow.
Russland „verdrängen“: Lawrow und Putin-Sprecher arbeiten sich an Kasachstan an
Lawrow verwahrte sich zugleich dagegen, Kasachstan als Moskaus „Hinterhof“ abzutun. Westliche Führungsfiguren erlaubten sich „ziemlich flegelhafte Äußerungen“, rügte Russlands Außenminister. Er spielte auf einen Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Kasachstan an. Macron hatte gelobt, Kasachstan sei nicht bereit, „irgendjemandes Vasall“ zu sein. „Auch das ist ziemlich plump für diplomatische Sprache“, stichelte Lawrow, wie die Staatsagentur Tass notierte.
Putins Sprecher Dmitri Peskow wiederum warf dem Westen vor, nur mit klarem Hintergedanken freundschaftlich aufzutreten. „Sie sind üblicherweise nicht der Sache wegen freundlich“, erklärte er. „Sie versuchen freundliche Beziehungen herstellen, um Russland aus bestimmten Regionen zu verdrängen“, behauptete Peskow.
Er bemühte sich, Russland als fairen Verbündeten darzustellen. „Es sind genau diese Verbindungen, die auf gegenseitigem Respekt, beiderseitigem Nutzen und wahrhaftigen Banden unter Alliierten beruhen, die niemand etwas aufbürden und keine Bedingungen diktieren“, sagte Peskow Rossija-1 über die Beziehungen zu Kasachstan. Er hatte zuletzt auch eine Kampfansage mit Blick auf den Ukraine-Krieg parat. Kasachstan gibt sich mit Blick auf die Ukraine neutral, hatte aber Russlands Annexionen nicht anerkannt. Putin sprach auf Besuch in Astana auch über eine militärische Zusammenarbeit.
Medwedew lobt Taliban – Putin machte bereits Andeutung zu Afghanistan
Medwedew wiederum setzt spätestens seit seinem Abgang als Übergangs-Präsident zwischen den Amtszeiten Putins und dem Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine ohnehin nicht mehr als Vertreter diplomatischer Sprachregelungen in Szene. Er lieferte am Samstag (11. November) dann auch eine weitere verbale Breitseite gen Westen – mit einer eher irritierenden Stoßrichtung. Medwedew lobte indirekt das Handeln des islamistischen Taliban-Regimes in Afghanistan.
„In weniger als einem Jahr, unabhängig davon, wie wir das empfinden, haben die Taliban das getan, was der US-geführten Nato-Koalition in 20 Jahren nicht gelungen ist“, schrieb er auf Telegram, wie Tass berichtete. Er verwies auf Daten der Vereinten Nationen, denen zufolge die Opium-Produktion 2023 um 95 Prozent zurückgegangen sei. Die USA seien anders als die Taliban daran interessiert gewesen, Heroin „in Russland und andere Länder“ zu exportieren, behauptete Medwedew.
Medwedews kleiner Distanzierung gegenüber den Islamisten zum Trotz: Russland könnte auch die Taliban als Kooperationspartner auf dem Zettel haben. Schon im Sommer 2022 war Putin in Zentralasien unterwegs. „Wir tun alles dafür, dass sich die Situation in dem Land normalisiert und versuchen, Beziehungen zu den politischen Kräften aufzubauen, die die Lage kontrollieren“, erklärte Russlands Präsident damals mit Blick auf Afghanistan. Die Taliban gelten auch in Russland offiziell als islamistische Terrororganisation. (fn)