Objekt im Meer gefunden
Pipeline-Schaden in der Ostsee wohl menschlich verursacht – Verdacht geht in Richtung China
VonMarcus Giebelschließen
Bei der Suche nach dem Grund für den Pipeline-Schaden nehmen finnische Ermittler ein chinesisches Schiff in den Blick. Die Nato sendet eine Warnung.
Oslo/Helsinki – Gaspipelines leben in diesen unruhigen Zeiten gefährlich. Die Verantwortlichen für den Anschlag auf drei der vier Nord-Stream-Stränge, die zwischen Russland und Deutschland verlaufen, sind nach wie vor unbekannt. Und das rund ein Jahr nach der Tat.
Deutlich frischer sind die Meldungen zum Schaden an einer Gaspipeline zwischen Estland und Finnland, die also ebenfalls durch die Ostsee verläuft. Der 2019 in Betrieb genommene Balticconnector war am 8. Oktober wegen eines Druckabfalls geschlossen worden. Infolge des Ukraine-Kriegs und dem Stopp der Erdgas-Importe aus Russland war es die einzige Leitung, über die Finnland den Rohstoff importieren konnte.
Gaspipeline-Schaden: Finnische Ermittler schauen auf chinesisches Schiff
Für das jüngste Nato-Mitglied hat der Zwischenfall also sehr ernste Folgen. Umso dringender erscheint die Suche nach den Schuldigen. Dabei nimmt Helsinki ein chinesisches Schiff ins Visier. „Die Bewegungen des Schiffes ‚Newnew Polar Bear‘, das unter der Flagge von Hongkong fährt, stimmen mit dem Zeitpunkt und dem Ort der Beschädigung der Gaspipeline überein“, teilte das finnische Nationale Ermittlungsbüro (NBI) am Freitag mit.
In einer Erklärung wird der als Leitender Ermittler fungierende Kriminalkommissar Risto Lohi so zitiert: „Wir werden mit den chinesischen Behörden zusammenarbeiten, um die Rolle des besagten Schiffes zu klären.“ Die finnische Polizei setze auf ihren Verbindungsbeamten in China, der vor Ort weitere Informationen einholen soll. Neben Sabotage sei auch ein Unfall nicht ausgeschlossen.
Gaspipeline in Ostsee beschädigt: „Extrem schwerer Gegenstand“ im Wasser gefunden
In der Nähe des Schadens wurde „ein extrem schwerer Gegenstand“ auf dem Grund gefunden. Dieser befinde sich tief im lehmigen Meeresboden, noch habe nichts Genaueres über seine Natur festgestellt werden können. „Wir untersuchen jetzt, um was für ein Objekt es sich handelt und ob es mit der Beschädigung der Pipeline in Verbindung steht“, wird Lohi zitiert.
Die Polizei und die unterstützenden Behörden würden ihre Ermittlungen vor Ort fortsetzen, wenn Wetter- und Seebedingungen dies zulassen. Es werde versucht, das genannte Objekt zur technischen Untersuchung aus dem Meer zu heben. Aus NBI-Sicht seien die Untersuchungen an der Pipeline abgeschlossen, die Beweisstücke wurden den Forensikern übergeben.
Weiter teilte der Chef-Ermittler mit, dass der Schaden den Ermittlungen nach durch eine äußere mechanische Kraft verursacht wurde. Nach aktuellem Kenntnisstand gebe es keinen Grund zur Annahme, dass eine Explosion verantwortlich war.
Gaspipeline Balticconnector beschädigt: Offenbar war auch russisches Schiff in der Nähe
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, lehnte Newnew Shipping, Eigentümer und Betreiber des chinesischen Containerschiffes, eine Stellungnahme ab. Interessanterweise gehe aus Daten zur Schiffsverfolgung hervor, dass sich auch ein Schiff unter russischer Flagge etwa zur gleichen Zeit vor Ort befunden haben soll.
Die Reparatur der Pipeline wird nach Angaben der finnischen Energie-Gesellschaft Gasgrid „mindestens fünf Monate“ dauern. Damit könnte der insgesamt 152 Kilometer lange Balticconnector frühestens Anfang April 2024 wieder in Betrieb genommen werden.
Nato reagiert auf Gaspipeline-Schaden: Im Falle eines Sabotageaktes „entschiedene Antwort“ angekündigt
Der Vorfall schürte Sorgen um die Sicherheit der Energieversorgung nicht nur in den beiden Ländern. Als Reaktion will die Nato ihre Patrouillen in der Ostsee verstärken. Geplant sind demnach „zusätzliche Überwachungs- und Aufklärungsflüge unter anderem mit Seepatrouillenflugzeugen, Awacs-Flugzeugen und Drohnen“ sowie der Einsatz einer „Flotte von vier Minenjägern“. Dies hatte das transatlantische Militärbündnis am Donnerstag mitgeteilt.
Laut Sprecher Dylan White stünde die Nato „in engem Kontakt mit unseren Verbündeten Estland und Finnland sowie mit unserem Partner Schweden“ und würde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Verbündeten zu gewährleisten“. Sollte es sich um einen Sabotageakt handeln, werde eine „entschiedene Antwort“ folgen.
Schweden hatte erst vor wenigen Tagen einen Schaden an einem Unterseekabel gemeldet. Auch in diesem Fall wurden offenbar verdächtige Schiffe gesichtet. (mg)
