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Feindliche Stimmung gegen Israel: Boykottaufrufe in der Türkei
VonErkan Pehlivan
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In der Türkei werden westliche und israelische Produkte boykottiert. Die Stimmung gegen Israel wird vor allem von der Regierungspartei und der Religionsbehörde Diyanet angeheizt.
Ankara – In zahlreichen türkischen Provinzen haben staatliche Einrichtungen und Gemeinderegierungen vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen. Auch in Cafés, Restaurants und Teehäusern auf dem Gelände des türkischen Parlaments dürfen keine Produkte von Firmen mehr verkauft werden, „die offen ihre Unterstützung für die Kriegsverbrechen Israels erklären“, hieß es in einem auf der Parlamentsseite veröffentlichten Schreiben. Die Entscheidung gehe auf den Parlamentspräsidenten zurück. Welche Produkte davon genau betroffen sind, blieb zunächst offen.
AKP-Gemeinden boykottieren israelische Produkte
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete von Stadtregierungen und Provinzeinrichtungen, die zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen hätten. Der AKP-Politiker Ejder Batur sagte Anadolu, in allen Einrichtungen der 24 von seiner Partei regierten Gemeinden in Istanbul würde kein israelisches Produkt mehr angeboten werden. Auch zahlreiche Universitäten kündigten Anadolu zufolge an, künftig Produkte von Israel unterstützenden Firmen nicht mehr anzubieten.
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Allerdings ist zu beobachten, dass es sich bei dem Boykott vor allem um amerikanische und andere westliche Marken handelt. So ist gerade ein neuer Trend in der Türkei entstanden. Die Jugendorganisationen der türkischen Regierungspartei AKP gehen in Starbucks-Filialen und setzen sich dort hin. Einige der AKP-Leute halten dann eine Rede für die Kunden, sie sollen etwa nicht das Blut der Palästinenser trinken.
Andere kaufen Coca-Cola und schütten sie dann weg, natürlich medienwirksam festgehalten. Die Absurdität fand ihren Höhepunkt bei einem Friseur in Kayseri. Der hat gleich eine Frisur verboten, der sich „amerikanischer Haarschnitt“ nennt, um seinen Protest gegen Israel auszudrücken.
Stimmung gegen Israel wird auch von Diyanet und AKP angeheizt
Die Stimmung gegen westliche Firmen und Israel werden nicht nur von der Politik, sondern auch von den religiösen Führern angeheizt. „Es ist haram (verboten), Unterdrücker und Besatzer direkt oder indirekt zu unterstützen“, sagte jüngst der Führer der Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbaş. Türkische Medien unterstützen die Aktionen gegen westliche Firmen. Immer wieder veröffentlichen sie Listen der Unternehmen, die Israel direkt oder indirekt unterstützen. Mehrere Zeitungen feiern sogar den Erfolg. „Die Boykott-Liste hat etwas bewirkt! Die Preise von Nutella, Fairy und Coca-Cola sind stark gefallen“, titelt etwa die Millet Gazetesi.
Unterstützung für den Boykott westlicher Marken kommt auch von Adem Taflan, der Mitglied des Zentralorgans des AKP-Lobbyverbandes UID (MKYK) in Deutschland ist. Auf der Plattform X teilt er Videos, in den westliche Marken zu sehen sind, die es offenbar zu boykottieren gilt. Eines der Videos kommentiert Taflan mit „Weiter mit dem Boykott“ (Türkisch: Boykot’a devam). In einem anderen Video auf X greift Taflan die Waschmittelmarke Ariel an. „Ariel liefert Waschmaschinen und Waschmittel zum Waschen der Kleidung aller israelischen Terrorsoldaten. Ariel ist ein mit Kinderblut getränktes Waschmittel, NICHT weiß.“
Erdogan-Besuch laut Bundesregierung „herausfordernd“
Am Freitag wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin erwartet. Dort wird es sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen. Erdogan hatte nach dem Überfall der Terrormiliz Hamas am 7. Oktober den Westen mehrfach angegriffen und die Hamas öffentlich als Befreiungsorganisation bezeichnet.
Die Beziehungen sind auch wegen des Wahlkampfes zur Türkei-Wahl im Mai angespannt. Erdogan ließ mehr als 100 seiner Abgeordneten durch deutsche und europäische Moscheen tingeln und Wahlkampf betreiben. Der Höhepunkt wurde im Januar in einer Moschee in Neuss erreicht. Damals hatte der AKP-Abgeordnete Mustafa Açıkgöz den Tod von Kurden und Anhängern der Gülen-Bewegung gefordert. Ob Scholz das Thema der Hetze von AKP-Abgeordneten in deutschen Moscheen beim Gespräch mit Erdogan ansprechen wird, ist fraglich. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag, der Besuch Erdogans werde unter den aktuellen Umständen auch „herausfordernd“ sein. (erpe/dpa)