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„Donner“ aus den USA: Was Trumps Griff nach Grönland tatsächlich bedeutet
VonFlorian Naumann
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Donald Trump will annektieren: Panama-Kanal, Kanada – und Grönland. Ein Arktis-Experte urteilt nüchtern.
Noch ist Donald Trump nicht wieder im Amt. Und doch hat der kommende US-Präsident mit einer simplen Pressekonferenz Wellen des Aufruhrs um die Welt gesandt – bis in die Arktis. In Mar-a-Lago hat Trump Ambitionen auf eine Einverleibung des Panama-Kanals, Kanadas und Grönlands geäußert. Dass er die mit „Macht“ umsetzen wird, schloss er nicht aus.
In Dänemark – zu dem Grönland völkerrechtlich nach Stand der Dinge gehört – gab es am Mittwoch und Donnerstag (8./9. Januar) kaum ein anderes Thema. Der öffentlich-rechtliche Sender DR richtete auf seiner Homepage sogar einen News-Ticker zur Grönland-Frage ein. Und der bekam Futter. Außenminister Lars Løkke Rasmussen, Ex-Nato-Chef Jens Stoltenberg, Bundeskanzler Olaf Scholz, Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow – alle kamen zu ihrem Auftritt. Gerade Dänemarks Politiker bemühten sich, zu beschwichtigen.
Der politische Analyst des Konkurrenzkanals TV2 bewertete das als bewusstes „Kleinreden“ des Problems: Die Lage sei „kritisch“. Aber was genau reizt Trump an Grönland – und ist der Reiz groß genug, um jetzt auch von US-Seite die regelbasierte internationale Ordnung über den Haufen zu werfen? Politikwissenschaftler Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat bereits Ende 2024 ein ausführliches Papier zur Situation Grönlands vorgelegt. Sein Urteil fällt im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau klar aus.
Trump will Grönland kaufen – dabei stehen den USA die Türen offen: „Es ist jetzt das siebte Mal ...“
„Es ist jetzt das siebte Mal, dass US-Regierungskreise Interesse am Kauf Grönlands anmelden“, sagt Paul: „Die Gründe sind eigentlich immer dieselben: die strategische Lage und die Ressourcen.“ So hat es auch Trumps kommender Nationaler Sicherheitsberater Michael Waltz am Donnerstag offen ausgesprochen, wie Reuters berichtete. Neu sei bestenfalls, dass der Klimawandel die Ressourcen Grönlands leichter zugänglich mache, fügte Paul hinzu.
Trump hört nicht nur gerne auf Fox News – sondern auch auf Vertraute aus seinem Umfeld. Bekannt sei, dass der designierte US-Präsident schon 2019 von einem Freund auf die Bedeutung Grönlands als Fundstätte von Metallen und Seltenen Erden hingewiesen wurde, erläutert der Experte. Der zu Trumps „Dealmaking“ gehörende „Theaterdonner“ sei indes eigentlich unnötig.
„Die Grönländer haben bereits in ihrer Arktis-Strategie aus dem vergangenen Jahr ziemlich explizit erklärt, dass sie sich US-amerikanische Investoren wünschen. Insofern rennt Trump offene Türen ein“, betont Paul. Selbst Dänemark habe durchaus Interesse daran, dass Grönland eigenständiger werde. Kopenhagen unterstützt die Insel jährlich mit knapp vier Milliarden dänischen Kronen – umgerechnet gut 500 Millionen Euro. Und doch: Die Episode verrät einiges über Befindlichkeiten und Strategien. Im Trump-Lager, auf Grönland, in Dänemark. Und in der Welt.
Trumps Grönland-Eklat: Putin lässt sticheln – Dänemark bleibt defensiv
Wie zu erwarten, sezierte gerade Russland die Lage mit gewissem Genuss. Kreml-Sprecher Peskow diagnostizierte eine „eher dramatische Entwicklung“, bekräftigte Russlands „strategische Interessen“ in der Arktis. Und schien ein wenig über die Europäer zu witzeln. Die hätten „Angst“, auf Trump zu reagieren, äußerten sich „vorsichtig, bescheiden, ruhig, fast wie im Flüsterton“.
In der Tat gehörte ausgerechnet Scholz schon fast zu den Lautsprechern, als er klarstelle, „das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land“. Nur Frankreichs Außenminister Jean-Noel Barrot wurde noch etwas deutlicher: Die EU werde natürlich nicht zulassen, dass „andere Nationen“ ihre souveränen Grenzen attackierten. Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen verwies vor allem auf die grönländische Selbstverwaltung – und ihr Außenminister Løkke auf geteilte Interessen der Nato in der Arktis. Für Donnerstagabend lud er die Chefs der dänischen Parlamentsparteien zum Gespräch.
Wir nehmen diese Situation sehr, sehr ernst, aber wir haben andererseits auch keinerlei Ambitionen, einen Krieg der Worte zu eskalieren.
Dass Dänemark so defensiv bleibt, hat aber auch einen innenpolitischen Grund. Grönland hat nicht nur bereits weitgehende Selbstverwaltungsrechte. Es blickt auch zunehmend ernsthaft auf eine vollständige Unabhängigkeit von Kopenhagen. Eine simple und harsche Abfuhr aus Kopenhagen, gewissermaßen über Grönland hinweg – wie sie Frederiksen Trump noch 2019 präsentierte – wäre in dieser Lage wohl nicht gut angekommen. Das Königshaus bemühte sich zuletzt um das Bauen von „Brücken“ zu Grönland.
Grönland will Unabhängigkeit – und könnte sie haben, ohne Trump
Indes sandte auch Múte Bourup Egede, Grönlands Regierungschef, keine positiven Signale an Trump – was eine Übernahme aus Washington betrifft. Als am Dienstag dessen Sohn Don jr. nach Grönland jettete, gab es keinen offiziellen Empfang. „Grönland gehört dem grönländischen Volk. Unsere Zukunft und der Kampf für Unabhängigkeit ist unsere Angelegenheit“, schrieb Egede unterdessen auf Facebook. Der letzte Satz seines Posts beinhaltete zwar ein implizites Angebot – aber auch eine buchstäblich klare Grenze: „Wir kommen gut alleine klar und wir können mit anderen zusammenarbeiten.“
Donald Trumps Kabinett: Liste voller skandalöser Überraschungen
Seine Ministerin für Auswärtiges, Vivian Motzfeldt, wurde in einer Pressemitteilung noch etwas deutlicher. In beide Richtungen. „Der Kampf um Unabhängigkeit ist Grönlands eigene Angelegenheit“, ließ sie wissen. Aber auch, dass sich Grönland darauf freue, Optionen der geschäftlichen Kooperation zu diskutieren – sie erwähnte dabei explizit „kritischer Rohstoffe“. Der mit Trump jr. nach Grönland gereiste Youtuber und TikToker Charlie Kirk behauptete indes, die Grönländerinnen und Grönländer seien Dänemarks „Herrschaft“ überdrüssig, würden „schlecht behandelt“ und daran gehindert, ihre Ressourcen zu verwerten. Grönlands Rohstoff-Frage ist indes etwas komplexer.
Überhaupt kann Kirks Beitrag im Großen und Ganzen als Social-Media-Variante des trump‘schen Theaterdonners gewertet werden. „Grönland hätte längst mehr Eigenständigkeit haben können, wenn es sich dafür entscheiden würde“, erklärt Paul. „Allerdings kann man mit 56.000 Einwohnern schlecht einen Staat machen.“ Neben Finanzierungsquellen benötige das Land einen besseren Bildungsgrad, um sich final selbst verwalten zu können. Am Ende dürfte Trumps krachender „Theaterdonner“ vor allem offengelegt haben, was die Nationen eigentlich voneinander halten – und was sie einander zutrauen und was nicht. (fn)