Trennung von Netz und Betrieb
Bahn offiziell so schlecht wie nie zuvor: Union will Zerschlagung des Konzerns
VonAndreas Schmidschließen
Die Deutsche Bahn rast von Negativschlagzeile zu Negativschlagzeile. Die Union will das mit einer Zerschlagung des Konzerns ändern. Kann das funktionieren?
Die CDU/CSU setzt zur großen Bahnreform an – und will den Konzern gänzlich neu aufstellen. In einem Antrag, der am Donnerstag im Bundestag behandelt wird, rechnet die Union dabei zu Beginn direkt mit der Deutschen Bahn ab: „Bahnfahren sollte zuverlässig, sicher, angenehm und attraktiv sein. Aber die Deutsche Bahn AG befindet sich in der Krise“, heißt es. „Unpünktlichkeit, kaputte Züge und Unzuverlässigkeit sind bei Zugreisen alltäglich.“ 2023 kam gerade einmal jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn rechtzeitig an. Negativrekord.
Deutsche Bahn mit Milliardenverlust: „So viel noch nie ausgewiesen“
Wie schlecht es um die Deutsche Bahn steht, wird auch beim Blick auf die aktuelle Bilanz klar, die der Staatskonzern am Donnerstag vorlegte: Die Deutsche Bahn muss für 2023 einen Verlust von 2,4 Milliarden Euro ausweisen. Das geht aus Jahresbilanz des Konzerns hervor. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Summe damit verzwölffacht. „So viel hat sie letztlich noch nie ausgewiesen“, sagte Christian Böttger, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) dazu dem ZDF. „Mal abgesehen von Corona.“
Die Ursachen hierfür sieht die Union neben fehlenden Investitionen und einem veralteten Schienennetz auch in mangelndem Wettbewerb. „So liegt der Anteil von Wettbewerbern der DB im Fernverkehr bei unter fünf Prozent.“ Im Regionalverkehr gibt es zwar etliche kleine DB-ferne Wettbewerber, Langstrecken übernehmen aber fast nur die ICEs der Deutschen Bahn. Ausnahme wie etwa FlixTrain oder im Grenzgebiet andere Staatsbahnen wie die österreichische ÖBB gibt es wenige.
Die Lösung laut CDU/CSU: die Zerschlagung des Bahnkonzerns, also die Trennung von Netz und Betrieb.
CDU/CSU will Trennung von Netz und Betrieb
Die Deutsche Bahn ist ein riesiges Unternehmen. Mehr als 200.000 Beschäftigte arbeiten für den Staatskonzern – und das in 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften. Etwa DB Regio, DB Fernverkehr sowie die für den Gütertransport zuständige DB Cargo oder die für die internationale Logistik verantwortliche DB Schenker. Diese Unternehmen gehören zum Betrieb der Deutschen Bahn.
Dann gibt es noch das Netz der Deutschen Bahn, gegliedert in die DB Netz AG. Sie ist für die Infrastruktur zuständig und verantwortet in Deutschland das rund 33.000 Kilometer lange Schienennetz. Derzeit gehören Netz und Betrieb zusammen. Die CDU/CSU will das ändern. Große Bahnreformen sind allerdings ein schwieriges Pflaster. Seit der Bahnreform 1994 ist die Bahn privatwirtschaftlich als Aktiengesellschaft (AG) organisiert. Kritiker sagen, diese Entscheidung ebnete den Weg in die Krise, da die Bahn fortan zum Sparen verdammt war. Ist das Motto „einfach mehr Wettbewerb“ da der richtige Ansatz? Unterstützung für die Pläne gibt es vom Bundeskartellamt.
Bundeskartellamt unterstützt Unions-Pläne: „Vieles spricht dafür“
„Wenig überraschend ist die Deutsche Bahn im Schienenpersonenverkehr mit weitem Abstand Marktbeherrscher“, sagt der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, zu IPPEN.MEDIA. „Mehr Wettbewerb ist natürlich gut. Das gilt für die Buchung von Verbindungen und auch auf der Schiene.“
„Mit Blick auf die Strukturen bei der Bahn hat der Bund Anfang des Jahres eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft innerhalb des Bahnkonzerns geschaffen. Das kann aber nur ein erster Schritt sein, denn die grundlegenden Wettbewerbsprobleme reichen tiefer. Vieles spricht dafür, dass eine Trennung von Netz und Bahnbetrieb das bessere Modell wäre, um Wettbewerb auf der Schiene nachhaltig zu fördern“, so Mundt weiter. „Vieles spricht dafür, dass eine Trennung von Netz und Bahnbetrieb das bessere Modell wäre, um Wettbewerb auf der Schiene nachhaltig zu fördern.“
Ähnlich äußerte sich auch die Monopolkommission. Sie berät die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen und empfiehlt ebenfalls eine Zerschlagung des Bahn-Konzerns. In seinem Sektorgutachten hatte das Gremium im Juli für die Bahninfrastruktursparte eine „weitgehende wirtschaftliche und organisatorische Unabhängigkeit von den anderen Gesellschaften des DB-Konzerns“ gefordert. Das Reformpaket der Bundesregierung sei „sinnvoll“, gehe aber nicht weit genug. Top-Ökonomen sehen ebenfalls Vorteile in der Aufspaltung des Bahn-Konzerns.
Linke gegen Zerschlagung der Bahn
Weniger begeistert ist die Linke: „Die Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn ist ein fataler Fehler“, sagt der Verkehrspolitiker Bernd Riexinger, zu IPPEN.MEDIA. Andere Länder wie die Schweiz zeigten, „dass ein Ausbau des System Schiene und ein reibungsloser Betrieb, sowie pünktliche Züge und zufriedene Kunden in der Hand eines öffentlichen Bahnunternehmens möglich sind“, so Riexinger.
Der frühere Parteichef der Linken spricht sich klar gegen die Reform aus: „Eine Zerschlagung der Unternehmensbereiche der Deutschen Bahn und eine weitere Privatisierung lehnen wir als Linke grundlegend ab.“ Für die Linke gehört die Deutsche Bahn grundsätzlich in öffentliche Hand.
DB-Konzernbetriebsrat gegen Bahnreform der CDU/CSU: Kritik an Union
Gegen die Umstrukturierung ist auch der Konzernbetriebsratschef der Deutschen Bahn, Jens Schwarz. Er vertritt die Interessen der Bahnbeschäftigten der Bahn. Er glaubt, eine Trennung von Netz und Betrieb würde die Probleme der Bahn verschärfen. Die DB AG könne „nur als integrierter Konzern“ erfolgreich sein. Davon profitierten auch die Mitarbeiter. „Der integrierte Konzern steht nämlich auch für sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen sowie Beschäftigungssicherung“, sagt Schwarz zu IPPEN.MEDIA.
Nichtsdestotrotz verschließt Schwarz nicht die Augen vor den Problemen der Bahn, spricht von Investitionsstau in der Infrastruktur. Diesen Investitionsstau habe die Schiene einer „jahrelangen Unterfinanzierung“ zu verdanken. „Einer Unterfinanzierung, die die CDU/CSU, die von 2009 bis 2021 den Verkehrsminister gestellt hat, politisch maßgeblich mitgetragen hat“, so Schwarz. „Dass nun ausgerechnet die Partei, die zwölf Jahre lang verkehrspolitisch richtungsweisend war, die mitverschuldete Krise der DB AG moniert als wäre sie daran unbeteiligt, stößt uns als Interessenvertretern äußerst bitter auf.“ (as)
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