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Bruch schon lange geplant? Merz‘ Wandel bei der Schuldenbremse
VonNils Thomas Hinsberger
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Der CDU-Chef steht wegen der geplanten Milliardeninvestitionen in die Verteidigung und Infrastruktur in der Kritik. Hat er die Wählerinnen und Wähler getäuscht?
Berlin – „Die CDU steht zur Schuldenbremse.“ Die Worte des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann galten lange als Kredo der Unionspartei – vor allem im Wahlkampf zur vergangenen Bundestagswahl. Doch nur kurz nach dem Wahlerfolg von CDU-Chef Friedrich Merz hat sich die Verpflichtung zur Schuldenregelung wohl um 180 Grad gedreht. Ein massives Sondervermögen soll mit dem Wunsch-Koalitionspartner SPD auf den Weg gebracht werden. Und mehr noch: Die Schuldenbremse gilt es in diesem Zusammenhang wohl doch zu reformieren – Auch was Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands angeht.
Wenn Merz seine Pläne in der Öffentlichkeit verteidigt, verweist er auf die international „weiter zunehmende Bedrohungslage“, wie er in einer Presseerklärung am vergangenen Dienstag (4. März) erklärte. Auch die Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump würden dazu beitragen, dass man beim Thema Verteidigung nicht mehr zögern dürfe und eben investieren müsse. Um die steigenden Verteidigungsausgaben zu kompensieren, müsse man folglich die Wirtschaft mit den massiven Investitionen in die Infrastruktur wieder ankurbeln, so der CDU-Chef. Aber geschah der Sinneswandel wirklich so plötzlich, wie Merz jetzt behauptet?
Von Bekenntnis zur Schuldenbremse zu Milliardeninvestitionen – Begeht Merz Wählertäuschung?
Der Plan, die Schuldenbremse zumindest teilweise auszusetzen und Milliardeninvestitionen zu tätigen, könnte von Merz tatsächlich schon länger gefasst worden sein. Eine Recherche des Sterns legt nun genau das nahe. Und damit auch den Vorwurf einer massiven Wählertäuschung.
Nach Gesprächen mit mehreren Personen sei klar geworden, dass der Plan von Merz, die Schuldenbremse zumindest teilweise auszusetzen und massive Investitionen zu tätigen, bereits seit dem Spätherbst 2024 zur Diskussion gestanden habe. Grund dafür sei, dass der CDU-Chef geahnt haben soll, dass eine Regierung in der aktuellen Wirtschaftslage ohne wirkliche finanzielle Spielräume schwierig werden dürfte. Die nun eingetretenen weltweiten Krisen könne der CDU-Chef möglicherweise als vorgeschobenen Grund für die Reform der Schuldenbremse nutzen.
Wen holt Friedrich Merz in sein Kabinett? Diese Minister stehen bereit
Doch warum soll der Milliardenplan noch in der aktuellen Regierung umgesetzt werden? Der Grund hierfür findet sich mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl. Linke und AfD hätten im neuen Parlament unter einem Bundeskanzler Friedrich Merz eine sogenannte Sperrminorität. Das bedeutet, dass ohne deren Zustimmung, eine Zweidrittelmehrheit nicht zustande käme. Und die braucht es, um eine Reform der Schuldenbremse, und eine damit verbundene Anpassung am Grundgesetz, durchführen zu können.
Entgegen Merz‘ Aussagen im Wahlkampf – Deutschland hat einen massiven Investitionsbedarf
Im Wahlkampf klang Merz beim Thema Schulden noch deutlich anders. „Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest“, heißt es im Wahlprogramm der CDU. Denn: „Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen.“ Mit einer Reform würde man auch gegen die Generationengerechtigkeit verstoßen, weil man „unsere Kinder und Enkel“ mit Schulden belasten würde. Die Schuldenbremse sichere die dauerhafte Tragfähigkeit des Bundeshaushalts, heißt es in dem Programm weiter. „Auch in Krisenzeiten hat sie ihre Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen.“
Die Argumentation mit der Generationengerechtigkeit scheint sich nun ebenfalls umgekehrt zu haben. Im Deutschlandfunk-Interview erklärte Merz am Sonntag (9. März): „Wenn wir jetzt in diesem Umfang auch in die Verpflichtungen gehen – für die Infrastruktur, für die Sicherheit – dann tun wir das auch, um unseren Kindern und unseren Enkelkindern ein lebenswertes Land zu übergeben.“ Dafür seien eben Investitionen notwendig. Man werde aber, so Merz, nicht in einen „Konsumrausch“ verfallen – „da können sich die Wählerinnen und Wähler auf uns, auch auf mich persönlich, verlassen“.
Das Investitionspaket von Union und SPD:
Wie viel wollen Union und SPD in die Infrastruktur investieren? Union und SPD wollen 500 Milliarden für Investitionen in die deutsche Infrastruktur bereitstellen.
Welche Investitionen sind für die Verteidigung geplant? Für Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP soll die Schuldenbremse künftig ausgesetzt werden.
Bis wann sollen die Investitionen getätigt werden? Die Gelder für die Infrastruktur sollen in den Jahren 2025 bis 2034 bereitgestellt werden.
Doch ob Merz jetzt nun Wählertäuschung begangen hat oder nicht. Fest steht: Deutschland hat einen massiven Investitionsbedarf. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dotierte die notwendigen Investitionen im Mai 2024 in einer gemeinsamen Studie mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) auf rund 600 Milliarden Euro.
Merz legt Kurswechsel bei der Schuldenbremse hin – Sondervermögen könnte an Grünen scheitern
Die Kurskorrektur von Merz sorgt vor allem bei den Grünen für Ärger – zumal die Union nun mit Stimmen der ehemaligen Ampel-Partei die Anpassung der Schuldenbremse durchsetzen will. Die Parteispitze hat jetzt allerdings ihre Zustimmung verweigert. Für die Partei fehle es unter anderem an Investitionsplänen in die Bekämpfung des Klimawandels. „Es geht um eine nachhaltige, um eine wirkliche Reform der Schuldenbremse, die unserem Land nicht nur die Sicherheit ermöglicht, sondern auch eine zukunftsfähige Infrastruktur, eine gute Klimainfrastruktur, die dieses Land voranbringt“, betonte Parteichefin Franziska Brantner am Montag (10. März). Zudem sorgten zuletzt Äußerungen von CSU-Chef Markus Söder für Ärger unter den Grünen.
Die Partei bleibe aber weiter offen für Gespräche. Merz hatte zudem bereits angekündigt, in Sachen Klimaschutz auf die Partei von Wirtschaftsminister Robert Habeck zugehen zu wollen. „Und wir werden natürlich auch Maßnahmen für den Klimaschutz aufnehmen in die Liste – die dann in einem Gesetz noch abschließend geklärt werden muss – der Infrastrukturprojekte“, so Merz.
Unterstützung in ihrer Ablehnung erhalten die Grünen nun auch von mehreren Ökonominnen. Es sei richtig, Investitionen in den Klimaschutz zu fordern, „und nicht in teure Steuergeschenke, die zudem sozial ungerecht sind“, erklärte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Montag. „Die Grünen sollten nur zustimmen, wenn die Gelder zweckgebunden in eine klimaneutrale Wirtschaft und energetische Gebäudesanierung gesteckt werden.“ Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm äußerte sich gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe ähnlich: „Wenn sie (die Grünen, Anm. d. R.) dadurch erwirken können, dass man eine auch in der EU langfristig tragfähige Lösung findet, wäre man seiner staatspolitischen Verantwortung gerecht geworden.“
Klage gegen Union und SPD: Linke und AfD legen Verfassungsbeschwerde ein
Ein weiteres Problem dürfte von Seiten der Linken und der in Teilen rechtsextremen AfD auf Union und SPD zukommen. Beide Parteien haben bereits angekündigt, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Investitionspläne von Merz, Söder, Klingbeil und Esken einzulegen. Die Linkspartei will dabei die Einberufung des alten Bundestags zum Beschluss der Schuldenregelung verhindern. Fraktionschef Sören Pellmann befürchte eine „politische Entmündigung“ des neu gewählten Bundestags.
Zudem wolle man prüfen, ob man auch inhaltlich gegen das Paket vorgehen könne. Eine Zustimmung zu den Plänen von Union und SPD lehnt die Partei zudem ab. „Wenn es eine zwingende Verknüpfung mit militärischer Aufrüstung gibt, sehen wir das als Fraktion sehr, sehr kritisch und werden dem dann wahrscheinlich nicht zustimmen können“, so Pellmann.
Trotz aller Widrigkeiten zeigt sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil weiter zuversichtlich, dass noch eine Einigung mit den Grünen erzielt werden könne. „Ich gebe die Zuversicht nicht auf, dass das gelingen kann.“ Er wolle gemeinsam mit CDU-Chef Merz das Gespräch mit der Grünen-Spitze suchen. Das Ziel laute, ein Paket zu verabschieden, „hinter dem sich die demokratische Mitte versammeln kann“. (nhi)