Xi Jinping, Cyril Ramaphosa und Narendra Modi im August beim Brics-Gipfel in Johannesburg
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Drei von fünf: Xi Jinping, Cyril Ramaphosa und Narendra Modi im August beim Brics-Gipfel in Johannesburg. Nicht im Bild: Brasiliens Präsident Lula sowie Russlands Präsident Putin – der nicht zum Gipfel anreiste.

Krieg in Gaza

China, Russland, Indien: Nahostkonflikt legt Spaltung der Brics-Staaten offen

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Zwischen Solidarität mit Israel und Genozid-Vorwürfen: Die fünf Brics-Staaten zeigen sich im Umgang mit dem Krieg in Nahost uneins.

Die Brics-Staaten haben zwar „unterschiedliche Sichtweisen, aber eine gemeinsame Vision für eine bessere Welt.“ So formulierte es Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa im August auf dem Gipfel der Staatengruppe in Johannesburg. Wie unterschiedlich die Positionen der fünf Mitgliedsländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika tatsächlich sind, zeigt sich nun auch im Umgang mit dem Krieg in Israel und im Gazastreifen. Ein kurzfristig einberufener Sondergipfel konnte sich am Dienstag nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen – stattdessen veröffentlichte Südafrika, das den diesjährigen Brics-Vorsitz innehat, nach dem virtuellen Treffen lediglich eine Zusammenfassung der Gespräche.

Man verurteile die „Gewalt gegen palästinensische und israelische Zivilisten“, heißt es in dem Text, außerdem müssten „Zivilisten, die illegal gefangengehalten werden“, umgehend freigelassen werden. Es brauche zudem eine „sofortige, dauerhafte und nachhaltige humanitäre Waffenruhe“ sowie perspektivisch eine Zwei-Staaten-Lösung.

Brics-Mitglied Südafrika: „Gewalt durch Israel ist ein Kriegsverbrechen“

Manch ein Vertreter der Staatengruppe, die sich als Stimme des globalen Südens und Gegengewicht zur G7 versteht, hätte sich wohl eine deutlich schärfere Verurteilung Israels gewünscht. So warf Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa zu Beginn der Gespräche Israel einen „Genozid“ an den Palästinensern vor. „Die Kollektivbestrafung palästinensischer Zivilisten durch die rechtswidrige Anwendung von Gewalt durch Israel ist ein Kriegsverbrechen“, wetterte der Initiator des Gipfels in seiner Eröffnungsrede. Ähnlich äußerte sich kürzlich Brasiliens Präsident Lula: „Das Verhalten Israels gegenüber Frauen und Kindern ist gleichbedeutend mit Terrorismus“, sagte Lula Mitte November.

Im Video: BRICS-Staaten: wer ist das?

Indien hingegen, seit Jahresbeginn das bevölkerungsreichste Land der Erde, hatte sich zu Beginn des Kriegs auf die Seite der Israelis gestellt. Den Brics-Sondergipfel schwänzte Ministerpräsident Narendra Modi nun sogar und schickte seinen Außenminister vor. Russland wiederum sieht sich als eine Art neutrale Kraft mit besten Beziehungen zu beiden Seiten: einerseits zu Israel, wo zwei Millionen der neun Millionen Einwohner Russisch sprechen, andererseits auch zu den Palästinensern, zu denen sich das Land historisch verbunden fühlt. Präsident Wladimir Putin glaubt, dass die Brics-Länder eine „Schlüsselrolle“ im Nahen Osten spielen könnte, wie er auf dem Gipfel am Dienstag sagte. Wie die aussehen könnte, ließ er allerdings offen.

China verurteilt Angriff der Hamas nicht

Treibende Kraft innerhalb der Brics ist China: Das Land hatte sich im August beim Brics-Gipfel in Johannesburg mit seinem Vorstoß durchgesetzt, die Gruppe um sechs neue Mitglieder zu erweitern. Vor allem Brasilien und Indien hatten sich lange gegen eine Erweiterung gestellt, aus Angst, Einfluss innerhalb der Brics zu verlieren. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nannte die für das kommende Jahr geplante Aufnahme der sechs Staaten hingegen „historisch“, ihre Vertreter waren nun auch beim virtuellen Nahost-Krisengipfel zugeschaltet, ebenso UN-Generalsekretär António Guterres.

China hat es bislang vermieden, den Angriff der Hamas vom 7. Oktober zu verurteilen. Auch spricht Peking nicht von einem „Krieg“ zwischen Israel und der Terrororganisation, sondern allgemeiner von einem „Konflikt“ zwischen den Palästinensern und Israel. In der staatlich kontrollieren Medienberichterstattung nimmt das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine prominente Rolle ein, das Schicksal der von der Hamas entführten israelischen Geiseln wird hingegen kaum erwähnt. Gleichzeitig verbreiten sich in den sozialen Medien antisemitische Narrative, offenbar geduldet von den chinesischen Zensoren. „Rassistische Karikaturen, Hitler-Memes, Hakenkreuze und Zitate aus den Protokollen der Weisen von Zion sind in den Kommentarspalten inzwischen allgegenwärtig“, hat der israelische China-Experte Tuvia Gering beobachtet.

China als möglicher Vermittler?

Gleichzeitig bringt sich China als möglicher Vermittler in Stellung. Zhai Jun, Pekings Sondergesandter für die Region, reiste zuletzt zweimal durch den Nahen Osten, ohne allerdings in Israel Station zu machen. Am gestrigen Montag empfingen zudem Chinas Außenminister Wang Yi und Vizepräsident Han Zheng in Peking unter anderem die Außenminister mehrerer islamischer Staaten. Beim Brics-Sondergipfel rief Staats- und Parteichef Xi Jinping nun zu einer „internationalen Friedenskonferenz“ auf und sagte, „ohne eine gerechte Lösung der Palästina-Frage wird es keinen dauerhaften Frieden und keine Stabilität im Nahen Osten geben“. Verantwortlich für die aktuelle „Situation“ in der Region machte er nicht die Hamas; Grund sei vielmehr, „dass das Recht des palästinensischen Volkes auf Eigenstaatlichkeit, Überleben und Rückkehr lange Zeit missachtet wurde“.