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Menschen in Amsterdam legen im Gedenken an den Oppositionellen Alexej Nawalny Blumen nieder. In Russland gab es zahlreiche Festnahmen bei Gedenkveranstaltungen an den verstorbenen Politiker.

Tod des Kremlkritikers

Nawalny-Team plant öffentliche Trauerfeier – doch sagt: „Putin will das verhindern“

  • VonBettina Menzel
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Nawalnys Team will eine öffentliche Trauerfeier für den Kremlkritiker – Putin käme das so kurz vor den Wahlen ungelegen. Bei der Suche nach einem Veranstaltungsort gibt es erwartungsgemäß Probleme.

Moskau – Der Hoffnungsträger der russischen Opposition, Alexej Nawalny, starb vor rund anderthalb Wochen in einem russischen Straflager nördlich des Polarkreises. Die genauen Umstände des Todes sind nicht geklärt. Erst nach tagelanger Verzögerung hatten die russischen Behörden den Leichnam an die Mutter des prominenten Kremlkritikers übergeben. Nawalnys Team plant nun eine öffentliche Trauerfeier – doch die Hürden sind hoch.

Oppositionelle kämpfen um Abschiednahme: „Verboten, mit Nawalnys Team zusammenzuarbeiten“

Russland erlaubte seinen Bürgern nicht einmal einen kleinen Moment der Trauer. Nach Bekanntwerden des Todes von Nawalny hatten sich im Land spontane Gedenkveranstaltungen geformt. Im Stadtzentrum von Moskau etwa standen Menschen trotz großen Polizeiaufgebots Schlange, um an einer Gedenkstelle für Opfer politischer Repression Blumen für den Kremlkritiker niederzulegen. Auch in St. Petersburg, Jekaterinburg und Nischni Nowgorod gab es ähnliche Bilder. Mindestens hundert Menschen wurden bei den Gedenkveranstaltungen festgenommen, berichtete die Bürgerrechtsorganisation Ovd-Info.

Der russische Präsident Wladimir Putin fürchtet offenbar selbst den toten Nawalny. Eine Trauerfeier, die zum Auslöser größerer Proteste gegen Putin werden könnte, dürfte dem Kremlchef vor der Präsidentenwahl Mitte März äußerst ungelegen kommen. Genau das plant nun aber sein Team. „Seit gestern sind wir auf der Suche nach einem Zimmer, in dem wir uns von Alexey verabschieden können. Wir haben bei den meisten privaten und öffentlichen Bestattungsunternehmen, Gewerbebetrieben und Bestattungshallen angerufen“, schrieb Nawalnys frühere Pressesprecherin Kira Jarmysch am Dienstag (27. Februar) auf der Plattform X (vormals Twitter). Der Termin sei für Ende der Arbeitswoche geplant.

Das gestaltet sich jedoch schwierig, ergänzt die Oppositionelle in einem weiteren Beitrag. „Einige von ihnen sagen, der Ort sei ausgebucht. Einige weigern sich, wenn wir den Nachnamen ‚Nawalny‘ erwähnen“, so Jarmysch weiter. Von anderer Stelle hieß es, den Bestattungsunternehmen sei es verboten, mit Nawalnys Team zusammenzuarbeiten. „Nach einem Tag der Suche haben wir die Abschiedshalle immer noch nicht gefunden“, so ihr vorläufiges Fazit. Wer einen geeigneten Ort kenne, solle das Team kontaktieren, rief auch die Anti-Korruptions-Aktivistin und Chefin von Nawalnys Anti-Korruptionsfond, Maria Pevchikh, zur Mithilfe auf.

Nawalny verlängert die Liste der Opfer Putins – ein Überblick

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny war über Jahre der markanteste Kopf der russischen Opposition. Schon früh prangerte der Rechtsanwalt das Machtlager von Präsident Wladimir Putin offen als „Partei der Gauner und Diebe“ an.  © Andrei Zhilin/afp
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Alexej Nawalny
2013 trat er als Bürgermeisterkandidat in Moskau an und erreichte mit 27 Prozent der Stimmen den zweiten Platz. Später organisierte er Massenproteste im ganzen Land, besonders aber in Moskau. 2018 wollte Nawalny selbst Präsident werden, doch die Justiz schob ihm einen Riegel vor. Wiederholt wurde er wegen Betrugs- und Diebstahlsvorwürfen vor Gericht gestellt und verurteilt. © Kirill Kudryavtsev/afp
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny
Im August 2020 brach Nawalny bei einer Reise zusammen und fiel ins Koma. Grund war eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok, wie Untersuchungen an der Charité in Berlin bewiesen. © Instagram account @navalny/afp
Alexej Nawalny
Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er erneut vor Gericht gestellt und unter anderem wegen angeblichem „Extremismus“ zu 19 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Im Dezember 2023 folgte die Verlegung in ein Lager hinter dem Polarkreis. Am 16. Februar 2024 starb Nawalny nach Justizangaben in dem Straflager. Er sei nach einem Hofgang zusammengebrochen, teilte die Gefängnisverwaltung mit.  © Vera Savina/afp
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire
Jewgeni Prigoschin
Jewgeni Prigoschin war in Russland als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit bekannt. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb war Prigoschin, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als „Putins Koch“ bekannt. Niemand sonst in Russland traute sich solche Kritik wie Prigoschin © ITAR-TASS/Imago
Jewgeni Prigoschin
Über Monate hinweg legte sich Jewgeni Prigoschin mit der Militärführung in Moskau an. Immer wieder warf der Chef der russischen Privatarmee Wagner dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Wladimir Putin zu belügen. Mit einem bewaffneten Aufstand seiner Privatarmee forderte Prigoschin aber auch Putin selbst heraus. © Sergey Pivovarov/Imago
Jewgeni Prigoschin
Nach seinem gescheiterten Aufstand sahen Fachleute den Söldnerchef aber dem Tode geweiht. Kremlchef Putin hatte die Kämpfer um seinen Ex-Vertrauten als Verräter bezeichnet. Tatsächlich starb Prigoschin zwei Monate nach seiner Meuterei gegen die russische Staatsmacht im August 2023 bei einem Flugzeugabsturz in Russland. © Imago
Boris Nemzow
Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow galt als einer der schillerndsten und mutigsten Politiker Russlands. Feinde machte er sich vor allem mit seiner Kritik an der Ukraine-Politik von Kremlchef Wladimir Putin. Er wurde zur Galionsfigur der zersplitterten Opposition und galt als Unterstützer der Richtung Westen strebenden Ukraine. © Oxana Onipko/afp
Boris Nemzow
Nemzow wurde im Februar 2015 durch mehrere Schüsse in den Rücken aus einem Auto heraus erschossen. Der Mord wirft noch immer viele Fragen auf. Die EU drängte Russland wiederholt dazu, den Fall weiter aufzuklären. Ein Gericht in Moskau verurteilte 2017 den mutmaßlichen Mörder und vier Komplizen aus dem Nordkaukasus zu langen Haftstrafen. Nemzows Familie beklagte, dass nach den Drahtziehern nie wirklich gesucht worden sei. © afp
Boris Nemzow
In den 1990er Jahren hatte sich Nemzow als liberaler Reformer in Russland einen Namen gemacht. Präsident Boris Jelzin (rechts im Bild) holte ihn einst in die Regierung nach Moskau. Nemzow war zeitweilig auch als Präsidentenanwärter gehandelt worden. „Ich bin liberal, was Wirtschaftsfragen angeht, aber für eine starke Staatsmacht in der Politik“, sagte er einmal. © TASS/afp
Alexander Litwinenko
Der Putin-Kritiker Alexander Litwinenko starb im November 2006 in London nach einem Anschlag mit dem radioaktiven Gift Polonium 210. Einem Untersuchungsbericht zufolge soll ihm das Strahlengift in einem Londoner Hotel in den Tee gemischt worden sein. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit siechte Litwinenko tagelang dahin. Vom Krankenhausbett beschuldigte er Putin, hinter dem Anschlag zu stecken. Die britische Justiz sieht es ebenfalls als bewiesen an, dass die Spur in hohe politische Kreise in Moskau führt. Russland weist dies zurück. © Sergei Kaptilkin/dpa
Anna Politkowskaja
Die Journalistin Anna Politkowskaja machte sich als Kritikerin der Kriege in Tschetschenien einen Namen. Die Mitarbeiterin Oppositionszeitung Nowaja Gaseta berichtete über Kriegsverbrechen der russischen Armee und der verbündeten tschetschenischen Gruppen und sprach von einem „schmutzigen Krieg“. Häufig musste sie sich gegen Drohungen wehren. Am 7. Oktober 2006 wurde sie vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Politkowskajas Familie vermutet ein politisches Motiv für die Tat.  © Imago
Boris Beresowski
Die Serie von mitunter rätselhaften Todesfällen, hinter denen russische staatliche Stellen vermutet werden, ist noch sehr viel länger. Der Oligarch Boris Beresowski (Mitte) fiel nach dem Machtantritt Putins in Ungnade und floh nach Großbritannien. Am 23. März 2013 wurde Beresowski tot im Bad seines Hauses in Ascot gefunden.  © Shaun Curry/afp
Pawel Scheremet
Im Juli 2016 kam der russische Exil-Journalist Pawel Scheremet in Kiew durch eine Autobombe ums Leben. Scheremet engagierte sich während der Maidan-Proteste 2013/2014 in Kiew aufseiten der prowestlichen Kräfte und wurde später Redakteur beim renommierten Internetportal Ukrainskaja Prawda. © Dmytro Larin/afp
Denis Woronenkow
2017 wurde der abtrünnige russische Abgeordnete Denis Woronenkow auf offener Straße in Kiew erschossen. Auch sein Fall wurde nie aufgeklärt. © ITAR-TASS/Imago
Sergej Magnizki
Sergej Magnizki starb 2009 unter ungeklärten Umständen in einem Moskauer Gefängnis. Angeblich wurde der Anwalt, der nach eigenen Angaben einen Steuerbetrug aufgedeckt hatte, zu Tode geprügelt. Medizinische Hilfe wurde im verweigert.  © HO/Hermitage Capital Management/afp
Baburowa/Markelow
Die Journalistin Anastassija Baburowa und der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow wurden 2009 auf der Straße in Moskau erschossen. Für die Tat wurden ein Rechtsextremist und eine Komplizin zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten ihre Schuld bestritten. © ITAR-TASS/Imago
Natalia Estemirowa
Die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa wurde 2009 in der Konfliktregion Nordkaukasus erschossen aufgefunden. Mit Berichten über das Verschwinden von Zivilpersonen in dem Gebiet hatte sie sich wiederholt den Zorn der Machthaber zugezogen. © Memorial/afp
Sergej Juschenkow
Eines der ersten Todesopfer war Sergej Juschenkow. Der Duma-Abgeordnete wurde im April 2003 in Moskau erschossen. Juschenkow war der Staatsführung ein Dorn im Auge, wenngleich der Politiker über wenig Macht und Einfluss verfügte.  © Roman Mukhamedzanov/Vremya Novos/afp

Kreml fürchtet öffentliche Trauerfeier: „Putin will das verhindern“

Eine Aufforderung der Ermittler, einer heimlichen Beerdigung zuzustimmen, hatte die Mutter des Kremlkritikers eigenen Angaben zufolge abgelehnt und den Behörden öffentlich Erpressung vorgeworfen. Der Kreml bestritt dies. Es ist unklar, ob es den Nawalny-Anhängern gelingt, eine derartige Trauerfeier zu organisieren. Nawalnys Team ist sich dessen offenbar bewusst. „Putin will das verhindern. Putin will diese Bilder nicht“, sagte Maria Pevchikh dazu in einer Videobotschaft. Die russischen Behörden würden eine solche Veranstaltung sehr fürchten.

Selbst der tote Nawalny stelle für den Kremlchef eine große Gefahr dar, so die Anti-Korruption-Aktivistin weiter. Denn man könne „Menschen nicht auf dem Friedhof festnehmen“, es sei schwer, der russischen Öffentlichkeit solche Bilder zu vermitteln. „Bringen Sie die Beerdigung auf die Straße“, schlug dementsprechend ein Nutzer auf der Plattform X dazu vor. Wenn ganz Russland Angst habe, mit Nawalnys Team zusammenzuarbeiten, solle die Trauerfeier in der Nähe des Kreml auf der Straße stattfinden, so der Vorschlag weiter.

Nawalnys Team gab am Montag bekannt, dass der Kremlgegner in Kürze gegen den Tiergartenmörder ausgetauscht werden sollte. Indes geht die Unterdrückung von Kritikern und Andersdenkenden in Russland weiter. Oleg Orlow, der einst die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation Memorial mit leitete, kritisierte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf. Nun muss er zweieinhalb Jahre in Lagerhaft.