Instinktive Elternschaft
Nur mit Intuition erziehen? Die Pros und Cons im Überblick
VonJasmina Deshmehschließen
Bedürfnisorientiert, streng oder instinktiv? Welche Vorteile und Risiken es haben kann, Kinder nur nach Gefühl zu erziehen.
Beiträge in Sozialen Medien, gutgemeinte Ratschläge von Freunden und Verwandten und reihenweise Erziehungsratgeber: Eltern steht heute eine Fülle an Informationen zum Thema Erziehung zur Verfügung. Von bindungsorientierter Koala-Erziehung, über Panada-Eltern, die ihren Kindern möglichst viel Freiraum lassen wollen, bis hin zu Rasenmäher-Eltern, die sogar die Hausaufgaben ihrer Kinder erledigen – Erziehungsstile gibt es viele und den passenden für die eigene Familien zu finden, fällt vielen Eltern nicht leicht. Einige sind auch der Meinung, keine Einflüsse von außen zu benötigen, um gute Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen. Sie vertrauen allein auf ihr Gespür und erziehen ihre Kinder instiktiv. Welche Vorteile, aber auch Nachteile das haben kann.
Was zeichnet instinktive Elternschaft aus?
Die Grundidee der instinktive Elternschaft ist, dass Eltern bereits ein gutes Gefühl dafür haben, was ihr Kind braucht und was ihm guttut. Dafür benötigen sie nach eigener Auffassung keine Ratschläge von außen. Zudem gäbe es in ihrem Erleben keine allgemeingültigen Erziehungsregeln, da jede Familie, jedes Kind und jeder Elternteil individuell ist, beschreibt es die Autorin Lauryn Higgins in einem Beitrag des Magazins parents.com.
In der Praxis kann sich das etwa durch den Beschützerinstinkt äußern (Eltern erkennen Gefahren und versuchen, sie abzuwenden) oder indem Eltern sofort auf die Bedürfnisse und das Verhalten ihres Kindes reagieren – zum Beispiel es füttern, wenn es hungrig ist, egal, welche Vorgaben ihnen dabei gemacht wurden (Thema Stillen). Auch körperliche Nähe („Bonding“) kann als Teil instinktiver Elternschaft verstanden werden. Ein weiteres Merkmal ist das große Vertrauen, das instinktiv erziehende Eltern in ihre Fähigkeiten als Eltern haben.
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„Ein instinktiver Elternteil vertraut sowohl auf seine eigenen Fähigkeiten als Eltern als auch auf das inhärente Streben des Kindes, sich in seinem eigenen Tempo zu entwickeln“, erklärt Joseph Laino, Psychologe am NYU Langone Health, gegenüber parents.com. Sie widersetzen sich aktuellen Erziehungstrends, wenn diese nicht mit dem eigenen instinktivem Gespür übereinstimmen.
Welche Vor- und Nachteile kann instinktive Elternschaft haben?
Wie vieles im Leben sei instinktive Erziehung nicht ausschließlich positiv oder negativ zu sehen, so der Psychologe Laino. Doch es gäbe einige Vorteile:
- Instinktive Eltern reagieren einfühlsam und empathisch auf die Bedürfnisse und Verhaltensweisen des Kindes. Auch wenn es gerade einen Wutanfall oder andere starke Gefühle durchlebt. Das kann die Eltern-Kind-Bindung stärken.
- Instinktive Erziehung ist so individuell wie die Eltern und das Kind selbst. Kinder instinktiver Eltern könnten sich besonders gesehen und verstanden fühlen.
- Instinktive Elternschaft kann Eltern dahingehend entlasten, jede neue Entwicklung auf dem Gebiet der Erziehung berücksichtigen zu müssen und sich mit teils widersprüchlichen Meinungen auseinandersetzen zu müssen.
Ebenso kann diese Form der Erziehung aber auch Nachteile haben, abhängig von der Vorgeschichte eines Elternteils. Etwa, wenn Erfahrungen und Erziehungsmuster aus der eigenen Kindheit unreflektiert übernommen werden. Ist ein Elternteil in einem toxischen oder traumatischen familiären Umfeld aufgewachsen, braucht es möglicherweise externe Hilfe, um das eigene Kind anders zu erziehen.
Weitere Nachteile sind:
- Da instinktive Erziehung aus dem Bauch heraus erfolgt, sind die Reaktionen der Eltern auf das Verhalten des Kindes möglicherweise nicht konsistent und für das Kind verwirrend.
- Instinktiv erziehenden Eltern könne laut Laino auch der Anker fehlen, was zu einem Gefühl der Unsicherheit, zu Druck und Hilflosigkeit führen kann.
Auf die Gefühle des Kindes eingehen, Routinen und feste Regeln etablieren
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, instinktive Erziehung mit externen Erziehungsimpulsen zu vereinen. Schließlich sind viele Erziehungsentscheidungen komplex und nicht immer gibt es „die eine Lösung“. Eltern sollten deshalb keine Scheu haben, sich Unterstützung zu suchen, wenn das Bauchgefühl keine Antwort liefert. Zum Beispiel von einer Fachkraft, wie einer Psychologin oder eines Psychologen oder von Kinderärzten, rät Autorin Lauryn Higgins. Ratschläge aus dem Umfeld müssten schließlich nicht alle befolgt werden, es sei aber hilfreich, verschiedene Optionen zu kennen.
Wichtig sei auch, mit dem Kind in Kontakt zu sein, um effektiv auf Spannungen und Konflikte zu reagieren. Vorhersehbare Routinen und Alltagsregeln geben dem Kind Sicherheit und lassen es wissen, welches Verhalten von ihm erwartet wird.
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