Militärische Hilfe
Leopard-Panzer aus NRW in der Ukraine zerstört: Bundeswehr wartet auf neue Panzer
VonMarvin K. Hoffmannschließen
Die von Deutschland an die Ukraine gelieferten Leopard-Panzer sind offenbar größtenteils zerstört. Eine Rückkehr in deutsche Bestände war nie vorgesehen. Soldaten aus NRW hoffen auf Ersatz.
Augustdorf/Hamm – Ein „wichtiger Gamechanger“ sollte die Lieferung der zunächst 14 (und später 18) Kampfpanzer des Typs Leopard 2 aus deutschen Beständen an die Ukraine für deren Verteidigung gegen den völkerrechtswidrigen und abscheulichen russischen Angriffskrieg sein. Das jedenfalls hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Anfang 2023 gesagt, als diese militärische Hilfe für die Ukraine beschlossen wurde. Fast genau zwei Jahre ist das jetzt her.
Leopard-Panzer aus NRW in der Ukraine zerstört: Deutsche Soldaten müssen sich umgewöhnen
Die Panzer aus NRW konnten aber nicht die entscheidende Wende im Krieg bringen – die meisten davon, vielleicht sogar alle, sind mittlerweile zerstört, nicht mehr einsatzbereit, auf dem Schlachtfeld zurückgelassen oder gar von russischen Truppen erbeutet worden.
Dass diese Panzer irgendwann nach Kriegsende wieder in deutsche Bestände zurückgehen, war ohnehin nie geplant. „Die an die Ukraine gelieferten 18 Kampfpanzer sind in deren Bestand übergegangen. Fragen zum Verbleib bitte ich daher direkt an die Ukraine zu richten“, erklärt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums auf wa.de-Nachfrage.
Von Seiten der ukrainischen Behörden steht eine Antwort auf mehrfache Anfrage (Stand: 28. Februar) noch aus. Aufschluss darüber, was mit dem Kriegsgerät aus dem einstigen Bestand des Panzerbataillons 203 in Augustdorf (NRW) geschehen ist, könnte allerdings die Zählung des unabhängigen Dokumentationsprojektes „Oryx“ geben.
Viele Leopard-Panzer auf NRW in der Ukraine zerstört
Demzufolge seien sieben Leopard-Panzer zerstört, vier (schwer) beschädigt sowie zwei weitere beschädigt und zurückgelassen worden. Insgesamt wären demnach 13 Leopard-Panzer des Typs 2A6 nicht mehr einsatzbereit. Überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. „Oryx“ gilt aber als extrem seriös und gewissenhaft. Betrieben wird die Seite von Stijn Mitzer und Joost Oliemans, die unter anderem für das renommierte Recherche-Kollektiv „Bellingcat“ aktiv waren. Auf der niederländischen Open-Source-Intelligence-Website (OSINT) listen sie alle Verluste von Kampffahrzeugen in der Ukraine auf, die bildlich dokumentiert sind. Die tatsächliche Zahl der Verluste könnte also sogar höher sein – zumal auch nicht klar ist, wie aktuell die Zahlen sind.
#Ukraine: A Ukrainian Leopard 2A6 tank was destroyed by Russian forces during fighting in #Zaporizhzhia Oblast. pic.twitter.com/XmcUbVkaUu
— Polymarket Intel (@PolymarketIntel) July 3, 2023
Technische Daten – das ist der Leopard 2 A6 A1:
| Panzertyp | Leopard 2 A6 A1 |
|---|---|
| Maße | Länge 10.970 mm / Breite 3.790 mm / Höhe 3.030 mm |
| Leistung/Höchstgeschwindigkeit | 1.103 kW bzw. 1.500 PS / bis zu 68 km/h |
| Antrieb | 12-Zylinder-Diesel MTU MB 873 |
| Gewicht | 62 Tonnen |
| Reichweite | ca. 500 km Straßenfahrt und ca. 161 km im Gelände |
| Bewaffnung | 120-mm-Glattrohrkanone mit 42 Schuss / zwei MG3 mit 4.750 Schuss |
| Schussweite | 2.500 Meter (bis zu 4.000 Meter sind möglich) |
Dass die Ukrainer mitunter herbe Verluste bei den Panzern (wie auch den anderen Truppengattungen) hinnehmen mussten, war unterdessen länger bekannt. Schon vorab hatte es Zweifel gegeben, da der Kriegsverlauf Militärexperten zufolge eher „statische Artillerie“ erfordert hätte. Die Leopard-Panzer, die auf schnelle Manöver und ein Zusammenspiel aus Feuer und Bewegung ausgelegt sind, waren möglicherweise nicht immer das richtige Mittel der Wahl – und wurden dadurch vielleicht sogar „falsch“ eingesetzt. Auch ist es dem Vernehmen nach von Beginn an zu logistischen Problemen bei Wartung und Reparaturen gekommen: Oft fehlten offenbar schlichtweg Erfahrung und nötige Ersatzteile.
Bundeswehrsoldaten in NRW warten auf neue Panzer als Ersatz
Ersatz. Das ist auch ein Thema bei der Bundeswehr. Das Panzerbataillons 203 in Augustdorf wartet nämlich genau darauf. Deutschland hat zur Wiederbeschaffung im Mai 2023 18 Fahrzeuge des modernsten Kampfpanzers Leopard 2 A8 beauftragt. Die Rüstungsindustrie erlebt einen Boom. „Die moderneren Kampfpanzer 2 A8 sollen zwischen 2025 und 2026 ausgeliefert werden“, schreibt die Bundeswehr. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärt dazu: „Produktion und Auslieferung erfolgen so rasch wie möglich.“
Das Panzerbataillon 203 in Augustdorf
1956 wurde das Panzerbataillon 203 als Panzergrenadierbataillon 13 im schleswig-holsteinischen Schleswig aufgestellt. Ab 1957 war der Verband im nordrhein-westfälischen Hemer stationiert. Nach mehreren Umbenennungen und Umgliederung zum Panzerbataillon zog die Truppe geschlossen in die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne nach Augustdorf in Nordrhein-Westfalen um. Das Bataillon hat circa 600 Angehörige in insgesamt sechs Kompanien. Eine davon, die „2. Kompanie“ gab „ihre“ Leopard-Panzer an die Ukraine ab.
Auf viele Neuerungen müssen sich die Soldatinnen und Soldaten des Deutschen Heeres dabei wohl nicht einstellen. Neu ist das Trophy-System, das den moderneren Kampfpanzer vor anfliegenden Geschossen und Lenkflugkörpern besser schützen soll. „Mit seinen Sensoren und Werfern bildet es einen unsichtbaren Schutzschild um das schlagkräftige Waffensystem der Panzertruppe“, heißt es. Auch bekommt unter anderem der Motor etwas mehr Power, soll jetzt circa 1600 PS stark sein. Die Bedienoberfläche im Innern könnte sich zudem nach wa.de-Informationen geringfügig von Vorgängermodellen unterscheiden.
Hersteller KNDS hält sich auf wa.de-Anfrage zum genauen Liefertermin bedeckt. Für die Soldatinnen und Soldaten in Augustdorf sowie die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wäre eine schnellstmögliche Auslieferung der neuen Panzer jedenfalls sinnvoll. Ausbildung und Training dürften aufgrund der fehlenden Materialien leiden. Aus gut informierten Kreisen ist zu vernehmen, dass schließlich auch noch die Simulatoren für Trainingszwecke entsprechend auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Das Verteidigungsministerium selbst hält sich zurück: „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aus Gründen der Militärischen Sicherheit nicht zum Bestand von Kampfpanzern und zur Ausbildung des Panzerbataillons 203 äußern können.“ Ein Sprecher des Heeres erklärte zudem gegenüber wa.de, dass „Detailfragen“ aus Gründen der „operativen Sicherheit“ nicht beantwortet werden könnten.
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