Der Song ist „nicht das Problem“

Jetzt verbietet auch Hamburger Fanzone „L‘amour toujours“ – Rechtsextremismusexperte hält davon nichts

  • Felicitas Breschendorf
    VonFelicitas Breschendorf
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Nach dem Skandal auf Sylt soll in mehreren EM-Fanzonen der Song von Gigi D‘Agostino nicht mehr gespielt werden. Aber ist das gerechtfertigt?

Fußballfans, die zu dem Song „L‘amour toujours“ feiern – in Stadien keine Seltenheit. Der Party-Hit ist nicht nur auf Festivals oder an Karneval beliebt, sondern auch bei Fußballspielen. Junge Menschen grölten zu der Melodie an Pfingsten rassistische Parolen auf Sylt – das Video ging viral.

Die Veranstalter der Hamburger Fan-Zone wollen den Song deshalb während der Europaweltmeisterschaft 2024 verbieten, wie eine Sprecherin BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA mitteilte.

Weitere Fanzonen in Deutschland verbieten „L‘amour toujours“

„Wir wollen zur EM ein friedliches, internationales, diverses und weltoffenes Festival in Hamburg feiern – gemeinsam mit Menschen aller Nationen. Hier ist kein Platz für Ausgrenzung und rechtsextreme Parolen“, heißt es zur Begründung. Das große Public Viewing in der Hamburger Fan-Zone findet auf dem Heiligengeistfeld statt.

Mit der Entscheidung zum Verbot ist die Stadt nicht alleine. Auf der offiziellen Berliner Fanmeile am Brandenburger Tor soll „L‘amour toujours“ auch nicht gespielt werden, heißt es in einem Bericht von Zeit Online. In der Stuttgarter Fanzone zur Fußball-Europameisterschaft soll das Lied auch nicht für rechtsextreme Gesänge genutzt werden können. Auf Volksfesten wie dem Oktoberfest ist „L‘amour toujours“ ebenfalls verboten.

„Hab den Text übersetzt. Da geht’s nur um Liebe. Mir ist unerklärlich, dass der Song verboten wird“, kommentiert eine Userin einen Instagram-Beitrag des italienischen DJ Gigi D`Agostino. Auch er selbst äußerte sich nach dem Vorfall in Sylt, dass es in „L‘amour toujours“ (auf Deutsch „Immer Liebe“) um ein „wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet“ gehe.

Die Fan-Zone in Hamburg bei der WM 2018.

Rechtsextremismus-Experte hält nichts von den Verboten

Sind die Verbote in den Fan-Zonen während der EM also überhaupt gerechtfertigt? Um die Frage zu beantworten, muss man den Blick weniger auf den Song, als auf die Fußballfans selbst richten. Mehrere Studien würden zeigen, dass bei Fußball-Großereignissen nationalistische Einstellungen zunehmen. Das hat etwas mit dem „stärkeren Wir-Gefühl“ in der Zeit zu tun, erklärt Robert Lüdecke von der Amadeu Antonio Stiftung BuzzFeed News Deutschland. Bei Fußball-Großereignissen ist es typisch, dem eigenen Land zuzujubeln und die anderen abzuwerten.

Der Rechtsextremismus-Experte hält es für wahrscheinlich, dass es zu rassistischen Ausschreitungen kommt, sollte der Song bei der EM gespielt werden. „Fanmeilen, Public Viewings und ähnliche Events verknüpfen das Sportereignis mit Partystimmung, Musik und Alkohol. In solchen Settings kommt es erfahrungsgemäß zu einem Party-Patriotismus. Wenn dann der Gigi D’Agostino-Song gespielt wird, müssen wir damit rechnen, dass wir das ‚Deutschland den Deutschen‘-Gegröle häufiger hören“, sagt er.

Lüdecke hält jedoch nichts davon, Songs grundsätzlich zu verbieten. „Letztlich ist nicht der Song das Problem, sondern die rassistischen Einstellungen der Menschen, die ihn für ihre rassistischen Gesänge missbrauchen. Veranstalter sollten sich aber bewusst sein, dass sie mit dem Lied den Weg zu solchen Entgleisungen frei machen.“ Am Ende müssten sie selbst entscheiden, „ob sie dieses Risiko eingehen wollen oder schlimmstenfalls bewusst wählen“.

Rubriklistenbild: © Chris Emil Janssen/ Imago

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