Am Pfingstwochenende ist auf Sylt ein Video entstanden, das junge Erwachsene zeigt, die „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus!“ singen.
+
Am Pfingstwochenende ist auf Sylt ein Video entstanden, das junge Erwachsene zeigt, die „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus!“ singen.

„Komplett verharmlost“

Rassistische Parolen „ohne Scham“: Was einen Experten am Video aus Sylt überrascht

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
    schließen
  • Pia Seitler
    Pia Seitler
    schließen

In einem Lokal auf Sylt grölt eine Gruppe junger Menschen rechtsradikale Parolen. Reichtum schützt nicht vor rassistischem Denken, sagt ein Rechtsextremismus-Experte.

Sylter Austern mit Chesterbrot und Vinaigrette schlürfen und bei Sonnenuntergang Nazi-Parolen grölen: Ein Video, das sich am Donnerstagabend, 23. Mai, auf Social Media verbreitete, hat für viel Empörung gesorgt. Zu sehen sind darin mehrere junge Menschen beim Feiern, vermutlich auf der Terrasse des Sylter Lokals „Pony“.

Nazi-Gesänge in Edellokal „Pony“ auf Kampen: Club kündigt Konsequenzen an

Mindestens Teile der abgebildeten Personen grölen rechtsextreme Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ oder „Ausländer raus“ zur Melodie des 23 Jahre alten Popsongs „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino. Zudem liege der Verdacht vor, dass durch eine Person der Hitlergruß gezeigt werde, teilt die Polizei Sylt mit, die das Video prüft.

Das Lokal Pony im Sylter Nobel-Urlaubsort Kampen distanzierte sich in der Nacht zu Freitag von den Gästen und kündigte Konsequenzen an. „Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!“, schrieben die Betreiber des Lokals auf Instagram.

Rassistische Parolen auf Sylt „ohne jegliche Scham“

Im Winter 2023 erschienen auf TikTok erste Videos, auf denen junge Menschen solche Nazi-Parolen singen. Der TikTok-Trend hat seinen Ursprung mutmaßlich im 315-Einwohner-Dorf Bergholz in Mecklenburg-Vorpommern. Dort tauchte im Oktober das Video einer Gruppe Männer auf, die „Ausländer raus“ in jener Melodie grölten, wie unter anderem der NDR berichtete.

„Mit solchen Trends wird Volksverhetzung als Spaß oder harmlose Provokation abgetan“, sagt Robert Lüdecke von der Amadeu-Antonio-Stiftung BuzzFeed News Deutschland, von IPPEN.MEDIA. Sie animierten zum Nachmachen, auch wegen der eingängigen Melodie. Dass Menschen sich vor der Kamera dabei zeigen würden, wie sie das Lied singen, zeige, „wie akzeptiert und ohne jegliche Scham man mittlerweile zu derlei menschenfeindlichen Texten steht.“

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

„Dass wohlhabende junge Leute solche Parolen singen, kommt nicht überraschend. Reichtum schützt nicht vor rassistischem Denken“, sagt Lüdecke. „Überraschend ist eigentlich nur, dass diese Leute ohne jede Hemmungen ihre Gesichter in die Kamera halten, weil sie offenbar gar keine Konsequenzen fürchten und zu ihrem Rassismus ganz offen stehen“, sagt Lüdecke. Dass rechte Jugendliche in Dorfdiskos oder auf Karnevalszügen rassistische Parolen grölen, kennen wir, sagt Lüdecke. Nur bei Wohlhabenden, da würden Nazi-Parolen meist nicht in der Öffentlichkeit stattfinden.

Experte vermutet nach Sylt-Eklat: „Werden solche Videos öfter zu sehen bekommen“

„Das Problem liegt darin, dass bei den kursierenden Videos niemand widerspricht und das Lied mit den rassistischen Textzeilen als Partysong Verbreitung findet und so komplett verharmlost wird“, sagt Lüdecke BuzzFeed News Deutschland. Auf sozialen Medien wie TikTok verbreiteten sich solche Inhalte „rasend schnell“. Dabei sei egal, ob Personen sie mit kritischen Kommentaren oder ohne teilen. Die problematische Szene werde trotzdem weiter verbreitet. „Der Rassismus in den Videos lässt sich auch verurteilen, ohne das Video zu teilen“, kritisiert Lüdecke.

„Ob Sachsen oder Sylt: Deutschland hat ein Problem mit Rassismus und Nationalismus.“ Gerade vor der anstehenden Europawahl sei das ein Grund zu großer Sorge. „Mit Blick auf die Fußball-EM können wir damit rechnen, dass wir solche Videos wohl öfter zu sehen bekommen“, sagt der Experte.

Mehr zum Thema