Wirtschaftsweise
Umverteilungspläne in der Rentenversicherung: Gutverdiener zahlen, Geringverdiener profitieren
VonMarcel Reichschließen
Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats, sorgt erneut für Aufsehen. Diesmal sind Rentnerinnen und Rentner im Fokus ihrer radikalen Reformvorschläge.
Berlin – Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer gilt beim Thema Rente als meinungsstark. Zurecht, wie die 62-Jährige nun erneut unter Beweis stellt. Im vergangenen Jahr übergab sie als Vorsitzende das Jahresgutachten des Sachverständigenrats an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und stellte Pläne zur Umverteilung vor. Damals stand eine Steuererhöhung für Besserverdiener im Fokus, um finanziell Schwächeren in der Energiekrise unter die Arme zu greifen.
Vorschläge zur Umverteilung der Rente: Streit im Sachverständigenrat
Nun hat Schnitzer ihre Pläne für Rentnerinnen und Rentner präsentiert. Von diesen würden aber nicht alle profitieren. Am Mittwoch übergab der Sachverständigenrat die Pläne an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Um eine Zunahme der Altersarmut zu verhindern, schlägt Schnitzer eine Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung vor: Besserverdiener sollen einen Teil ihrer Rente abgeben, um die Renten von Geringverdienern zu erhöhen.
Dieser Vorschlag habe bereits im Rat zu intensiven Diskussionen geführt, zwei Ratsmitglieder hätten sich gegen den Vorschlag ausgesprochen, wie das Handelsblatt berichtete. Der Graben in der Rentenversicherung tut sich auf, weil immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Rentnerinnen und Rentner bezahlen müssen. Das belaste auch das Wirtschaftswachstum. „Projektionen in unserem Gutachten zeigen: Nehmen wir eine normale Auslastung der Wirtschaft an, wäre über die nächsten Jahre nur noch ein Wachstum von 0,4 Prozent pro Jahr möglich, wenn sich nichts ändert“, sagte Schnitzer dem Handelsblatt.
Schnitzer: 1,5 Millionen Zuwanderer jährlich gegen Arbeitskräftemangel
Schnitzer wiederholte auch ihre Forderung nach mehr Zuwanderung. 1,5 Millionen Zuwanderer brauche es – pro Jahr. Gleichzeitig solle das Rentensystem aber radikal reformiert werden. Das Renteneintrittsalter müsse an die Lebenserwartung geknüpft werden. „Für jedes Jahr mehr Lebenserwartung sollten die Deutschen acht Monate länger arbeiten. Alle zehn Jahre würde sich der Renteneintritt um ein halbes Jahr nach hinten verschieben“, sagte Schnitzer. Und weiter: „Ändert sich im Rentensystem nichts, müssen in Zukunft entweder die Beiträge oder die Steuerzuschüsse immens steigen.“
Und dann machte Schnitzer noch einen „schmerzhaften Vorschlag“, wie sie selbst formulierte, um die Altersarmut vieler Renterinnen und Rentner zu lindern. „Man könnte innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung umverteilen. Nicht nur die junge Generation, auch die Älteren mit guter Rente müssen helfen. Sie können etwas weniger Rente gut verkraften, damit die ärmeren Rentner etwas höhere Renten beziehen könnten.“ Dies würde das Äquivalenzprinzip bei der Rente aushebeln. „Das Solidarprinzip ist eine anerkannte Rechtfertigung für eine solche Durchbrechung“, sagte Schnitzer dazu.
Bürgergeld, Grundrente – für Schnitzer keine Lösungen gegen Altersarmut
Dafür gäbe es zwei Wege, wie Schnitzer erklärte. Je nachdem, wie viele Rentenpunkte man über sein Leben ansammelt habe, schmelze deren Wert ab einer bestimmten Summe ab. „Das hat aber den Nachteil, dass mit zunehmendem Alter der Arbeitsanreiz reduziert wird“, sagte sie. Daher schlug Schnitzer vor, dass Rentenpunkte pro Jahr nicht wie bisher proportional mit dem Einkommen steigen wie bisher. Stattdessen sollten Beschäftigte mit niedrigem Einkommen eine überproportionale Anzahl an Rentenpunkten erhalten, Beschäftige mit höherem Einkommen hingegen unterproportional viele Punkte.
Bürgergeld, Grundrente - all das sind für Schnitzer keine Lösungen für ärmere Rentnerinnen und Rentner: „Wer sein Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, sollte über das Rentensystem abgesichert sein.“ Die Finanzierung ihres Vorschlags sieht Schnitzer in ihrem vorgeschlagenen System selbst verankert. Die Bezieher höherer Renten würden demnach die Hilfe für die Absicherung der Ärmeren vollständig finanzieren. Mit ihren Vorschlägen dürfte Schnitzer erneut für viele Diskussionen sorgen.
Rubriklistenbild: © Bernd von Jutrczenka/dpa
