Deutsche Bahn

Warum die Bahn ständig verspätet ist: Infrastruktur laut Verkehrsministerium nicht das Hauptproblem

  • VonKatharina Bews
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Die Deutsche Bahn gibt der veralteten Infrastruktur die Schuld für die ständigen Verspätungen. Das Verkehrsministerium hingegen sieht das anders. In einem Brief wird das Management der DB zur Verantwortung gezogen.

Berlin – Die Deutsche Bahn bleibt das Problemkind der Bundesregierung. Im vergangenen Halbjahr schrieb der bundeseigene Konzern Verluste von etwa 1,2 Milliarden Euro und kündigte im Zuge dessen massive Stellenstreichungen in den nächsten fünf Jahren an. Mit dem Projekt „Starke Schiene“ will die Bahn das Schienennetz ausbauen und nachhaltig stärken. Denn, für die hohe Unpünktlichkeit des Zugverkehrs macht der Konzern vor allem die marode Infrastruktur verantwortlich. Als „Unsinn“ bezeichnet das ein Experte und auch das Verkehrsministerium zieht andere Schlüsse. Das Schreiben des Ministeriums an ausgewählte Mitglieder des Haushaltsausschusses, das dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, sieht die Schuld vor allem im DB-Management.

Die Deutsche Bahn macht für ihre Unpünktlichkeit vor allem die marode Infrastruktur verantwortlich.

Wenig Glaube des DB-Managements an Umsetzbarkeit des Streckenausbauprojektes

Im vergangenen Jahr kam fast jeder dritte Zugreisende zu spät an seinem Ziel an. Die Unpünktlichkeitsquote der Deutschen Bahn stellt ein großes Problem dar. Dafür zur Rechenschaft gezogen wird vor allem die Bundesregierung: Das Streckennetz sei zu marode und müsse ausgebaut werden, und es werden Investitionen des Staates benötigt. Allein 17 Milliarden Euro des Bundeshaushalts sind in diesem Jahr für die Deutsche Bahn vorgesehen; insgesamt 40 Milliarden Euro werden bis 2030 zugesichert. Mit dem Sanierungsprogramm „S3“ will der Konzern die Pünktlichkeitsquote auf 75 bis 80 Prozent anheben. Im September dieses Jahres lag laut Zahlen der Deutschen Bahn die Quote jedoch bei nur 62,4 Prozent. Dass dieses Ziel erreicht werden kann, glaubt nicht einmal die Mehrheit des DB-Managements.

In einer Umfrage unter den Mitarbeitern der Deutschen Bahn, die alle zwei Jahre durchgeführt wird, gaben nur etwa 30 Prozent der Belegschaft an, an die Umsetzung des Projekts zu glauben. Im oberen Management sind es etwa 35 Prozent, vor zwei Jahren waren es jedoch noch 25 Prozent mehr.

Verkehrsministerium sieht Schuld an hoher Unpünktlichkeit im DB-Betrieb

Die marode Infrastruktur allein sei laut einem Schreiben des Verkehrsministeriums jedoch nicht verantwortlich für die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn. In dem Dokument, das an ausgewählte Mitglieder des Haushaltsausschusses adressiert ist, heißt es, dass mehr als die Hälfte der Verspätungen im Fernverkehr durch ein zu volles Netz, knapp geplante Fahrpläne und Engpässe verursacht wird. Nur etwa 18 Prozent der Verspätungen seien auf das marode Streckennetz zurückzuführen. Zur Analyse herangezogen wurden die Daten von Verspätungen über 15 Minuten der vergangenen drei Halbjahre.

Außerdem liege „in mehr als 90 Prozent der Fälle mehr als eine Verspätungsursache vor“, heißt es in dem Schreiben zu Zügen, die mehr als 15 Minuten zu spät sind. Zwölf Prozent der Verspätungen entfallen dabei auf den Betrieb, die Bereitstellung der Züge und wenig Personal. In elf Prozent der Fälle sind externe Faktoren wie Wetterereignisse oder behördliche Einsätze verantwortlich.

Ein DB-Sprecher schreibt unserer Redaktion hierzu: „Das Schienennetz ist in seinem aktuellen Zustand zu voll, zu alt und zu störanfällig.“ Etwa 80 Prozent der Verspätungsursachen gingen auf die Infrastruktur zurück. Es stimme zwar, dass im vergangenen Jahr 18 Prozent der Verspätungen direkt auf die Infrastruktur zurückgingen, 61 Prozent seien aber aufgrund einer Überlastung des Schienennetzes zustande gekommen.

„Immer dann, wenn sich ein Zug beispielsweise aufgrund einer Baustelle, einer Infrastruktureinschränkung oder einer anderen Störung an der Infrastruktur verspätet und daraus Folgeverspätungen für andere Züge entstehen, handelt es sich um sogenannte belastungsbedingte Verspätungen. Die in den letzten Jahren gestiegene Auslastung des Netzes hat in Verbindung mit dem Sanierungsstau und damit einhergehenden Baustellen dazu geführt, dass sich derartige Störungen auf immer mehr Verkehre auswirken“, erläuterte der Sprecher weiter.

Experte spricht von Versagen des DB-Managements – Drastische Sparmaßnahmen zur Kostendeckung

„Dass die schlechte Infrastruktur an allem schuld ist, ist natürlich Unsinn,“ bestätigt Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin gegenüber dem Handelsblatt. Er glaubt, die Bahn versuche mit dieser Strategie, mehr Geld vom Bund zu erhalten. Er hingegen sieht an „etlichen“ Stellen ein Versagen des DB-Managements.

Im Zuge der Milliardenverluste forderte Verkehrsminister Wissing im September bereits ein Sanierungskonzept von der Deutschen Bahn sowie pünktlichere und besser ausgelastete Züge. Um das Schuldendefizit auszugleichen, muss die Bahn jedoch zu drastischen Sparmaßnahmen greifen. Neben der Ankündigung, 30.000 Stellen zu streichen, werden ab dem nächsten Jahr auch die Bahnpreise erhöht.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war von dem Projekt „Starke Schiene“ die Rede. Nach Angaben der Deutschen Bahn gibt es dieses Programm jedoch nicht, stattdessen sollte von dem Projekt S3 die Rede sein. Wir haben die Stellen korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Wolfgang Maria Weber