Steht Russland vor der Insolvenzwelle?
Trotz massivem Bedarf an Kohle – Haupt-Handelspartner lässt Russland im Regen stehen
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
China beginnt, sich von russischer Kohle zu entfremden, trotz steigendem Bedarf. Russlands Wirtschaft wird zunehmend belastet.
Peking – Nach Beginn des Ukraine-Kriegs war China in vielen Wirtschaftsbereichen für den Westen eingesprungen und hatte sich als unverzichtbarer Handelspartner für Russland herausgestellt. Im Laufe des Jahres 2024 tauchten dann wiederholt Meldungen auf, die ein Umdenken vermuten ließen. Chinesische Großbanken nahmen Abstand von russischen Geldinstituten, ja lehnten sogar Zahlungen ab. Lieferungen per Eisenbahn blieben auf der Strecke, chinesische Hafenbetreiber sperrten ihre Häfen aus Angst vor Sanktionen für russische Schiffe. Jetzt trifft es eine weitere Branche.
China verzichtet auf Putins Kohle – und schwächt Russlands Wirtschaft
China fährt seine Kohleimporte aus Russland zurück – und das, obwohl der heimische Bedarf nach wie vor steigt. Stattdessen kauft das Land lieber in Australien und in der Mongolei ein. Das berichtete die Moscow Times unter Berufung auf chinesische Zollinformationen. Diese Entwicklung stellt einen weiteren Schlag gegen die russische Kohleindustrie dar, die auch so schon Verluste in Milliardenhöhe zu beklagen hat und angeblich vor einer Insolvenzwelle steht.
Im Detail sieht das so aus: Der Anteil russischer Kohle an Chinas Kohleimporten sank, obwohl der chinesische Bedarf um 14 Prozent anstieg. Insgesamt soll es sich um eine Verminderung der russischen Kohleimporte nach China um rund sieben Prozent handeln. Im selben Zeitraum (2023 auf 2024) stiegen die Exportvolumen von Kohle aus der Mongolei (plus 18 Prozent) und Australien (plus 60 Prozent) deutlich.
Laut dem Nachrichtenportal Bloomberg zeige diese Entwicklung, wie sich das Handelsverhältnis zwischen Australien und China verbessert habe. Trotz aller strategischen Bande zwischen Moskau und Peking – und der viel zitierten Partnerschaft im Rahmen des BRICS-Bündnisses – verliert Russland seine Anteile am Export, weil seine Kohle schlichtweg zu teuer ist. Neue US-Sanktionen könnten die Attraktivität russischer Kohle gegenüber chinesischen Käufern im laufenden Jahr noch weiter senken.
Kohlebedarf steigt drastisch – China fährt Einkäufe hoch
China gilt als einer der größten Kohleimporteure der Welt. Seine Einkäufe beliefen sich im Jahr 2024 auf rund 547,2 Millionen Tonnen, ein Rekordanteil von 41 Prozent an der weltweit gehandelten Kohle. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Montag (20. Januar). An sich ist der Handel mit Russland weiterhin stark – im Jahr 2024 hatten China und Russland Waren im Wert von insgesamt 1,74 Milliarden Yuan (rund 232 Milliarden Euro) gehandelt.
„Der Anstieg der Kohleimporte Chinas im Jahr 2024 wurde durch den Rückgang der Preise für Seekohle unterstützt, was die Importarbitrage in Bezug auf Chinas inländisches Angebot für eine breitere Palette von Kohlearten förderte“, zitierte Reuters Toby Hassall, leitender Kohleanalyst bei LSEG, und fügte hinzu, dass das Wachstum im Jahr 2024 gestiegen sei.
Kein Wunder: Das Land benötigt Unmengen an Kohle. Der Internationalen Energieagentur zufolge machte Kohleenergie im Jahr 2022 noch 61 Prozent der chinesischen Energieversorgung aus. Zwischen 2000 und 2022 war dieser Anteil um 247 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum hatte China seine eigene Kohleproduktion drastisch hochgefahren und produzierte 2022 etwa 214 Prozent mehr Kohle als noch im Jahr 2000. Dabei handelt China offensichtlich eher nach Preis als nach einer etwaigen ideologischen Verbindung zu Russland.
Probleme für Russlands Wirtschaft – Insolvenzen in Kohle-Branche erwartet
Was das Ganze für den russischen Präsidenten Wladimir Putin umso bitterer macht: Kohlebriketts gehörten 2022 zu den drei wichtigsten Exportgütern, die von Russland aus nach China gelangten. Laut dem Observatory of Economic Complexity gehörten insgesamt dazu:
| Exportgut | Exportvolumen (in US-Dollar) |
|---|---|
| Rohöl | 51 Milliarden |
| Kohlebriketts | 9,64 Milliarden |
| Erdölgas | 9,5 Milliarden |
In der zweiten Jahreshälfte 2024 waren Warnungen aufgetreten, dass die russische Kohleindustrie vor massiven Problemen steht. AC TEK, ein russisches Analysehaus, das unter dem Energieministerium steht, hatte eine düstere Einschätzung veröffentlicht. Westliche Sanktionen und chinesische Zölle auf russischer Kohle würden dazu beitragen, dass die ganze Branche leide. Von westlichen Sanktionen gehe ein immer größeres Risiko für die russisch-chinesischen Handelsbeziehungen aus. Problematisch daran ist auch, dass Russland eine Abhängigkeit zu China aufgebaut hat. Das „Reich der Mitte“ hatte in vielen Fällen dafür gesorgt, dass Russland trotz Sanktionierung westliche Waren erhält.
In die EU darf Russland wegen Sanktionierung keine Kohle mehr einführen. Die Moscow Times hatte schon im November 2024 berichtet, dass dieser Schritt den ganzen Sektor in Richtung Krise gestoßen habe.
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