Erneuerbare Energien
Trotz großer China-Abhängigkeit: Was steckt hinter dem kleinen Aufschwung der deutschen Solarbranche?
- VonMark Simon Wolfschließen
China hat in der Solarindustrie eine Monopolstellung inne – von der auch die deutsche Wirtschaft gefährlich abhängig ist. Dennoch gibt es hierzulande auch Hoffnungsträger.
Berlin – In der deutschen Solarindustrie changieren Untergangs- und Aufbruchsstimmung derzeit je nach Perspektive des Betrachters. Auf der einen Seite deuten die Zahlen darauf hin, dass die Sonnenenergie tatsächlich in absehbarer Zukunft einen Großteil der Stromerzeugung in Deutschland stemmen könnte. Der Anteil liegt derzeit bei rund zwölf Prozent – in den sonnenreichen Monaten zwischen Mai und August gar bei fast einem Viertel. Bis 2030 soll dieser laut Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft bei 25 Prozent liegen. Für diese Entwicklung sind rund 6,3 Millionen Anlagen im Bereich des Solarstroms und der Solarwärme verantwortlich – die Solarkapazität ist heute doppelt so hoch wie noch 2018.
Deutsche Solarwirtschaft: Zwischen Ausverkauf und Aufbruch – und fehlender „Investitionsbereitschaft“
Auf der anderen Seite geistern in regelmäßigen Abständen Insolvenzen oder Abwanderungen von Hersteller-, Betreiber- und Verkaufsfirmen durch die Medien. Anfang März 2024 kündigte das Schweizer Unternehmen Meyer Burger als einer der Branchenriesen den schrittweisen Rückzug aus dem sächsischen Freiberg an und verlagerte den Produktionsstandort lieber in die USA. Hier profitiert das Unternehmen unter anderem vom „Inflation Reduction Act“, einem milliardenschweren Förderprogramm der US-Regierung. Die Ampel-Regierung zeige hingegen „keine Investitionsbereitschaft“, um etwa größere Solarfabriken entstehen zu lassen oder im Land zu halten, wie es Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) gegenüber der taz erklärte.
SPD und Grüne setzten sich zwar für Subventionen der heimischen Produzenten ein und plädierten für eine spezielle Kaufprämie. Doch die FDP soll sich dagegen gewehrt haben – wohl auch, weil das Geld für eine adäquate Förderung fehlte. Am Ende scheiterte eine Einigung.
Chinas Solarmodule sind günstig und massentauglich – und sorgen für unangefochtene Monopolstellung
Nutznießer dieser ungewöhnlichen Situationen in Deutschlands Solarbranche ist China. Rund 90 Prozent der verwendeten Solarpanels stammen heute aus der Volksrepublik, die deutlich billiger sind als die Konkurrenz aus Deutschland – und auch sonst auf dem Weltmarkt. Experten gehen davon aus, dass die chinesische Regierung die Unternehmen massiv subventioniert und so eine Monopolstellung am Markt erlangt hat. Diese Strategie ging bisher perfekt auf, zumindest in Bezug auf das „old solar“, wie es 1Komma5Grad-Gründer Philipp Schröder gegenüber der Süddeutschen Zeitung formuliert. Gemeint ist mit diesem Ausdruck die Modulproduktion – also alle industriell gefertigten Elemente von Photovoltaik-Anlagen.
Dazu zählen Solarmodule, Wechselrichter oder auch die Maschinen zur Herstellung selbiger. Die „new energy“ sei dagegen jener Bereich in der deutschen Solarindustrie, der besser laufe denn je. So sagt es Schröder – aber auch die Zahlen geben ihm recht.
Junge Unternehmen revolutionieren den Markt – und sind trotzdem abhängig von Chinas Produkten
Rund 150.000 Menschen sind laut Schätzungen des BSW bei Firmen wie 1Komma5Grad oder auch Enpal tätig. Diese fungieren im Solargeschäft als Dienstleister zwischen Industrie und Endkunde. Sie sorgen dafür, dass die Häuser Sonnenenergie möglichst effizient nutzen können, etwa über smarte Stromzähler. Von der Installation über die korrekte Einstellung der Paneele bis hin zur Skalierung auf Basis von Künstlicher Intelligenz – dank der billigen Solarmodule aus China lässt sich mit dieser Arbeit ordentlich Geld verdienen. Fragen wirft das Geschäftsmodell dennoch auf: Experten sehen eine zu große Abhängigkeit von China. Sollte es einen Handelskrieg geben, könnte der Bedarf an neuen Solarmodulen zumindest nicht von der heimischen Industrie gedeckt werden.
Die Branche wäre der chinesischen Willkür in diesem Szenario ausgeliefert – und würde wohl einen ähnlichen Crash erleben wie Ende der Nullerjahre.
Deutschlands „hidden champions“ der Solarwirtschaft: Ein bisschen Unabhängigkeit gibt es noch
Damals waren aber überwiegend die Industriebetriebe betroffen. Vereinzelte „Hidden Champions“ – also unbekannte Weltmarktführer – gibt es in diesem Bereich nach wie vor. Das Chemie-Unternehmen Wacker Chemie aus München etwa, das das für die Solarmodule unverzichtbare Polysilizium herstellt. Auch die Auftragsbücher bei der Firma SMA aus Hessen, die Wechselrichter herstellt, oder der brandenburgischen GMB Europa mit Fokus auf hochwertigem PV-Glas sind gut gefüllt. Beide Firmen füllen eine Nische in der Solarindustrie und dennoch sind ihre Produkte für ein Modul unersetzlich.
Eine Ausnahme bildet dabei Sunmaxx. Seit April produziert das Unternehmen Solarmodule in Ottendorf-Okrille bei Dresden. Die PTV-Module können nicht nur Strom, sondern auch Wärme herstellen.
Veredelte Standardmodelle aus Deutschland versus chinesische Massenproduktion?
Deswegen ist das Produkt auch neben Privathäusern auch für die Industrie sowie kommunaler Energieversorger interessant. Hier ist das Alleinstellungsmerkmal der Trumpf am Markt, wie auch Geschäftsführer Dr. Wilhelm Stein gegenüber zdfheute erklärt: „Bei uns ist eben der große Unterschied zu den klassischen Photovoltaik-Herstellern, dass wir ein Produkt produzieren, das es so auf dem Weltmarkt sonst nicht gibt. Wir machen sozusagen eine Veredelung zum Standardprodukt. Damit werden wir einzigartig.“
Demgegenüber sorgen sich die Vertreter der „new energy“ weniger um die Abhängigkeiten: 1Komma5Grad-Gründer Schröder hält es für verschwendete Mühe, über potenzielle Konsequenzen zu sinnieren. Immerhin könne sich China letztlich nicht den Marktzugang innerhalb der EU einverleiben. Und vorerst auch nicht den Innovationsdrang.
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