Wirtschaft entgeht eine Dreiviertelbillion Dollar

„Süchtig nach Militärausgaben“ – Ohne Krieg stagniert Russlands Wirtschaft

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Putin hat die Wirtschaft Russlands radikal umgestaltet. Ohne Konflikte würde Stillstand herrschen. Die westlichen Sanktionen nehmen jedoch zu.

Moskau – Zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kam es zuletzt zu einer gewissen Annäherung. Konkret ging es dabei um mögliche Friedensverhandlungen, um den Ukraine-Krieg zu beenden – und um einen Milliardenschatz an seltenen Rohstoffen, die in der Ukraine liegen. Weil gerade seit 2022 schwerste Sanktionen auf dem Land liegen, könnte ein Frieden Putin gerade recht kommen, allerdings birgt er auch Risiken.

Sanktionen drücken auf Russlands Wirtschaft – gleichzeitig gehen die Arbeitskräfte aus

Ursprünglich hatten die westlichen Ukraine-Verbündeten auf einen beispiellosen Abbruch der russischen Wirtschaft spekuliert, als sie die ersten Sanktionspakete eingesetzt haben. Sie froren Milliarden von Euro ein, die die russische Zentralbank in Europa gelagert hatte, ebenso wie Vermögen russischer Oligarchen, die obendrein auch unter Reiseverboten leiden. Russlands Wirtschaft ist weniger manövrierfähig als noch im Jahr 2013, und – auch wenn die Sanktionen den Kreml-Diktator Wladimir Putin bislang nicht zum Rückzug bewegt haben – sind die Auswirkungen gravierend.

Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Putin hat Russlands Wirtschaft grundlegend umgebaut. Frieden würde zu Stagnation führen. Allerdings wirken die westlichen Sanktionen zunehmend.

Zwischen den eingefrorenen Vermögenswerten und dem Ölpreisdeckel, der Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Energieexporten verringern soll, haben die Westmächte angeblich dafür gesorgt, dass dem Kreml rund 500 Milliarden US-Dollar entgehen. Diese können damit nicht mehr in die Kriegsmühen fließen. Laut dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) ist das noch nicht alles: Sanktionen und Exportkontrollen haben Russlands Zugriff zu wichtigen Komponenten reduziert. Teilweise muss Russland Aufschläge zahlen, die den Marktpreis für Industriegüter um das Zehnfache übertreffen.

Ein weiteres Resultat der vom Westen eingesetzten Sanktionen ist der massive Anstieg von Inflation und Leitzinsen. Die russische Zentralbank hatte die Leitzinsen auf 21 Prozent hochgesetzt, um die Inflation zu bekämpfen, die vorher die Kaufkraft und die Nachfrage im Inland geschwächt hatte. Obendrein leidet Russlands Wirtschaft unter einem Arbeitskräftemangel, der sich einerseits aus dem Einsatz arbeitsfähiger Männer im Ukraine-Krieg und andererseits aus der simplen Flucht von Fachkräften zusammensetzt. Das Center for European Policy Analysis (CEPA) geht davon aus, dass zwischen 10.000 und 30.000 Arbeiter jeden Monat aus dem Arbeitsmarkt verschwinden und in den Militärdienst eintreten.

Kriegsindustrie statt Wohlstand – Russlands Wirtschaft verliert 750 Milliarden Dollar

Russland priorisiert seit 2022 sowohl die Kriegsindustrie als auch finanzielle Stabilität – und das, so schließt das CSIS, auf Kosten langfristigen wirtschaftlichen und produktiven Wachstums. Auch der zivile Wohlstand leidet unter der Restrukturierung der Wirtschaft. Schätzungen hätten ergeben, dass Russland ohne die militärische Annexion der Krim im Jahr 2014 heute eine um 20 Prozent größere Wirtschaft hätte. Das verlorene Wachstum soll sich auf eine Dreiviertelbillion Dollar belaufen.

Diese Entwicklung ließe sich auch nicht so einfach umkehren. Putins Kriegsmühen hätten eine völlig neue Klasse von wirtschaftlichen Nutznießern geschaffen – Industrien und Individuen, die vom Krieg profitieren – die jetzt ein großes Interesse daran haben, die Kriegswirtschaft aufrechtzuerhalten.

Völliger Umbau von Russlands Wirtschaft – „Süchtig nach Militärausgaben“

Ähnlich fällt auch eine CEPA-Analyse aus. Russlands Wirtschaftswachstum ist eng an die Militärausgaben gebunden, Investitionen fließen generell eher in Richtung der Industrien, die mit dem Krieg zu tun haben, außerdem in die Substituierung von Importen sowie in Infrastrukturprojekte, die den Handel mit China unterstützen. Ohne die Rüstungsausgaben würde Russlands Wirtschaft schlichtweg stagnieren. Grundsätzlich aber hat Putin nun in ein nicht nachhaltiges Wachstum investiert und steht nun technologisch abgehängt da – und mit einer schwächeren Arbeiterzahl.

Darüber hinaus hatten Ökonomen bereits einen „Grundstock an toxischen Schulden“ in Russlands Bankensektor entdeckt.

Selbst, wenn der Krieg endet, so sieht CEPA für Russland einen wirtschaftlichen Stillstand in Russland voraus, wie es ihn bereits in der Sowjet-Union in den 1980er-Jahren gegeben hatte. Dieser Stagnation war dann der Zusammenbruch der Sowjet-Union gefolgt. „Russland ist süchtig nach Militärausgaben“, befand der CEPA-Analyst Alexander Kolyandr. Das Land wird nach Kriegsende bis zu acht Jahre brauchen, um sein Militär wiederherzustellen, und steht außerdem vor dem Problem, bei modernen Technologien wie Künstlicher Intelligenz und Biotechnologie „kein substanzieller Player“ zu sein.

Wachstumszahlen aus Russland – „Mit Vorsicht genießen“

Anfang Februar hatte der russische Premierminister Mishustin die Zahlen für 2024 vorgelegt und ein Wachstum von Russlands Wirtschaft um 4,1 Prozent berichtet. Für 2025 hatte Wladimir Putin dabei ein „ausgeglichenes“ Wachstum gefordert – so hatte es die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Russlands Wirtschaft hatte sich schon im Vorjahr untypisch resilient gezeigt, was Experten mit der Überhitzung durch die massiven Militärausgaben erklärt hatten.

Allerdings zeigen sich seit einigen Monaten vermehrt die Zeichen dafür, dass es hinter den Kulissen kocht. Die international anerkannte Ökonomin Natalja Subarewitsch aus Moskau hatte die offiziellen Zahlen „verblüffend“ genannt. Ihrer Ansicht nach muss man die Zahlen des Statistikamts „mit Vorsicht genießen“, hatte sie gegenüber der Welt gesagt. Der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow hatte ein „Abflauen“ angekündigt und glaubt für 2025 an ein Wachstum des BIP zwischen 2,0 und 2,5 Prozent. Subarewitsch geht von einer Stagnation aus.

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