Krisengeschüttelter Batteriehersteller
Subventionen für Varta: 137 Millionen Euro Fördermittel vom Staat versiegen
- VonMark Simon Wolfschließen
Der deutsche Batteriehersteller Varta erhielt rund 137 Millionen Euro Subventionen – und steht heute vor der Pleite. Hat die Regierung achtlos Fördermittel verschwendet?
Berlin – Vor wenigen Jahren war die Welt bei Varta im baden-württembergischen Ellwangen noch heile: Die Lithium-Ionen-Zellen des Batterieherstellers waren viele Jahre in Apples Kopfhörer Airpods verbaut, Experten sahen Varta als deutschen Batteriehersteller der Zukunft und auch die Börse honorierte die Innovationsfähigkeit mit dreistelligen Preisen pro Aktie.
Von dieser vielversprechenden Erfolgsstory ist heute, Ende Juli 2024, nicht mehr viel übrig – außer Schulden. Insgesamt 500 Millionen Euro umfassen diese und resultieren einerseits aus dem von Kriegen geplagten Welthandel sowie der Corona-Pandemie, wodurch die Kosten für Ressourcen speziell im Batteriesektor in die Höhe schossen. Hinzu kam Anfang des Jahres ein Hackerangriff, der die IT-Systeme sowie die gesamte Produktion von Varta wochenlang stilllegte. Welche Geschäftsgeheimnisse tatsächlich erbeutet wurden, ist nach wie vor unklar.
Varta kassiert Millionen an Subventionen – doch droht nun die Insolvenz?
Andererseits sind die Schulden auch das Ergebnis fehlgeleiteter Investitionen, naiver Planungen und fehlender Konkurrenzfähigkeit. Etwa als Varta seinen Produktionsumfang für Apple erweiterte, der US-amerikanische Tech-Konzern parallel aber die Abnahmemargen reduzierte und auf andere Zulieferer setzte. Das Geschäft für Kopfhörer und Hörgeräte hat sich in der Folge nicht wieder erholt, wie die Tagesschau damals berichtete. Oder als das Unternehmen seine Batteriezellen-Produktion auf andere Industriezweige ausweiten wollte, den Bau einer neuen Fabrik dann aber aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage absagen musste. Und obwohl die technische Qualität der Varta-Produkte branchenweit einen exzellenten, teilweise sogar einzigartig guten Ruf genießt, fällt das Unternehmen mittlerweile meilenweit hinter der billigeren Konkurrenz aus Asien zurück. Serienproduktion schlägt kleinteilige technische Finesse – oder kurzum: Varta hat sich innerhalb weniger Jahre vom Wunder- zum Problemkind entwickelt.
Umso skurriler liest sich der schleichende Rückgang angesichts der steilen Entwicklung des Umsatzes: Von knapp unter 200 Millionen Euro im Jahr 2016 wuchs dieser zuletzt auf über 800 Millionen Euro in 2023 an. Dennoch herrschte Krisenstimmung auf allen Ebenen. Der als Antwort auf die Schieflage 2023 mit Banken und Mehrheitsaktionär Michael Tojner beschlossene Sanierungsplan sollte Varta bis 2026 wieder konkurrenzfähig und profitabel machen. Doch auch dieser Schritt ist vorerst gescheitert, wie das Unternehmen im April einräumte. Mittlerweile ist eine Varta-Aktie nur noch rund zwei Euro wert, was angesichts früherer Dimensionen von rund 170 Euro pro Papier das gesamte Dilemma des Batterieherstellers gut widerspiegelt.
Fördermittel von Bund und Länder – Habecks Wirtschaftsministerium bestätigt Millionensumme
Dabei hatte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) 2020 noch rund 300 Millionen Euro Subventionen versprochen. Als „nächsten Schritt hin zur Großserie bei Batteriezellen für automobile und industrielle Anwendungen“ hatte der Minister seine Hoffnung formuliert. Doch das war, wie sich heute zeigt, weit gefehlt – in vielerlei Hinsicht: Denn wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nun berichtet, habe Varta laut einer Sprecherin des jetzigen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) von dem Fördermittel-Paket sogar nur rund 137 Millionen Euro in Anspruch genommen – laut Regierung aus „Töpfen von Bund und Ländern“.
Das Unternehmen selbst hatte im April von 200 Millionen Euro abgerufenen Geldern gesprochen, dies aber zuletzt auf die Zahl aus dem Wirtschaftsministerium korrigiert. Die FAZ erfuhr zudem aus Regierungskreisen, dass eine Summe von rund 390 Millionen Euro an Subventionsgeldern unter 14 deutschen Unternehmen aufgeteilt worden sei – den Großteil dieser Summe erhielt demnach Varta. Angesichts der Fehlentscheidungen und der jetzigen Schieflage des Batterieherstellers bleiben Fragen zum Verteilungs- und Überprüfungsprozess der Bundesregierung von Fördermitteln zurück – mindestens.
Wurden die Regierungs-Taschen aufgrund der schillernden Aussicht auf einen deutschen Marktführer im Teich der großen Batteriehersteller aus Asien und Amerika zu schnell geöffnet? Warum bekam Varta den Großteil der Fördermittel? Und warum kursieren so unterschiedliche Zahlen zum Umfang der Fördermittel?
4.000 Arbeitsplätze in Gefahr? Zwei Konzepte zur Rettung von Varta
Um die Zukunft zu sichern und eine drohende Insolvenz abzuwenden, steht nun ein weiteres Sanierungsverfahren bevor. Auf Basis des recht neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) will Varta seine Verbindlichkeiten abbauen und neues Kapital gewinnen. Verlierer dieses Vorhabens wären vermutlich die Aktionäre, die im Zuge des Aktienschnitts den Großteil ihres Kapitals verlieren würden. Laut FAZ stehen sich in diesem Vorgehen zwei miteinander konkurrierende Konzepte gegenüber. Auf der einen Seite agiert Mehrheitseigner Tojner gemeinsam mit Porsche, um Varta als Unternehmen zusammenzuhalten. Auf der anderen stehen vier Hedgefonds, die sich über Bankkredite Anteile zugesichert haben. Wie es dann mit Varta weitergeht und ob weitere der rund 4.000 Arbeitsplätze wegfallen werden, bleibt allerdings erstmal offen.
Gegenüber der Augsburger Allgemeinen gab sich Tojner immerhin kämpferisch: „Ich bin davon überzeugt, dass Europa einen unabhängigen Batteriehersteller wie Varta braucht, um die Batterietechnologie gegenüber der asiatischen und amerikanischen Vormachtstellung zu sichern.“ Dennoch dürfte erstmal klar sein: Die Zeiten von dreistelligen Aktienkursen und heiler Welt im baden-württembergischen Ellwangen gehören wohl erstmal der Vergangenheit an.