Verfassungsklage
Steigende Krankenkassenbeiträge: Regierung ignoriert Folgen ihrer Reform – Verfassungsklagen drohen
VonAmy Walkerschließen
Die Bundesregierung ist in einer großen Anfrage der CDU/CSU auf die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Lauterbach eingegangen. Dabei ignoriert sie eine entscheidende Frage.
Berlin – In einer der letzten Sitzungswochen des Deutschen Bundestags vor der Neuwahl am 23. Februar 2025 ist es drunter und drüber gegangen. Mit Stimmen der AfD haben die Unionsfraktionen einen Migrationsantrag durch das Parlament gebracht – zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Doch während das ganze Land auf diesen Eklat blickt, werden auch noch andere Themen im Bundestag besprochen. Am Donnerstag (30. Januar) geht es um ein sehr wichtiges Thema: die Finanzen der Sozialversicherung.
Krankenhausreform weiter in der Kritik: Krankenkassen in finanzieller Not
Die stehen nämlich auf wackeligen Beinen. Ob Krankenkasse, Rente, Pflege oder Arbeitslosenversicherung: Die Finanzen sind durch den demografischen Wandel, die wirtschaftliche Flaute und die gestiegenen Kosten der letzten Jahre unter Druck. Um ein ganzheitliches Bild zu verschaffen, haben CDU und CSU eine große Anfrage an die Bundesregierung geschickt, deren Ergebnis am Donnerstag debattiert werden soll. Ein Thema dürfte auch die umstrittene Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein.
Die Reform wurde am 22. November 2024 beschlossen und zielt darauf ab, die angespannte wirtschaftliche Situation vieler Kliniken zu adressieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, statt immer nur auf die Finanzen auf die Behandlungsqualität zu achten. Viele kleinere Kliniken können sich zum Beispiel keine neuen Geräte leisten, weshalb die Qualität der Versorgung immer weiter sinkt. Um solche Investitionen künftig zu ermöglichen, soll es einen Transformationsfonds geben, aus dem verschiedene Maßnahmen der Reform finanziert werden.
Der Transformationsfonds soll zwischen 2026 und 2035 schrittweise aufgebaut werden und insgesamt 50 Milliarden Euro umfassen. Der Topf wird zur Hälfte aus den Kassen der Länder gefüllt und zur Hälfte von den Krankenkassen. Über die nächsten zehn Jahre müssen die Krankenkassen also jährlich 2,5 Milliarden Euro bereitstellen, um die Krankenhauslandschaft zu reformieren
Steigende Krankenkassenbeiträge durch Lauterbach-Reform: Ist das verfassungswidrig?
Genau das ist einer der Punkte, der für sehr viel Wirbel gesorgt hat. Denn die Krankenkassen haben es ohnehin mit einer knappen Kasse zu tun, wie auch aus der Antwort der Bundesregierung auf die Unionsanfrage deutlich wird. 2023 haben die Kassen 1,9 Milliarden Euro an Defizit gehabt. Für 2024 liegen noch keine finalen Zahlen vor, in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres lag das Defizit aber schon bei 3,7 Milliarden Euro, wie das Gesundheitsministerium informiert.
Nun sollen die gesetzlichen Krankenkassen noch jährlich 2,5 Milliarden Euro in den Transformationsfonds geben – aus Sicht der Kassen nicht nur schwer zu stemmen, sondern sogar verfassungswidrig. Denn damit zahlen die Krankenkassen mit den Beitragsgeldern ihrer Versicherten für eine Reform, von der aber alle Bürgerinnen und Bürger profitieren. Die privaten Krankenkassen werden aber zur Finanzierung nicht herangezogen. Die gesetzlichen Kassen haben bereits angekündigt, dass die Lauterbach-Reform eine weitere Erhöhung der Krankenkassenbeiträge erforderlich machen wird.
Bundesregierung verteidigt Krankenhausreform: Krankenkassen profitieren von der Reform
In ihrer Anfrage fragen CDU und CSU auch direkt nach der Begründung für das Vorgehen der Bundesregierung. „Warum hält die Bundesregierung es für angemessen, die Kosten für den Bundesanteil am geplanten Transformationsfonds für Krankenhäuser ausschließlich aus Beitragsmitteln zu finanzieren? Mit welchen Beitragssteigerungen rechnet die Bundesregierung bei der geplanten Finanzierung?“ lauten die Fragestellungen.
Die Antwort der Bundesregierung: Der Bund sei nicht für die Krankenhausfinanzierung zuständig, das sei eigentlich ohnehin Ländersache. Dass die Krankenkassen hinzugezogen werden, sei damit zu begründen, dass durch die Reform „nicht zuletzt auch die kosteneffiziente Umsetzung des Versorgungsanspruchs der in der GKV Versicherten auf Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V sichergestellt wird.“ Auf Deutsch: Die Krankenkassen profitieren davon, dass die Reform zu einer besseren Versorgung führt – deshalb sollten sie auch dafür bezahlen. Zudem schreibt die Bundesregierung, dass die Reform durch die Beteiligung der Bundesländer in Teilen von den Steuerzahlenden finanziert wird.
Auf die Frage, wie sich die Beiträge durch die Reform entwickeln würden, antwortet die Bundesregierung nicht.
Verfassungsklage gegen die Finanzierung der Krankenhausreform in Arbeit
Das Thema ist in jedem Fall lange nicht vom Tisch. Denn in dieser Woche hat der Sozialverband VdK verkündet, dass es Klage gegen die Finanzierung einreichen wird. „Die GKV-Beiträge dürfen nur für Aufgaben verwendet werden, die eindeutig den GKV-Versicherten zugutekommen“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Von der Verbesserung des Gesundheitssystems durch die Krankenhausreform werden aber alle im Land profitieren, also auch Privatversicherte und Mitglieder anderer Versorgungssysteme. Die Kosten sollten daher von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Das geht nur, wenn die Krankenhausreform über den allgemeinen Staatshaushalt finanziert wird.“
Auch der Spitzenverband der Krankenkassen hat Ende Dezember mitgeteilt, dass es eine Verfassungsklage gegen die Reform prüfe.
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