Staat mit Rekordschulden

Schuldenbremse und Sondervermögen: So nimmt ein Staat Schulden auf

  • Moritz Maier
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Die Bundesregierung nimmt Schulden in Rekordhöhe auf. Wer dem Land Geld gibt und, wieso die Schulden nicht zurückgezahlt werden.

Berlin – Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat erhielt das mehrere hundert Milliarden Euro umfassende Schuldenpaket von Bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) die nötige Mehrheit. Das bedeutet, dass bald große Summen auf den Konten von Bund und Ländern landen. Doch wo kommt das Geld eigentlich her, und zahlt es jemals jemand zurück? Tim Lohse, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Berlin School of Economics and Law, erklärt gegenüber dem Münchner Merkur die Grundlagen zu Staatsschulden.

Deutschland bekommt Geld von Banken, Versicherungen und Rentenkassen

Staatsschulden wie für das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz oder die Aussetzung der Schuldenbremse für Sicherheitsausgaben werden über eine Agentur des Finanzministeriums organisiert. „Die Bundesfinanzagentur besorgt das Geld am Kapitalmarkt und legt die Rahmenbedingungen fest, also beispielsweise fünf Milliarden Euro als Betrag bei einer Laufzeit von zehn Jahren“, erklärt Lohse. „Die größten Käufer dieser Staatsanleihen sind Banken und Versicherungen, besonders Rentenfonds – weil diese Anlagen in der Regel sehr sicher sind. Diese Versicherer sind gesetzlich sogar verpflichtet, einen Teil ihrer Mittel in die Anleihen zu stecken – der Staat schafft sich also per Gesetz seine Abnehmer.“

Staatsschulden werden über die Finanzagentur als Teil des Bundesfinanzministeriums aufgenommen.

Ist das Geld angekommen, kann es verwendet werden – allerdings für einen Preis. Denn die Investoren wollen auf ihr verliehenes Geld Zinsen. „Viele Jahre gab es Nullzinsen, da haben Anleger nicht viel verdient, und der deutsche Staat musste entsprechend wenig für die Kredite zahlen“, sagt Ökonom Lohse. „Mittlerweile ist das anders, und durch die Vermeldung des Schuldenpaketes ist der Zinssatz binnen eines Nachmittags von 2,3 auf bis zu 2,8 Prozent durch die Decke gegangen. Wenn Kapitalanleger so viel Geld bereitstellen sollen, wollen sie dafür auch höhere Zinsen.“

Staatsschulden werden nicht zurückgezahlt

Diese Zinsen könnten Deutschland ganz schön teuer zu stehen kommen, befürchtet der Experte. „Im vergangenen Jahr hat Deutschland knapp 37 Milliarden Euro nur für Zinsen gezahlt. Und wie wir eben festgestellt haben, steigt der Zinssatz durch die neuen Schulden so hoch wie er seit Jahren nicht mehr war“, so Lohse. „Wohin das führt, sehen wir in Frankreich oder Italien, wo die Budgets derart aus dem Ruder gelaufen sind, weil die Staaten gigantische Zinszahlungen begleichen müssen und andererseits keine Ausgaben kürzen.“

In der Schuldendebatte gibt es zwei Lager: Die einen argumentieren, marode Infrastruktur an die jungen Menschen zu vererben, sei Generationenungerechtigkeit. Daher müssten Schulden aufgenommen werden, so die Logik. Lohse gehört der anderen Denkschule an. „Wenn wir von jährlich 50, 60 oder 80 Milliarden Euro nur für Zinsen ausgehen, haben die Menschen künftig weniger Gestaltungsmöglichkeiten – das ist eine enorme Ungerechtigkeit“, sagt der Berliner Professor. „Beim Thema Verteidigung geht das noch weiter: Wir haben jahrzehntelang nichts in die Bundeswehr investiert, die älteren Generationen haben von der Friedensdividende massiv profitiert. Und wegen der Schulden zahlen dafür nun die jungen Menschen auch noch die Rechnung.“

Trotz Rekordschulden: Deutschland kein Vergleich zu USA

Anders als bei Privatpersonen, die geliehenes Geld irgendwann zurückzahlen müssen, sinken Staatsschulden nur in Ausnahmen, weiß Lohse. „Schulden werden fast nie getilgt. In der jüngeren deutschen Geschichte ist das nur mal unter Wolfgang Schäuble passiert. Normalerweise gibt es eine Anschlussfinanzierung von Staatsschulden. Wir tilgen eine alte 10-Jahresanleihe durch eine neue 10-Jahresanleihe. Das sehen wir auch beim Blick auf die absolute Schuldenlast – die steigt quasi immer.“

Im internationalen Vergleich ist die deutsche Schuldenquote aber weiterhin gering, und auch der Zinssatz auf Staatsanleihen ist trotz seiner Erhöhung niedrig – Deutschland gilt als verlässliche Anlageoption. Ein Blick in die USA zeigt das Gegenteil, das Land ist deutlich höher verschuldet und muss mit derzeit 4,1 Prozent einen extrem hohen Zinssatz und damit Zahlungen bedienen.

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