Gipfel-Pingpong der Ampel
Wirtschaft empört: 30.000 Arbeitsplätze im Mittelstand in Gefahr – „interessiert niemanden“
VonBona Hyunschließen
Die Ampel will einen Weg aus der Wirtschaftsmisere finden. Die Krise bei VW verdeutlicht die schwierige Situation. Dabei wird auch Kritik an der Ampel lauter.
Berlin – Im Schatten der VW-Krise laden Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Wirtschaftsgipfeln ein. Ein gemeinsames Treffen gibt es aber nicht, stattdessen gibt es zwei konkurrierende Gipfel. Unlängst haben Wirtschaftsvertreter ihre Frustration zum Ausdruck gebracht. Die Ampel müsse anstelle von Gipfeln endlich Maßnahmen konsequent umsetzen, so der Tenor.
Krise bei VW verdeutlicht schwierige Situation der deutschen Wirtschaft – Kritik an Ampel: „Placebo-Politik“
Der Außenhandelsverband BGA übt scharfe Kritik am Industriegipfel von Bundeskanzler Scholz. „Wenn 30.000 Arbeitsplätze bei VW in Gefahr sind, gibt es einen Gipfel im Kanzleramt“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Dienstag (29. Oktober). „Wenn 30.000 Arbeitsplätze im Mittelstand verloren gehen, interessiert das niemanden.“ Jüngst wurden Pläne bekannt, dass der Autobauer nehmen dem geplanten Stellenabbau auch mindestens drei deutsche Werke schließen will. Damit hatte der VW-Vorstand die Belegschaft gegen sich aufgebracht.
Wirtschaftsgipfel von VW-Krise überschattet – Wirtschaft genervt: „Placebo-Politik“
Jandura zufolge muss die Bundesregierung endlich aufhören, staatliche Subventionen an einzelne Unternehmen und Branchen zu verteilen. Das sei der falsche Weg. Viel wichtiger wäre es, die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu verbessern. „Das bringt Deutschland mittel- und langfristig viel mehr Wachstum als diese Placebo-Politik“, erklärte der BGA-Präsident.
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht den für den Nachmittag geplanten Gipfel im Kanzleramt kritisch. „Unternehmen, Standorte, Innenstädte und Arbeitsplätze sind unter Druck und brauchen gesicherte Rahmenbedingungen“, heißt es in einem Reuters vorliegenden HDE-Schreiben an Scholz, das von Präsident Alexander von Preen und Hauptgeschäftsführer Stefan Genth unterzeichnet ist. „Wir erwarten von der Politik nicht zahlreiche Gipfel, sondern eine verantwortliche und zielgerichtete Umsetzung der strukturellen Maßnahmen.“
Die deutschen Einzelhändler fordern angesichts der hartnäckigen Konsumflaute verbesserte Standortbedingungen vom Bundeskanzler ein. Noch zu Jahresbeginn habe die Bundesregierung den privaten Konsum als konjunkturelle Stütze herausgestellt. „Heute müssen wir feststellen, dass der private Konsum auch in den letzten Monaten des Jahres als gesamtwirtschaftlicher Wachstumstreiber ausfallen wird.“ Damit bleibe im Einzelhandel mit seinen mehr als 3,1 Millionen Beschäftigten, 300.000 Unternehmen und einem erwarteten Umsatz von 670 Milliarden Euro die Wirtschaftslage weiter angespannt.
Ampel sucht Weg aus Wirtschaftsmisere – Lindner will gemeinsame Antwort
Die Prognosen und Entwicklungen der deutschen Wirtschaft sind besorgniserregend. Nach Beratungen mit mehreren Wirtschaftsverbänden rechnet Bundesfinanzminister Lindner in den nächsten Wochen mit einer Verständigung der Ampel-Koalition auf eine Stärkung des Standorts.
Es gebe eine Regierungsverpflichtung, gemeinsam Lösungen zu finden. Im Rahmen der Haushaltsaufstellung müssten in der Koalition ohnehin gemeinsame Antworten auf die Wirtschaftsmisere gefunden werden, sagte der FDP-Chef am Dienstag in Berlin. Das Wachstum in Deutschland sei zu gering, auch wegen zu viel Bürokratie und staatlicher Regulierung. Die Details zum Haushaltsentwurf 2025 sollen bis Mitte November festgezurrt werden, bevor der Bundestag Ende des Monats zustimmen soll.
Wachstum für deutsche Wirtschaft ankurbeln – doch Ampel könnte erneut vor Zerreißprobe stehen
Gemeinsame Forderungen mit den Wirtschaftsverbänden wurden Lindner zufolge nicht entwickelt. Im Tagesverlauf wollte Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich noch mit dem Industrieverband BDI und der Gewerkschaft IG Metall treffen. Die separaten Beratungen gelten als Ausdruck der Zerstrittenheit der Ampel-Regierung.
Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger sagte, die Politik müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland wieder in den Mittelpunkt stellen. Außerdem müsse das vom Kabinett bereits beschlossene Paket für mehr Wachstum den Bundestag und Bundesrat passieren. (bohy mit Material von reuters)
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