Laut Studie
Sanktionen erzielen unerwartete Resultate – Streit um härtere Bürgergeld-Vorschriften
VonBona Hyunschließen
Die Implementierung von Sanktionen könnte die Arbeitsaufnahme steigern. Schon die potenzielle Androhung von Sanktionen hat gemäß einer neuen Studie Auswirkungen.
Berlin – Mehr Menschen in Arbeit durch Sanktionen? Bereits die Möglichkeit von Sanktionen führt laut einer Studie dazu, dass Empfängerinnen und Empfänger von der Grundsicherung häufiger eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Dabei sei die Übergangsrate in ein Beschäftigungsverhältnis umso höher, je wahrscheinlicher die tatsächliche Verhängung von Sanktionen sei – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.
Möglichkeit der Sanktionen könnte laut Studie zu vermehrter Arbeitsaufnahme führen
Das geht aus einer am Dienstag (6. August 2024) veröffentlichten Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hervor. Das der Bundesagentur für Arbeit (BA) angegliederte Institut sprach von einem „Ex-Ante-Effekt“, also einer Wirkung bereits im Vorgriff auf erwartete oder befürchtete Nachteile.
Untersucht wurden demnach Unterschiede in der Anwendung von Sanktionen durch Teams von Vermittlungsfachkräften. Erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit einer Verhängung von Sanktionen von einem auf zehn 10 Prozent, steige die monatliche Übergangsrate der Leistungsbeziehenden in Beschäftigung bei ansonsten ähnlichen Merkmalen um etwa 0,5 Prozentpunkte.
In dieser Gruppe stiegen dabei der Studie zufolge besonders Übergänge in qualifizierte Beschäftigungsverhältnisse deutlich an und damit auch das durchschnittliche Erwerbseinkommen der Betroffenen. Ab einer Sanktionswahrscheinlichkeit von zehn bis 20 Prozent sei nur in geringerem Maße eine weitere Erhöhung der Übergangsrate in Beschäftigung zu beobachten. Allerdings würden hier häufiger Jobs auch mit geringer Qualität und niedrigerem Erwerbseinkommen angenommen.
Studie zeigt überraschende Ergebnisse über Wirkung von Sanktionen – Folgen für das Bürgergeld
„Die Befunde der Studie sprechen für eine ausgewogene Anwendung von Sanktionen, die sowohl Übergänge in Beschäftigung erhöht als auch positive Wirkungen auf die Beschäftigungsqualität und die Entwicklung der Erwerbseinkommen in den Blick nimmt“, erklärte dazu der IAB-Forscher Markus Wolf. Zwar führten Sanktionen zu mehr Erwerbstätigkeit, bei sehr intensiven Sanktionen verstärke sich dieser Effekt jedoch kaum, die Maßnahmen gingen aber auf Kosten der Beschäftigungsqualität.
Grundlage der Studie waren laut IAB Daten, die zwischen April 2012 und März 2013 erhoben wurden. Ausgewertet wurden Fälle erwerbsfähiger, als arbeitssuchend registrierter Empfangsberechtigter im Alter zwischen 25 und 57 Jahren. Eine Übertragung der Ergebnisse auf die Wirkung von Leistungsminderungen des inzwischen eingeführten Bürgergeldes sei nicht ohne Weiteres möglich, hieß es. Hierfür wären vielmehr weitere Untersuchungen erforderlich.
Debatte um schärfere Sanktionen beim Bürgergeld – Jobcenter begrüßen grundsätzlich Maßnahmen
Zuletzt war besonders die Diskussion über Sanktionen für Bürgergeldbezieher hochgekocht. Die Ampel-Koalition will die Regeln verschärfen und erwägt beim Bürgergeld unter anderem eine Kürzung der Leistung bei Pflichtverletzung. Wer eine zumutbare Arbeit ohne triftigen Grund ablehnt, dem soll das Bürgergeld in Zukunft um 30 Prozent für drei Monate gekürzt werden.
Außerdem will die Ampel-Regierung, dass sich Menschen, die kurzfristig arbeiten können, einmal pro Monat im Jobcenter melden müssen. Die Jobcenter begrüßen die generelle Vorgabe, die „Kontaktdichte“ zu den Empfängern zu erhöhen. Allerdings merken die Jobcenter auch an, dass die Maßnahmen der Ampel beim Bürgergeld auch mit einem höheren Verwaltungsaufwand verbunden sind.
Kritiker, wie Verdi-Chef Frank Werneke, werteten die geplanten Änderungen als Rückfall in alte Hartz-IV-Zeiten. „Wir sind zurück bei Hartz IV“, sagte er im Juli 2024 der Augsburger Allgemeinen. „Damit ist die von der Ampel zunächst vorgenommene Bürgergeld-Reform Geschichte.“ (bohy mit Material der AFP)
Rubriklistenbild: © Monika Skolimowska/dpa
