Attraktive Formen des Sparens

Neue Renten-Regel: Was Lindners Aktien-Pläne für die Riester-Rente bedeuten

  • Moritz Maier
    VonMoritz Maier
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Die unrentable Riester-Rente soll durch attraktive Aktien und Fonds-Anlagen ersetzt werden. Ein guter Schritt, sagen viele. Wäre da nicht ein Haken für die meisten Deutschen.

Berlin – Seit Jahrzehnten sind die Menschen in Deutschland angehalten, privat für ihr Alter vorzusorgen. Neben gesetzlicher und betrieblicher Rente wird das private Sparen immer wichtiger. Doch früher propagierte Modelle wie die Riester-Rente oder andere klassische Versicherungsformen bieten oft kaum noch Rendite aufs eigens zurückgelegte Geld. Und das trotz satter Förderungen. Wenn es nach Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht, soll sich das ändern. Neue Vorsorgedepots sollen staatlich unterstützt werden und mehr Geld fürs Alter ermöglichen. Das sieht ein vor kurzem erschienener Gesetzentwurf des Ministers vor.

So soll am Kapitalmarkt etwa in Einzelaktien oder Fonds angelegtes Geld, anders als beim Sparen in Versicherungen, künftig von der Steuer absetzbar sein: Dazu könnte es für jeden investierten Euro 20 Cent Zuschuss vom Staat geben. Jährlich sollen dann bis zu 600 Euro Förderung drin sein. Doch auch klassische Vorsorge-Produkte nach Riester-Vorbild, etwa fondsgebundene Versicherungen, sind weiter Teil der Pläne.

Lindners Riester-Reform: „Schritt in die richtige Richtung“

„Der Entwurf ist keine finale Lösung, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Die Politik versucht damit endlich, andere Formen des Sparens attraktiv zu machen“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt der Verbraucherzentrale im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Diese anderen Formen versprechen fürs Alter deutlich höhere Renditen als das klassische Sparen. Für Deutschland, wo viele Menschen bei der Geldanlage im internationalen Vergleich eher konservativ agieren, sei das ein notwendiger Impuls, so die Finanzexpertin.

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
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Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

„Private Altersvorsorge wird in Deutschland immer mit Versicherungen in Verbindung gebracht. Das ist schlecht. Bei langfristigen Anlagen ist es notwendig, ins Risiko zu gehen, um eine Chance auf Rendite zu haben“, sagt Mohn. „Durch wissenschaftliche Simulationen sehen wir: Garantien braucht es beim Altersvorsorgesparen nicht. Die langen Anlage-Zeiträume gleichen das Risiko zwischenzeitlicher Verluste aus.“

Scheitert die Renten-Reform an Finanzberatern?

Auch die Bundestags-Rentenpolitikerin Anja Schulz (FDP) ist vom Entwurf ihres Finanzministers überzeugt. „Das neue Modell ersetzt die unergiebige Riester-Rente. Wem Garantien wichtig sind, der kann weiterhin auch risikoärmere Optionen für die private Vorsorge wählen“, so Schulz im Gespräch. „Es wird eine Vergleichsplattform geben, auf der jeder sehen kann, welche Depotbank die besten Konditionen anbietet.“

Dass weiterhin auch die risikoarmen und wenig profitablen Versicherungen gefördert werden sollen, sieht Verbraucherschützerin Mohn jedoch kritisch. Denn: Dort sind die Verwaltungsgebühren – also etwa Beteiligungen für Finanzberater – oft deutlich höher. „Die meisten Verbraucher sind auf Beratungen angewiesen. Und dort empfehlen die Finanzvertriebler meist das, was ihnen die höchste Provision gibt – das ist heute meist eine teure, renditeschwache Rentenversicherung.“ Heißt, auch künftig dürfte vielen Menschen weiterhin das Versicherungsmodell angeboten werden, so die Befürchtung.

Deshalb helfe der Entwurf finanziell besonders denen, die sich ohnehin schon mit Depots als Altersvorsorge beschäftigen, sagt Mohn. „Trotzdem ist der Reformentwurf unterm Strich ein guter Anfang. Alles, was hilft, Versicherungen bei der Altersvorsorge aus dem Spiel zu nehmen, ist gut“, so die Verbraucherschützerin.  

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Rentenpaket der Ampel ungerecht?

Für Rentenpolitikerin Schulz von der FDP ist klar, dass auch die neue Förderung der privaten Altersvorsorge nur ein Baustein der Rente sein kann. Sie setzt auf weitreichendere Veränderungen, als es Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) im derzeit heiß diskutierten Rentenpaket II vorsieht. „Für die gesetzliche Rente wünsche ich mir, uns unabhängiger von demografischen Entwicklungen zu machen. Das gelingt, wenn wir einen Teil der Umlage in Depots investieren, ähnlich, wie Schweden es tut“, sagt Schulz. „Dort werden zwei Prozent der Rentenbeiträge in Fonds investiert. Und es gibt Hochrechnungen, dass diese zwei Prozent durch die Rendite und Zinseszinsen bald 20 Prozent der Gesamtrente ausmachen.“

Schulz kritisiert am Rentenpaket der Ampel-Koalition vor allem Nachteile für junge Menschen: „Der von Hubertus Heil vorgelegte Entwurf zum Rentenpaket II trägt meines Erachtens noch nicht zur Generationengerechtigkeit bei. Wie man das Wort interpretiert, ist Gefühlssache. Für mich heißt es, dass auch die Jüngeren mitgedacht werden müssen. Aber, Fakt ist: Niemand, der unter 45 ist, profitiert aktuell vom Rentenpaket.“

Rubriklistenbild: © IMAGO/ Lobeca

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