Solarbranche unter Druck

Resilienz-Boni als „Industriepolitischer Unfug“ – 1KOMMA5°-Chef kritisiert „Old Solar“

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die deutsche Solarbranche steht unter heftigem Druck. Große Hersteller verlangen schnelle Hilfe vonseiten der Politik. Mehrere Solar-Start-ups gehen gegen die sogenannten Resilienz-Boni auf die Barrikaden.

Berlin – „Der Vorschlag würde Innovationen verhindern und ließe den EU-Binnenmarkt zersplittern.“ Mit deutlichen Worten kritisierte Philipp Schröder, CEO des Energieunternehmens 1KOMMA5°, den möglichen Resilienz-Bonus, nach dem Hersteller wie Meyer Burger seit Wochen verlangen. Innerhalb der Solarbranche sind diese Boni tatsächlich umstritten; es haben sich Lager herauskristallisiert, die jeweils unterschiedliche Arten der politischen Einflussnahme bevorzugen. Gegenüber Ippen.Media verriet Schröder, wo er die Probleme sieht.

Anteil chinesischer Wertschöpfung an Photovoltaik-Herstellung80 Prozent (weltweit)
Mindestvoraussetzung europäische Wertschöpfung an Photovoltaik für die Förderung durch Resilienz-Bonus50 Prozent (Vorschlag Fraunhofer ISE)
Jährlicher Zubau an Solarenergie in Deutschland14,1 Gigawatt (vbw)
Langfristiges Ziel des jährlichen Solarenergie-Zubaus20,0 Gigawatt

Deutsche Solarbranche steht nach wie vor unter Druck

Der Hintergrund ist bekannt: Chinesische Hersteller verkaufen solche Mengen an Solarmodulen, und das auch noch zu so niedrigen Preisen, dass die traditionellen deutschen Produzenten beim Preiskampf nicht mehr mithalten können. Der chinesische Anteil an der globalen Photovoltaik-Herstellung beträgt rund 80 Prozent. Weil dieser Druck im Jahr 2023 in bislang ungekannter Weise zugenommen hatte, entschieden sich mehrere große Hersteller, darunter Heckert Solar und Solarwatt, die Produktion zurückzufahren. Meyer Burger zog gar eine Werksschließung in Betracht und drohte mit der Abwanderung in die USA.

Installation einer Solaranlage auf einem privaten Hausdach, München. Die deutsche Solarbranche steht unter heftigem Druck. Mehrere Solar-Start-ups gehen gegen die sogenannten Resilienz-Boni auf die Barrikaden.

Nun sucht ein Teil der Solarunternehmen ihr Heil in politischer Einflussnahme. Sogenannte Resilienz-Boni sollen Kunden belohnen, die Solarmodule aus europäischer Herstellung kaufen. Mehrere Unternehmen hatten sich davon distanziert, darunter Enpal, 1KOMMA5°, Energiekonzepte Deutschland (EKD) und Zolar. Sie warnten vor einem höheren Druck auf das Kleinanlagensegment und vor einer unwillkommenen Monopolbildung am deutschen Markt. Stattdessen müsste der Staat Resilienz-Ausschreibungen fokussieren oder mit gezielten, direkten Investitionen unterstützen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken.

Geteilte Meinungen – Resilienz-Boni oder lieber Ausschreibungen?

Solche Ausschreibungen sind bereits im Net Zero Industry Act (NZIA) auf europäischer Ebene verankert. Dieser sieht vor, dass bei 30 Prozent der Ausschreibungsvolumina im Photovoltaikbereich Technologie aus der EU zum Einsatz kommen soll. Im Grunde handelt es sich also um Auktionen, bei denen diejenigen Unternehmen besser abschneiden, deren Module einen höheren Anteil europäischer Teile aufweisen oder eben innerhalb Europas gebaut sind.

Auch die Boni sollen lokale Produkte fördern: Kunden, die Komponenten mit „tieferer Wertschöpfung“, also mit einem höheren Anteil europäischer Teile oder europäischer Produktion kaufen, sollen Einspeisevergütungen erhalten. Bis Details zum Mechanismus des Bonus veröffentlicht wurden, schien das für 1KOMMA5° eine mögliche Lösung zu sein, immerhin stellt das Unternehmen selbst Module mit deutschem Polysilizium her und lässt in China zusammenbauen. Eine eigene Modulproduktion in Deutschland sei in Planung.

„Industriepolitischer Unfug“ – 1KOMMA5°-Chef kritisiert Resilienz-Boni

Allerdings blieb es nicht dabei. „Hinter verschlossenen Türen“ habe der Bonus verschiedene Updates erhalten. Im Februar lag dann eine Version vor, in der Verbraucher vom Resilienz-Bonus nur dann maximal profitieren, wenn sie auch einen europäischen Wechselrichter kaufen (ein Gerät, das den vom Solarmodul auf dem Dach hergestellten Gleichstrom in nutzbaren Wechselstrom umwandelt). Kurios dabei: Für dieses Gerät war keine Vorgabe hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe vorgesehen, es könnte also auch aus chinesischen Bauteilen bestehen und trotzdem die volle Förderung erhalten.

Schröder betonte, dass 1KOMMA5° technisch überlegene und somit auch teure Wechselrichter in den USA und in Israel kaufe. Das klingt zunächst widersinnig – Unternehmen, die sich aktiv gegen chinesische Teile entscheiden, erhalten Nachteile bei einem Resilienz-Bonus, der ihre Branche grundsätzlich vor chinesischen Unternehmen schützen soll. „Das konnte uns dann keiner erklären, wollte uns auch keiner erklären“, kommentierte Schröder. Resilienz-Boni seien im aktuellen Design „auch geostrategisch und industriepolitischer Unfug.“

Neueinsteiger am Markt hätten es schwer, eine entsprechende Wertschöpfungstiefe aus dem Stand zu realisieren. Versuche vonseiten seines Unternehmens, wenigstens Wachstumsmaßnahmen wie Fabrikbau oder Investitionsnachweise ebenfalls über die Boni zu belohnen, blieben ungehört.

Anpassungen beim Resilienz-Bonus

Bis zum Vorschlag des Fraunhofer ISE im Februar habe es „keinerlei Informationen“ darüber gegeben, wie der Bonus aussehen sollte. Auch die Politik habe wohl keine entsprechenden Details gehabt. Im neuen Vorschlag ging es zudem nicht mehr nur um eingespeisten Strom, der eine Förderung erhalten sollte, sondern um jeglichen produzierten Strom. „Das Fraunhofer ISE hat dem BMWK mit der vorliegenden Untersuchung eine zeitlich gestaffelte Roadmap zur Einführung europäischer Produkte in den Markt durch Resilienz-Boni vorgestellt und eine konkrete inkrementelle Ausgestaltung vorgeschlagen“, teilte das Institut dazu mit.

Dafür empfahl das Fraunhofer ISE eine Mindestvoraussetzung von 50 Prozent europäischer Wertschöpfung, was zum Beispiel durch den Wechselrichter oder das Modul funktionieren sollte. „Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Vorschlag des Europäischen Rates zum NZIA“, hieß es weiter. Im NZIA ist von Resilienz-Boni jedoch keine Rede, sondern von der „Anwendung von Resilienzkriterien bei Vergabeverfahren und Auktionen“.

„Der entscheidende Punkt ist, dass der Fördereffekt sich durch diese Produktionsklausel und die Wechselrichter stark erhöht“, kritisierte Schröder, und zog einen Vergleich zum Tomatenanbau. In diesem Szenario würde ein Bauer, der Tomate verkauft, auch eine Extra-Vergütung erhalten, wenn er sie selbst esse. Der 1KOMMA5°-Chef findet: „Das wäre schlichtweg eine Überförderung.“ Anfangs habe das weder die Politik noch die Medien thematisiert, während Interessensvertreter den Vorschlag zum Resilienz-Bonus eigenständig ausgestaltet haben.

Marktkonsolidierung in der Solarbranche?

Die deutsche Solarbranche steht nun am Wendepunkt. „Wir kritisieren nicht das Ziel, die deutsche Solarindustrie zu stärken“, stellte Schröder klar. Die Methodik sei aber die falsche. „Wenn man langfristig die Industrie fördern möchte, dann muss man an anderer Stelle ansetzen und notfalls auch in Kauf nehmen, dass der Markt sich vielleicht kurz einmal konsolidiert. Aber das Instrument, das hier gebaut und diskutiert wird, das hilft nur einzelnen kurzfristig und ist eine absolute Farce.“

Beim Bundesverband Solarwirtschaft herrscht dagegen Unverständnis. „Keinesfalls nachvollziehbar ist die Kritik des Start-ups, wie Maßnahmen für mehr Diversifizierung und Resilienz in der von uns empfohlenen Form einer Monopolbildung Vorschub leisten sollen“, teilte der Verband auf Anfrage von Ippen.Media hin mit. Die Empfehlungen zur Einführung einer Resilienz-Komponente im EEG seien so ausgestaltet worden, dass „ungewollte Marktverzerrungen oder Attentismus-Effekte“ im Photovoltaik-Markt vermieden würden. Für Hersteller, Handel und Handwerk entstehe gleichermaßen ein Win-Win-Situation. Es gehe um einen befristeten Nachteilsausgleich.

Wie geht es weiter? Derzeit steht das Solarpaket I in den Startlöchern, das unter anderem Bürokratie abbauen soll. In einer Bundesratssitzung vom 2. Februar hieß es weiter, dass die Resilienz-Ausschreibungen zumindest ausgetestet werden sollen. Obwohl eine Entscheidung in der zweiten Februarhälfte angekündigt war, läuft die Produktion von Meyer Burger in Freiberg noch. 1KOMMA5° steht hier bereit, um das Werk zu übernehmen. Das letzte Wort der Politik ist noch nicht gesprochen.

Rubriklistenbild: © IMAGO / Wolfgang Maria Weber

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