Renten-System
„Allein auf Kosten der Rentner“: Renten-Reform erntet heftige Kritik
VonMarvin K. Hoffmannschließen
Das Renten-System steht immer wieder auf dem Prüfstand. Reformvorschläge der Wirtschaftsweisen ernten nun aber heftige Kritik. Sie sollen eine Gefahr für Rentner sein.
Hamm – Wenn viele Menschen einer Generation gleichzeitig in Rente gehen, kann dieser Umstand das Renten-System ziemlich belasten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat unlängst daher eine Prämie für alle Rentner, die länger arbeiten, in Aussicht gestellt. Eine ähnliche Idee haben auch die fünf Wirtschaftsweisen geäußert. Doch ihre Reform-Vorschläge zur Rente, um die sich viele Irrtümer ranken, gehen noch viel weiter – und stoßen auf heftige Kritik.
Reform-Vorschläge: Wirtschaftsweisen wollen die Rente umkrempeln
Obwohl die Deutschen im Schnitt immer älter werden, wollen auch immer mehr Menschen früher in Rente gehen. Die sogenannte Rente mit 63 ohne Abzüge erlebt einen regelrechten Run. Für das Renten-System wäre es allerdings besser, die Arbeitnehmer erst möglichst spät in Rente gehen zu lassen. Ein Punkt der Wirtschaftsweisen bei der Präsentation ihres Jahresgutachtens daher: Die Menschen in Deutschland sollen länger arbeiten.
Die drei wichtigsten Reform-Vorschläge:
1. Arbeitnehmer in Deutschland sollten länger arbeiten.
2. Es sollte mehr Rentenpunkte für Geringverdiener geben.
3. Die Bestandsrente sollte an die Inflation gekoppelt werden.
Renten-Reform: Menschen in Deutschland sollen länger arbeiten
„Kernelement“, so schreiben es die Ökonomen in ihrem Gutachten, müsse eine Koppelung des gesetzlichen Renteneintrittalters an die Lebenserwartung sein. Heißt im Klartext: Weil die Menschen in Deutschland mittlerweile länger leben und viel älter werden, sollen sie auch länger arbeiten.
Auf den ersten Blick mag das in der Tat eine weise Entscheidung sein. Ein Vorteil wäre, dass mehr Arbeitnehmer länger in die Rentenkasse einzahlen, gleichzeitig würde die Bezugsdauer der Renten sinken. Der Vorschlag ist allerdings kaum umsetzbar. Ein Vorhaben wie dieses ist viel zu unpopulär und würde in der breiten Bevölkerung nur auf wenig Verständnis stoßen.
Rentenpunkte sollen an Einkommen gekoppelt werden
Ähnlich wie bei einem Spitzensteuersatz, bei dem Steuerzahler mit einem höheren Einkommen stärker belastet werden, könnten auch die Rentenpunkte ans Einkommen gekoppelt werden. Gutverdiener würden in Zukunft also überproportional niedrige Rentenansprüche erwerben. Höhere Ansprüche sollten wiederum Menschen mit geringerem Jahreseinkommen zustehen.
Die Beiträge von Geringverdienern wäre damit mehr wert als die von besser verdienenden Arbeitnehmern – der Vorschlag soll helfen, das Risiko von Altersarmut zu senken. Auch soll er dabei helfen, das Geld innerhalb einer Generation umzuverteilen. „Die jetzige Generation soll mehr dazu beitragen, das Rentensystem zu stabilisieren“, sagte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats, bereits vor einigen Wochen im Interview mit dem Nachrichtenpodcast Lage der Nation. Die Begründung der Wirtschaftsweisen: Die jüngere Generation müsse ohnehin schon genug leisten.
Bestandsrenten an Inflation koppeln, nicht an die Lohnentwicklung
Der dritte Vorschlag zur Renten-Reform zielt auf die Bestandsrenten ab. Diese sollten nach Vorstellung der Wirtschaftsweisen an die Inflation gekoppelt werden – nicht wie bisher an die Lohnentwicklung. Der Hintergrund: Wenn die Verbraucherpreise langsamer als die Löhne steigen, würden die Ausgaben der Rentenkasse nicht mehr so stark wachsen. Beitragszahler würden dadurch weniger in die Rentenkasse einzahlen müssen, Rentner hingegen würden weniger stark vom steigenden Lohnniveau profitieren – wie etwa bei der nächsten Rentenerhöhung im Jahr 2024, die Schätzungen zufolge allerdings ohnehin schon niedriger ausfällt.
Vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband hagelte es für diese Vorschläge heftige Kritik. „Was die sogenannten Wirtschaftsweisen als Rentenreform verkaufen, ist nichts anderes als der Versuch, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung allein auf Kosten der Rentnerinnen und Rentner sicherzustellen“, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
Kritik an Reform-Vorschlägen von Ulrich Schneider
Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters bedeute in der Praxis für viele eine Rentenkürzung, da sie schon die 65 und 66 Jahre vielfach nicht erreichen und damit Abschläge hinnehmen müssten. „Die Orientierung der Rentenanpassung allein an der Inflationsrate und nicht mehr an der Lohnentwicklung bedeutet, Rentnerinnen und Rentner systematisch vom Wohlstandszuwachs in der Bevölkerung abzukoppeln“, sagte er.
Zudem würde damit das Ziel der Rentenversicherung, den Lebensstandard zu sichern, aufgegeben werden. Mit diesen Vorschlägen“, so Schneider, „wird das ohnehin angeknackste Vertrauen in unser Rentensystem weiter unterminiert. Anstatt die Menschen in der aktuellen sehr schwierigen politischen Stimmungslage im Land weiter zu verunsichern, brauchen wir Vorschläge für eine durchgreifende Reform, die alle mitnimmt.“
Die Diskussionen rund um das Thema Rente nehmen also – mal wieder – erneut Fahrt auf. Eine Lösung, die alle Menschen zufriedenstellt, scheint nicht in Sicht zu sein.
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