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Umfrage: Eine große Mehrheit der Erwerbstätigen in Deutschland wünscht sich, spätestens mit 63 Jahren in Rente gehen zu können.

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Rente mit 63 oder mit 67? Bereitschaft, länger zu arbeiten, steigt wieder an

  • VonBettina Menzel
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Leben um zu arbeiten oder arbeiten um zu leben? Für die Menschen in Deutschland steht die Antwort offenbar fest: Die meisten wollen nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten.

Berlin – Die deutsche Gesellschaft wird immer älter. Das Umlageverfahren des Rentensystems stößt damit an seine Grenzen, weshalb das Renteneintrittsalter zuletzt auf 67 Jahre kletterte. Doch die wenigsten Menschen in Deutschland können sich offenbar vorstellen, tatsächlich bis zu diesem Alter zu arbeiten. Ein Großteil würde sogar Abschläge in Kauf nehmen und dafür mit 63 Jahren in Rente gehen, wie eine Umfrage des Demographie Netzwerks (ddn) zeigt.

Alt und Jung sind sich einig: Mehrheit will nicht bis 67 arbeiten

Etwa zwei Drittel (63,4 Prozent) der Erwerbstätigen in Deutschland würden nicht länger als bis zum Alter von 63 Jahren arbeiten, wenn sie es sich aussuchen dürften. Dafür würden sie offenbar auch Abschläge in Kauf nehmen. 36,6 Prozent würden schon mit 61 Jahren oder sogar früher in Rente gehen wollen, wie die Umfrage „Demographie-Index“ des Marktforschungsunternehmens Civey im Auftrag von ddn ergab.

Insbesondere ledige Personen und Menschen ohne Berufsabschluss wollen demnach möglichst früh aufhören zu arbeiten. Die Rente mit 67 ist prinzipiell bei Alt und Jung ähnlich unbeliebt: Nur jeder sechste Erwerbstätige unter 30 Jahren (15 Prozent) kann sich vorstellen, bis zum Renteneintrittsalter von 67 Jahren zu arbeiten. Der Schnitt unter allen befragten Erwerbstätigen lag bei 15,8 Prozent.

Bei der Mehrheit der Erwerbstätigen gebe es nach wie vor keine Bereitschaft, auch nur bis zum derzeit gültigen Renteneintrittsalter zu arbeiten, kommentierte das ddn-Vorstandsmitglied Niels Reith die Ergebnisse der Umfrage. „Für Unternehmen ist das keine gute Nachricht“, so der Experte. Angesichts einer Renteneintrittswelle der Baby-Boomer werde sich der Fachkräftemangel also nochmals verschärfen.

Rente mit 67: Bereitschaft länger zu arbeiten wächst im Alter – und steigt insgesamt leicht

Die Bereitschaft länger zu arbeiten steigt mit dem Alter an, wie die Umfrage zeigt. Unter den Erwerbstätigen über 65 Jahren will fast die Hälfte (44,2 Prozent) bis 67 oder länger arbeiten. Jeder Vierte (25 Prozent) der Befragten könnte sich vorstellen, sogar mit über 70 noch zu arbeiten. Leitende Angestellte zeigen den Forschern zufolge die höchste Tendenz, auch nach dem Renteneintrittsalter weitermachen zu wollen.

Insgesamt liegt die Bereitschaft länger zu arbeiten in allen Altersklassen aktuell etwas höher als in den Vorjahren. Die leicht gestiegene Bereitschaft könnte mit dem Wegfall der Zuverdienstgrenze zu tun haben, so der Experte Reith über die Ergebnisse. „Wie die Studie zeigt, ist Geld im Hinblick aufs Arbeiten im Alter durchaus ein Faktor. Geld allein reicht allerdings nicht aus, um Menschen länger in Beschäftigung zu halten, dazu ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen nötig.“

Lebensarbeitszeit in Deutschland liegt ein halbes Jahr unter EU-weitem Schnitt

Im Schnitt arbeiten Menschen in Deutschland vier Jahrzehnte lang. Im EU-weiten Vergleich kommen die Deutschen dabei noch gut weg: Geschätzte 52.662 Stunden ihres Lebens verbringen die Bundesbürger durchschnittlich in der Arbeit, wie das Münchner Roman Herzog Institut (RHI) errechnete. Der EU-Schnitt liegt bei 57.342 Stunden.

Umgerechnet sind die Menschen hierzulande also schon 195 Tage oder mehr als ein halbes Jahr in Rente, während der Durchschnittseuropäer noch weiter arbeitet. Nur die Luxemburger kommen in ihrem Leben auf weniger Arbeitszeit als die Deutschen. EU-Spitzenreiter sind die Esten: 71.331 Stunden verbringen die Bewohner Estlands laut RHI-Berechnungen in ihrem Leben mit arbeiten.

Lebensarbeitszeit in Deutschland: Ökonomen fordern weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters

Dass die Deutschen bei der Lebensarbeitszeit so gut wegkommen, könnte sich womöglich bald ändern. Angesichts des Fachkräftemangels fehlen hierzulande 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr, sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, jüngst. Die Rente mit 63 sei „falsch“, so Schnitzer. Die Wirtschaftsweise fordert - wie viele Ökonomen - wegen der finanziellen Belastung der Rentenkasse eine Erhöhung des Renteneintrittsalters über die 67 Jahre hinaus.

Ein weiteres Argument für diese Idee liefern die Autoren der RHI-Studie gleich mit: Die „Silver worker“, also ältere Arbeitnehmer, könnten den Fachkräftemangel zumindest teilweise ausgleichen. Die Forscher fragten auch, was die Menschen dazu motivieren könnte, länger zu arbeiten: 41 Prozent der Befragten nannten die freie Wahl der Arbeitszeit, gefolgt von mehr Gehalt (40 Prozent) sowie „weniger körperliche Belastung oder Stress“ (39 Prozent).

Über die Studie: Für den Demographie-Index hat das Marktforschungsunternehmen Civey im Auftrag von ddn 2.502 Erwerbstätige im Zeitraum vom 01. Oktober 2022 bis 10. Oktober 2022 im Rahmen einer Online-Umfrage befragt. Die Erhebung verknüpfte insgesamt vier Fragen mit zwölf sozioökonomischen Faktoren wie Alter, Bildung, beruflicher Stellung und Familienstand.

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