Zehn Milliarden Euro sparen
Experte schlägt Nullrunde bei Renten vor – SPD reagiert empört: „Rentenanpassung kein Almosen“
VonAmy Walkerschließen
Sowohl die Rentenkasse als auch der Bundeshaushalt stehen finanziell unter Druck. Im Sommer sollen Rentner eigentlich eine Erhöhung bekommen. Ein Ökonom hält das für einen Fehler.
Update vom 28. Februar, 14.35 Uhr: Die SPD hat Forderungen nach einer Nullrunde bei den Renten scharf zurückgewiesen. „Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben, das ist auch eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung von allen, die viele Jahre hart gearbeitet haben“, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Genau dies würde aber die zuvor von dem Rentenexperten Bernd Raffelhüschen vorgeschlagene Nullrunde bedeuten.
In unsicheren Zeiten wie diesen bräuchten Menschen soziale Sicherheit. Der Sozialstaat sei dafür der Garant, betonte Schmidt. „De facto würde die von Professor Raffelhüschen, der unter anderem als Lobbyist für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tätig ist, geforderte Nullrunde für Rentnerinnen und Rentner eine Rentenkürzung bedeuten“, fügte die SPD-Politikerin hinzu. Sie verwies dabei auf den Kaufkraftverlust wegen der Inflation.
Schmidt bekräftigte, dass die SPD das Rentenniveau von mindestens 48 Prozent langfristig sichern wolle. Die Renten müssten weiterhin mit den Löhnen steigen, damit die Rentnerinnen und Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben könnten. „Die jährliche Rentenanpassung ist kein Almosen, sondern ein fest verbrieftes soziales Recht, an dem es nichts zu rütteln gibt“, stellte die Bundestags-Fraktionsvize klar.
Erstmeldung vom 28. Februar, 9.24 Uhr:
Berlin – Wie jedes Jahr soll auch 2024 die gesetzliche Rente ab Juli wieder steigen. Einer aktuellen Prognose der Bundesregierung zufolge soll es 3,5 Prozent mehr geben – final beschlossen ist dieser Wert aber noch nicht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bisher nur in Aussicht gestellt, dass die Renten wieder über dem Niveau der Inflation steigen dürften. Bekanntgegeben werden die neuen Rentenwerte Ende März.
Ökonom fordert Nullrunde bei der Rente 2024
Doch die Rentenkasse ist zunehmend strapaziert, die Beiträge der Versicherten können nicht mehr alle Rentner und Rentnerinnen versorgen – sie werden einfach zu viele. Entsprechend stockt die Bundesregierung die gesetzliche Rentenversicherung mit einem Zuschuss auf; 2024 sind dafür 127 Milliarden Euro vorgesehen. Und das in Zeiten, in denen der Finanzminister zum Sparen aufgerufen hat.
Entsprechend kommen schon seit Wochen Vorschläge aus Expertenkreisen, wo man denn den Rotstift besser ansetzten könnte, um die Ausgaben zu minimieren. Die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Monika Schnitzer, forderte Anfang Januar die Abschaffung der Mütterrente und „stattdessen die Bahn sanieren“. Ihre Kollegen und Kolleginnen um Sachverständigenrat, wie Veronika Grimm und Martin Werding, haben eine Streichung der Rente mit 63 ins Spiel gebracht: „Schafft die Rente mit 63 ab!“, so Werding deutlich gegenüber Ippen.Media.
Nun kommt auch der Top-Ökonom Bernd Raffelhüschen mit einem neuen Vorschlag um die Ecke: „Deutschland baut seinen Sozialstaat seit Jahrzehnten immer weiter aus“, sagte er der Bild-Zeitung. „Deshalb ist es auch unproblematisch, im Sozialbereich zu sparen. Beispielsweise wäre ein Renten-Moratorium sinnvoll: Die Rentenerhöhung für dieses Jahr sollte ausgesetzt werden.“ Damit könne man zehn Milliarden Euro einsparen.
Heil hat deutliche Erhöhung der Renten schon prognostiziert
Dass dieser Vorschlag von der Regierung abgeschmettert wird, ist so gut wie sicher. Sozialminister Heil hat bereits zugesagt, dass „zum 1. Juli die Renten wieder stärker steigen als die Inflation“. Er setzt zusammen mit der Ampel-Koalition auf den Aufbau der Aktienrente, um die Finanzierung der Rente mittelfristig abzusichern. 2024 sollen dafür 12 Milliarden Euro angelegt werden, deren Renditen der Rentenkasse zugutekommen soll. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an diesem Plan: Das Institut der Deutsche Wirtschaft in Köln bemängelte jüngst die Tatsache, dass über die Renditen zu wenig bekannt sei. Nach ihren Berechnungen müssten entweder die Beiträge oder der Bundeszuschuss in den kommenden Jahren deutlich steigen, wenn das Rentenniveau bei 48 Prozent bleiben soll. Beides lehnt die Regierung aber ab.
Nach den ersten Zahlen der Deutschen Rentenversicherung für 2023 stiegen die Netto-Durchschnittsrenten im vergangenen Jahr um 57 Euro auf 1209 Euro. Im Osten legte die Rente um 5,86 Prozent zu und im Westen lag die Erhöhung für Rentner bei 4,39 Prozent. Zusammen mit der Erhöhung im Jahr 2022 bedeutet diese eine Erhöhung von elf Prozent. Diese Zahlen schließen sämtliche Rentenzahlungen von Erwerbsunfähigkeit, über Alters- bis zu Witwenrenten mit ein.
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