„Der Festtag geht zu Ende“
Putins teurer Krieg: Wie seine Wirtschaftspolitik Russland in die Krise führt
- VonBleranda Shabanischließen
Russlands Wirtschaft gerät ins Wanken: Während der Rüstungssektor weiterhin boomt, kämpfen viele Branchen mit Problemen. Die Sanktionen und steigende Inflation setzen dem Land zu, und selbst Giganten wie Gazprom geraten unter Druck.
Frankfurt – Die massiven Staatsausgaben für den Krieg gegen die Ukraine haben das Wachstum künstlich gestützt – doch dieses Modell scheint an seine Grenzen zu stoßen. Zudem wird der wirtschaftliche Spielraum durch westliche Sanktionen und die Abhängigkeit von staatlichen Investitionen immer weiter eingeschränkt.
Putins Wirtschaftspolitik: Russlands Wirtschaft droht hohe Inflation
Offiziellen Angaben zufolge wuchs die Wirtschaft 2023 um 4,1 Prozent. Hauptverantwortlich dafür ist die boomende Rüstungsindustrie, die von hohen Militärausgaben profitiert. Auch die Automobil- und Düngemittelbranche konnten wachsen. Zudem verzeichnete die Landwirtschaft ein starkes Wachstum, insbesondere im Weinanbau, der von der Marktabschottung gegenüber westlichen Importen profitiert.
Doch Ökonomen warnen: Diese Entwicklung ist nicht nachhaltig. Das Wachstum verlangsamt sich bereits und eine langanhaltende Stagflation mit hoher Inflation droht. „Der Festtag geht zu Ende“, warnt Wirtschaftswissenschaftlerin Natalja Subarewitsch. Bereits seit Ende 2023 verzeichnen einige Branchen eine Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik, was sich in den kommenden Jahren verstärken könnte.
Hohe Investitionen in Rüstungssektor – Russlands Wirtschaft ist vom Krieg abhängig
Der Staat hat einen großen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung – jedoch fast ausschließlich durch Investitionen in den Rüstungssektor. Während dort Gehälter steigen und Arbeitsplätze sicher sind, kämpfen andere Branchen mit Inflation und Fachkräftemangel. Unternehmen außerhalb des militärischen Sektors können mit den hohen Löhnen in der Verteidigungsindustrie nicht mithalten und geraten zunehmend ins Hintertreffen. Das verstärkt die strukturellen Ungleichgewichte der russischen Wirtschaft.
Die hohen Militärausgaben verringern die Kaufkraft der Bevölkerung, während die Preise für Konsumgüter steigen. So kostet seit dem 1. Januar 2025 ein halber Liter in Russland 17 Prozent mehr – der Mindestpreis schnellte laut MirrorUS von 299 auf 349 Rubel (2,66 € auf 3,10 €). Gleichzeitig bleibt das Lohnwachstum im zivilen Sektor oft hinter der Inflation zurück, was die Binnenkonjunktur schwächt und langfristig der gesamten Wirtschaft schadet.
Staatliche Investitionen sichern ein Fünftel des Wirtschaftswachstums
Nach Berechnungen der Raiffeisenbank hat der Staat ein Fünftel des Wirtschaftswachstums durch direkte Investitionen gewährleistet. Die indirekten Folgen sind noch höher. Während der Rüstungssektor auch 2025 von Staatsaufträgen profitiert und mit kräftigen Gehaltssteigerungen Personal bindet, wurden andere Sektoren abgehängt.
Ihnen bereiten Inflation und der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften inzwischen gewaltige Schwierigkeiten. Mit den Gehältern im Rüstungssektor, die das Militär den Frontkämpfern zahlt, können sie nicht mithalten.
Krisenstimmung im Bau- und Automobilsektor
Die Immobilienbranche leidet besonders. Während in einigen Regionen die Nachfrage nach Wohnraum noch leicht steigt, ist sie in Moskau offenbar drastisch gesunken. Staatliche Hypothekenförderungen wurden gekürzt, da der Kreml seine Mittel anders verteilt. Das bremst nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch die Baustoff- und Stahlindustrie. Gleichzeitig kämpfen Immobilienentwickler mit steigenden Materialkosten und hohen Kreditzinsen, die den Bau neuer Projekte erschweren.
Auch der Automarkt steht vor einer Krise. Branchenverbände rechnen mit einem Rückgang der Neuwagenverkäufe um 15 Prozent. Strengere Kreditbedingungen und höhere Abgaben führen dazu, dass viele Fahrzeuge auf Halde stehen. Zahlreiche Autohäuser stehen wohl vor dem Aus. Zudem hat der Rückzug westlicher Hersteller und der verstärkte Import chinesischer Fahrzeuge zu einem Wandel des Marktes geführt, was für viele Betriebe eine zusätzliche Belastung ist.
Gazprom mit Milliardenverlust
Auch der Ölexport leidet unter neuen Handelsbeschränkungen, und Gazprom verzeichnet erstmals seit 25 Jahren Milliardenverluste. Steigende Steuern und der Wegfall des europäischen Marktes belasten das Unternehmen zusätzlich. Die Hoffnung auf eine neue Pipeline nach China hat sich zerschlagen, sodass Moskau nach neuen Abnehmern suchen muss. Selbst mit neuen Absatzmärkten bleibt das Preisniveau für russisches Öl und Gas unter Druck, was die Einnahmen weiter schmälert.
Der nationale Wohlstandsfonds, lange ein finanzielles Polster, ist seit Kriegsbeginn bereits zu 60 Prozent geschrumpft. Sollte Donald Trump in den USA tatsächlich die Ölproduktion massiv ausweiten, drohen Russland weitere Einbußen, wenn das einen niedrigeren Ölpreis nach sich zieht. Auch die wachsende Konkurrenz durch alternative Energien setzt die russische Energieindustrie zunehmend unter Druck.
Hohe Inflation, teure Kredite – die Wirtschaft gerät ins Stocken
Die staatlichen Ausgaben haben die Inflation in die Höhe getrieben. Laut offiziellen Angaben liegt sie bei 9,9 Prozent, Experten vermuten jedoch höhere Werte. Die Zentralbank reagierte mit einer Zinserhöhung auf 21 Prozent – dem höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten.
Diese Maßnahme hat jedoch Folgen: Kredite sind für Unternehmen kaum mehr erschwinglich, wodurch Investitionen ausbleiben. Besonders kleine und mittelständische Betriebe leiden unter den teuren Finanzierungsbedingungen. Mit Material der dpa.
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