Fehlendes Personal
Wie die Deutsche Bahn den Fachkräftemangel bekämpft – 30.000 Einstellungen pro Jahr
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Der Fachkräftemangel stellt aktuell branchenübergreifend Firmen vor Probleme. Bei der Deutschen Bahn äußert er sich unter anderem in vielfachen Verspätungen. Die Bahn sucht eine Lösung.
Berlin – „Würde die Deutsche Bahn alle Forderungen der GDL erfüllen, bräuchte sie zehn Prozent mehr Mitarbeitende.“ Vor dem Hintergrund des aktuell omnipräsenten Streiks ist das Thema Fachkräftemangel ein besonderes, beruft sich die Bahn doch wieder und wieder auf fehlendes Personal. Kernforderungen der GDL könnten nicht erfüllt werden, weil einfach nicht genug Leute vorhanden sind. Dabei unternimmt die Bahn durchaus Anstrengungen, um dieses Problem zu lösen.
| Beförderte Zugreisende (2022, laut DB) | 5,4 Millionen pro Tag |
|---|---|
| Anteil der ICE, die 2023 wegen Baustellen behindert wurden | 75 Prozent |
| Neueinstellungen an Personal 2023 (laut DB) | 30.000 Mitarbeiter |
| Gefordertes Sprachniveau für Lokführer aus anderen Ländern | Deutsch B2 |
Bahn warnt vor verschärfter Personalsituation – es fehlen die Fachkräfte
Pro Tag beförderte die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben 5,4 Millionen Zugreisende (Stand 2022). Mit derzeit rund 338.000 Mitarbeitern ist der Konzern einer der größten Arbeitgeber Deutschlands. Der Bahn reicht das nicht: „Der Fachkräftemangel ist harte Realität“, sagte Personalvorstand Martin Seiler, nachdem die GDL den neuesten Streik verkündet hatte. „Wir werden keiner Lösung zustimmen, die die Personalsituation verschärft.“
Nach Ansicht der Bahn würde genau das passieren, wenn sie die Kernforderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche für die Schichtarbeiter in Realität umsetzte. „Das kann mit Blick auf die Fahrgäste und die Mobilitätswende niemand ernsthaft wollen, auch nicht die Lokführergewerkschaft“, fuhr Seiler fort.
Drei Viertel aller ICE verspäteten sich 2023 wegen Baustellen
Die Fahrgäste haben von der Bahn schon seit einigen Jahren ein eher spezielles Bild. Eine Erklärung dafür findet sich in den Pünktlichkeitswerten des Unternehmens. Im Jahr 2023 erreichten etwa zwei Drittel aller ICE- und IC-Züge ihr Ziel pünktlich. Drei Viertel aller Fernverkehrszüge mussten wegen mindestens einer Baustelle Verspätungen hinnehmen.
Das teils marode Streckennetz ist eine weitere – in diesem Fall buchstäbliche – Baustelle des Staatskonzerns. Die Reparaturen nehmen sowohl auf personeller als auch auf finanzieller Seite Ressourcen in Anspruch. 2024 zum Beispiel soll die Sanierung der Riedbahn beginnen. Die Bundesregierung hatte in diesem Rahmen verlauten lassen, die Bahn im neuen Haushaltsentwurf zu berücksichtigen. Wie das genau aussieht, steht jedoch erst im Februar fest.
Deutsche Bahn greift Personalfrage an – 30.000 Neueinstellungen
Dabei steht die Frage nach dem Personal wieder im Mittelpunkt. Nach Angaben der Deutschen Bahn stellt kaum ein Unternehmen so viele neue Kräfte ein wie sie. „Allein in den vergangenen fünf Jahren waren es weit über 130.000“, teilte eine Sprecherin der Bahn auf IPPEN-Anfrage mit. Aktuell arbeiten rund 20.000 Beschäftigte mehr für die Bahn als noch im Jahr 2019. Allein im vergangenen Jahr holte der Konzern 30.000 neue Kollegen mit „an Bord“.
Für 2024 erwartet der Konzern erneut Einstellungen und Qualifizierungen „im fünfstelligen Bereich“. Dazu hat die Bahn 2019 die Abteilung „Cross-Border-Recruiting“ aufgestellt. Ein Teil der Lösung liegt in Zuwanderung – seitdem die Abteilung läuft, konnte die Bahn 450 Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. „Die neuen Kolleginnen und Kollegen durchlaufen in ihren Heimatländern Sprachkurse und kommen dann nach Deutschland“, erklärte die Sprecherin. Notwendige Qualifizierungsmaßnahmen folgen.
Sprache als größte Hürde für zugewanderte Lokführer
Wo genau diese Fachkräfte zum Einsatz kommen, konnte die Sprecherin nicht pauschal sagen. „Wir prüfen Aufenthaltstitel im Rahmen der Arbeitserlaubnis, aber tracken keine individuellen Zuwanderungsgeschichten“, erklärte sie auf Anfrage. Laut der Bahn ist die Sprache für zugewanderte Lokführer oftmals die größte Hürde. Damit sie das geforderte Sprachniveau B2 erreichen, unterstützt die Bahn mit vorgelagerten Sprachkursen.
Die Anerkennung der Zeugnisse stellt neue Fachkräfte stets vor eine gewisse Herausforderung. „Zugewanderte Lokführer müssen wie jeder deutsche Staatsangehörige einen Schulabschluss und eine anerkannte Ausbildung/Studium aus dem Ausland mitbringen.“ Das macht wiederum mehrere Problemfelder auf: Zum Beispiel hat nicht jeder sein Schulzeugnis noch parat, Anerkennungen dauern bis zu einem halben Jahr. Manchmal fehlen auch einfach Dokumente; zum Beispiel wegen eines Umzugs oder Krieg.
Deutsche Bahn rekrutiert an Schulen
Und zuletzt unternimmt die Bahn schon an den Schulen Anstrengungen, um neue Fachkräfte zu finden. Im Jahr 2024 sollen 6.000 neue junge DB-Kollegen ihren Berufsstart bei der Bahn machen. „Nur mit qualifiziertem Nachwuchs gelingt es uns, die großen Herausforderungen vor uns zu meistern – Mobilitätswende und Klimaschutz“, sagt DB-Personalchef Seiler dazu. Darum lege die Bahn großen Wert darauf, eine„hochwertige Ausbildung“ zu ermöglichen.
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