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Militärausgaben auf Rekordniveau: Russland wegen Wirtschaft zum „ewigen Krieg“ verdammt?
VonPatrick Freiwah
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Der Krieg in der Ukraine spielt für Russlands Wirtschaft offenbar eine immer bedeutendere Rolle. Das könnte Auswirkungen auf eine Beendigung des Konflikts haben.
Moskau/Washington – Nationen, die sich direkt oder auch indirekt am Ukraine-Krieg beteiligen, fahren die Investitionen im Bereich Rüstung und Militärausgaben hoch. Besonders ausgeprägt sei dies bei Russland der Fall, analysiert der US-Branchendienst Bloomberg mit Bezug auf einen russischen Parlamentsentwurf.
Bloomberg erklärte, dass Russlands Haushaltsbudget für 2024 massive Investitionen im Bereich militärische Ausgaben vorsieht. Demnach plant die Kreml-Regierung, dass der Rüstungsbereich auf einen Wert von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zusteuert. Das entspricht den Angaben zufolge umgerechnet 112 Milliarden US-Dollar (etwa 106 Mrd. Euro) und sei deutlich mehr als der aktuelle Militärhaushalt, der sich auf 3,9 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung belaufe.
Russlands Wirtschaft profitiert von Aufstockung des Militär-Budgets
Zum Vergleich sei erwähnt, dass die Verteidigungsausgaben hierzulande laut Ifo-Institut im laufenden Jahr 1,6 Prozent des BIP (rund 64 Mrd. Euro) betragen, jedoch zügig in Richtung des Nato-Ziels von zwei Prozent erhöht werden sollen. Die mit Abstand größte Militärmacht der Welt bleiben die USA, die rund 3,5 Prozent ihrer Wirtschaftskraft alleine für diesen Bereich ausgeben – und zwar einen Betrag von über 870 Mrd. US-Dollar.
Nach Meinung des US-Instituts Carnegie Endowment for International Peace lasse Russlands enorme Erhöhung der Verteidigungsausgaben darauf schließen, dass der Moskauer Kreml nicht beabsichtigt, das Kriegsgeschehen im Nachbarland bald zu beenden. „Ganz im Gegenteil“, so der amerikanische Thinktank. In einer Analyse wird darauf verwiesen, dass Russland über genügend finanzielle Mittel verfügt, „um eine Eskalation wie die Verhängung des Kriegsrechts oder eine vollständige Mobilmachung“ zu finanzieren.
Russlands Wirtschaft wächst „spektakulär“ - diese Branchen profitieren
Inwieweit die Schilderungen aus Russlands Perspektive der Realität entsprechen, ist unklar. Die Auswertung des amerikanischen Instituts sieht jedoch einen wirtschaftlichen Aufschwung im flächenmäßig größten Land der Erde. Demnach boomen in Russland sämtliche Branchen, die Güter erzeugen, welche im direkten oder auch indirekten Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg stehen. Die Zuwächse einzelner Sparten gegenüber dem Vorjahr seien den Angaben zufolge „spektakulär“:
Transportmittel: 66,7 Prozent
Computer und Elektronik: 42,6 Prozent
Navigationsgeräte: 72,4 Prozent
Elektrogeräte: 29,5 Prozent
Schutzkleidung: 40,4 Prozent
Russische Industriezweige, die indirekt mit dem Geschehen in der Ukraine in Verbindung stehen, verzeichnen ebenfalls ein ordentliches Wirtschaftswachstum: Die Reparatur und Installation von Geräten stieg um 8,5 Prozent, während die Lebensmittelindustrie ein Plus von 11,3 Prozent verzeichne.
Russlands Militär wenig effizient? Arbeitslosenquote erstaunlich niedrig
Der Bericht aus Übersee schildert jedoch die Kehrseite: dass der drastische Anstieg der Ausgaben für die Verteidigung auf weniger Effizienz schließen lassen. Somit sehe sich Russland offenbar gezwungen, das Budget drastisch zu erhöhen, um den militärischen Anforderungen gerecht zu werden. Ein weiterer Faktor seien höhere Kosten aufgrund der Sanktionen gegen Russland, weil der Verteidigungssektor stark von Importen abhängig ist. Dazu soll der schwächere Rubel die Einfuhren zusätzlich verteuern.
Derweil habe Russland zwar einige Sektoren der Rüstungsindustrie ausgebaut. Allerdings erklären die Analysten des Thinktanks, dass Produktivitätssteigerungen aufgrund des begrenzten Zugangs zu westlicher Technologie und auch einem vorhandenen Arbeitskräftemangel unwahrscheinlich sind.
In der Veröffentlichung ist die Rede davon, dass die Produktion von Rüstungsgütern in Russland auf Hochtouren läuft und dass sich die meisten Industriezweige nach zwischenzeitlicher Flaute wieder auf dem Vorkriegsproduktionsniveau befinden. Was die Arbeitslosenquote betrifft, liege diese bei einer bemerkenswerten Rekordquote von gerade mal drei Prozent. Während die höchsten Ausgaben Russlands in den Militärsektor fließen, nimmt der Kreml offenbar für den Sozialbereich das zweitmeiste Geld in die Hand. Die Ausgaben sollen im kommenden Jahr 7,5 Billionen Rubel erreichen, statt aktuell 6,5 Billionen – das wären umgerechnet rund 74 Mrd. Euro.
Kreml verdammt Russland zum „ewigen Krieg“ – behauptet US-Thinktank
Die These des Carnegie-Instituts lautet, dass der Kreml mit den massiv steigenden Militärausgaben Russlands Wirtschaft zu einem „ewigen Krieg“ verdammt, weil es bei einem möglichen Ende umso schwieriger wäre, den Lebensstandard im Land aufrechtzuerhalten. Andernfalls würden Kürzungen der Verteidigung zu einem „Strukturschock“ mitsamt Stagnation führen. „In jedem Fall werden es die einfachen Russen sein, die den Preis zahlen“, so das abschließende Urteil.
Nach wie vor spielt für das an Rohstoffen reiche Land jedoch auch der Energiesektor eine essenzielle Rolle. Putin rühmte nach seinem Besuch in China zuletzt die Zusammenarbeit beider Länder in diesem Bereich. Die Beziehungen zwischen Russland und China hätten „ein noch nie dagewesenes hohes Niveau“ erreicht und entwickelten sich dynamisch weiter, hieß es in einer auf der Kreml-Website veröffentlichten Stellungnahme.
Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit Russland
Moskau plant laut Agence France-Presse (AFP), ab kommendem Jahr mit dem Bau der gigantischen Pipeline „Power of Siberia 2“ beginnen zu können, die Gas aus Sibirien durch die Steppe der Mongolei nach Nordchina transportiert. (PF)